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Wer ehrverletzende Posts auf Facebook teilt oder diese «liked», kann sich gemäss einem aktuellen Urteil des Bundesgerichts der üblen Nachrede strafbar machen. Nach dem Leitentscheid stellt das Liken oder Teilen eines Beitrags mit ehrverletzender Aussage selbst grundsätzlich keine eigene Aussage, z.B. in Form eines gemischten Werturteils, dar. Durch das Drücken des Like-Buttons kann aber eine ebenfalls strafbare Weiterverbreitung vorliegen. Dies setzt voraus, dass der gelikte Beitrag dadurch für einen Dritten sichtbar gemacht wird und dieser den Beitrag wahrnimmt. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, hängt gemäss Bundesgericht wiederum von Umständen wie der Pflege des Newsfeeds, dem Algorithmus des sozialen Netzwerks und den Nutzereinstellungen des fraglichen Verbreiters ab. Vorliegend musste das Bundesgericht aber aus prozessualen Gründen nicht konkret beantworten, ob tatsächlich eine Weiterverbreitung in diesem Sinne stattgefunden hatte. Viele Fragen bleiben deshalb weiterhin ungeklärt.
Streit unter Tierschützern
Hintergrund war ein Streit unter Schweizer Tierschützern, der 2015 seinen „Höhepunkt“ erreicht hatte. Dem Beschuldigten wurde vorgeworfen, Erwin Kessler mehrfach als Antisemiten bezeichnet und das Ansehen von dessen Verein gegen Tierfabriken beschädigt zu haben.
Der Verein und Erwin Kessler hatten deshalb in der Folge Strafanzeige wegen übler Nachrede erstattet. Der Beschuldigte wurde sodann von der Einzelrichterin des Bezirksgerichts Zürich im Juni 2017 erstinstanzlich wegen übler Nachrede verurteilt, gegen welches der Beschuldigte in Berufung beim Obergericht Zürich (OGer ZH) ging.
Dieses bestätigte das Urteil der Vorinstanz und verurteilte den Beschuldigten wegen mehrfacher übler Nachrede zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 30.- bei einer Probezeit von zwei Jahren (vgl. MLL-News vom 25. Februar 2019). Gegen das Urteil des OGer ZH legte der Beschuldigte sodann Beschwerde beim Bundesgericht ein.
Drücken des Like-Buttons nicht zwingend mit Wertung verbunden
Wie erwähnt, wurde der Beschuldigte der üblen Nachrede bezichtigt. Nach Art. 173 StGB macht sich der üblen Nachrede strafbar,
- «Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, oder
- wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung weiterverbreitet»
Im vorliegenden Fall wurde dem Beschuldigten unter anderem vorgeworfen, einen Beitrag auf Facebook „geliked“ zu haben, welcher Erwin Kessler und dessen Verein auf Facebook als „Antisemiten“ respektive „antisemitischen Verein“, „Rassisten“ und „Faschisten“ bezeichnete.
In seinem Urteil vom 29. Januar 2020 (6B_1114/2018 = BGE 146 IV 23) befand das Bundesgericht einführend, dass namentlich der Vorwurf, jemand hege Sympathien für das nationalsozialistische Regime oder antisemitische Ideologien ehrverletzend sei und damit unter den Anwendungsbereich der Norm falle. Betreffend der gelikten Aussagen sei sodann zu unterscheiden, ob es sich dabei um Tatsachenbehauptungen, die auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden können, oder reine Werturteile handle. Dazwischen liegen die gemischten Werturteile, die zwar wie reine Werturteile eine wertende Komponente enthalten, jedoch ebenfalls einen erkennbaren Bezug zu Tatsachen haben und damit ebenso dem Wahrheitsbeweis zugänglich seien.
Das OGer ZH war der Ansicht, dass das Liken dieser Aussagen selbst als gemischtes Werturteil zu qualifizieren sei. Denn das Liken trete als zustimmende, wertende Komponente zu den gelikten Äusserungen hinzu. Dieser Einschätzung widersprach das Bundesgericht. Das Drücken des Like-Buttons erfolge nicht stets, um die eigene Zustimmung auszudrücken. Der Like-Button werde aus verschiedensten Gründen verwendet, wobei es eben nicht klar sei, vor welchem Hintergrund das Liken erfolgte. Wie dem Share-Button könne dem Like-Button deshalb grundsätzlich keine über das Weiterverbreiten des entsprechenden Posts hinausgehende Bedeutung zugeschrieben werden. Denkbar seien höchstens Fälle, in denen sich der Wiedergebende die fremde Äusserung für einen Dritten zweifelsfrei erkennbar zu eigen mache, namentlich durch das gleichzeitige Veröffentlichen eines Kommentars. Ob das Liken und Teilen im vorliegenden Fall bereits für sich allein ehrverletzend war, liess das Bundesgericht letztlich aber offen.
Drücken des Like-Buttons kann eine Weiterverbreitungshandlung darstellen
Daraufhin überprüfte das Bundesgericht, ob und inwiefern das Liken eines Beitrags eine Weiterverbreitungshandlung im Sinne des Art. 173 StGB darstellen kann. Es hielt zunächst fest, dass der Like-Button wie auch der Share-Button zu einer Verbreitung des betreffenden Beitrags in einem sozialen Netzwerk führen können. Es müsse aber immer im Einzelfall geprüft werden, ob und wie in einem solchen Fall tatsächlich eine Weiterverbreitungshandlung vorliege. Dafür werde vorausgesetzt, dass die Aussagen, die bereits von einer anderen Person in einem Beitrag gemacht wurden, durch die eigene Handlung einem Dritten mitgeteilt werden. Das Delikt ist dann vollendet, wenn die Aussagen durch die eigene Handlung für eine Drittperson sichtbar und von dieser wahrgenommen werden. Allerdings hänge dies im Einzelfall «von der Pflege des Newsfeeds bzw. dem Algorithmus des sozialen Netzwerkdienstes einerseits, und den persönlichen Einstellungen der betreffenden Nutzerinnen und Nutzer andererseits, ab».
Das OGer ZH war im vorliegenden Fall jedenfalls davon ausgegangen, dass eine solche Weiterverbreitungshandlung durch das Drücken des Like-Buttons stattgefunden hatte. Weniger differenziert als das Bundesgericht hatte es angenommen, der ursprünglich anvisierte Empfängerkreis sei erheblich erweitert worden, indem die ehrverletzenden Nachrichteninhalte durch das Liken an einen Personenkreis gelangt seien, die nicht dem Abonnentenkreis des Ursprungsautors angehört hätten. Der Beschuldigte hatte dies vor Bundesgericht aber nicht angefochten, weshalb es diese Feststellungen als verbindlich zu übernehmen hatte. Der Beschuldigte erfüllte demzufolge gemäss Bundesgericht beide Tatbestandsvarianten des Art. 173 StGB, da er neben dem Liken solcher Aussagen, auch selbst via E-Mail und Kommentaren auf Facebook entsprechende Aussagen gemacht hatte.
Die Sache gelangte dennoch zurück an das OGer ZH, weil es den Beschuldigten nicht zum Wahrheitsbeweis zugelassen hatte. Sympathie gegenüber dem Nationalsozialismus oder eine antisemitische Haltung seien ohne Weiteres dem Wahrheitsbeweis zugänglich, so das Bundesgericht. Es sei in diesem Zusammenhang auch unerheblich, dass der Beschuldigte die entsprechenden Aussagen in eine wütende Form gepackt habe.
Fazit und offene Fragen zum Liken ehrverletzender Aussagen
Nach diesem Leiturteil des Bundesgerichts kann somit im Liken oder Teilen eines Beitrags mit ehrverletzender Aussage selbst grundsätzlich keine eigene ehrverletzende Aussage gesehen werden. Der Fokus liegt somit auf der Frage, ob ein strafbares Weiterverbreiten vorliegt. Dies ist gemäss Bundesgericht der Fall, wenn die ehrverletzende Aussage für eine Drittperson sichtbar gemacht und von dieser wahrgenommen wird. Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht in jedem Fall gegeben, vielmehr ist eine Einzelfallbeurteilung vorzunehmen. Die differenzierte Haltung des Bundesgerichts erscheint insofern zutreffend, als nicht jeder Klick auf den «Gefällt-mir-Button» bei einem ehrverletzenden Post dazu führt, dass eine andere Person den Post wahrnimmt. Da entsprechende Strafverfahren ohnehin erst nur auf Antrag einer betroffenen Person eröffnet werden können, dürfte eine Sichtbarmachung für und Wahrnehmung durch Dritte in der Regel ohnehin gegeben und dokumentiert sein. Fraglich ist aber noch, was unter Dritten zu verstehen ist und ob, was unter Umständen der Standpunkt des OGer ZH sein könnte, hierzu nur Personen zählen, die «nicht dem Abonnentenkreis des Ursprungsautors angehören». Unerheblich soll aber gemäss Bundesgericht jedenfalls sein, ob dem Dritten die Aussage bereits bekannt war.
Angemerkt sei auch, dass das Bundesgericht die Frage anschnitt, ob Facebook als Medium im Sinne von Art. 28 StGB zu qualifizieren sei. Dies hätte zur Folge, dass der Weiterverbreiter auf Facebook aufgrund des Medienprivilegs straflos bleiben würde (vgl. MLL-News vom 15.2.2016). Angesichts des Verfahrensausgangs liess das Bundesgericht die Frage aber unbeantwortet.
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