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Gastautor: Dr. Martin Schirmbacher, Partner bei HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin
Ein jetzt veröffentlichtes Urteil des Landgerichts Karlsruhe hält fest, was ausländische Händler schon lange wissen: Wer sich gezielt an deutsche Kunden richtet, muss sich an deutsches Wettbewerbsrecht halten und auch die Vorgaben des deutschen Verbraucherrechts einhalten. Tut er dies nicht, kann er vor deutschen Gerichten verklagt werden.
Krieg der Lego-Händler
Vor dem Landgericht Karlsruhe hatte ein deutscher Spielwarenhändler gegen einen holländischen Konkurrenten geklagt, weil dieser sich nicht an die Einzelheiten des deutschen Widerrufsrechts halte (Urteil vom 16.12.2011 (Az: 14 O 27/11 KfH III)).
Beide Händler handelten unter anderem auf der deutschen Plattform: „eBay.de“ mit „Lego“-Spielzeug. Der holländische Händler gab „Deutschland“ als Artikelstandort an, von dem er auch mehrfach wöchentlich in das In- und Ausland versende. Es waren auch konkrete Versandkosten nach Deutschland beziffert.
Zwar räumte der ausländische Händler seinen Kunden ein Widerrufsrecht ein und belehrte darüber auch in einer Widerrufsbelehrung. Diese entsprach jedoch nicht vollständig den deutschen Vorgaben, insbesondere sollte die Geltendmachung des Widerrufsrechts davon abhängig sein, dass der Verbraucher die Originalverpackung verwende.
Der Beklagte bestritt die Anwendbarkeit deutschen Rechts. Seine Argumente zielten darauf ab, dass er sich auf Basis der niederländischen eBay-AGB, einen Account auf „ebay.nl“ eingerichtet habe. Für ihn gelte somit nur die niederländischen Allgemeinen Geschäftsbedingungen und niederländisches Recht.
Deutsche Gerichte sind zuständig
Das LG Karlsruhe bejaht zunächst seine Zuständigkeit und beruft sich dabei zurecht auf Art. 5 Nr. 3 der Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Der Beklagte richtete sich mit sich mit dem Angebot seiner „eBay“ Präsenz ausdrücklich insbesondere auf Interessenten aus Deutschland. Der in deutscher Sprache verfassten Produktbeschreibung war zu entnehmen, dass sich der Artikelstandort sogar in der Bundesrepublik befand.
Deutsches Recht findet Anwendung
Aus den gleichen Gründen sei wegen Art. 6 Abs. 1 und 3 der Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II-VO“) deutsches Wettbewerbsrecht anzuwenden, weil der maßgebliche Marktort in Deutschland sei. Daran ändere auch das in der E-Commerce-Richtlinie verankerte Herkunftslandsprinzip nichts. Diene eine Regelung dem Verbraucherschutz, gelte stets das Recht des Ortes, auf das die Handlung des Gewerbetreibenden ausgerichtet ist.
Unzulässige Bestimmungen zum Widerrufsrecht
Nachdem Gerichtsstand und anwendbares Recht geklärt waren, war der Rest der Klage weitgehend Formsache. Es ist in Deutschland anerkannt, dass die Ausübung des Widerrufsrechts nicht davon abhängig gemacht werden darf, dass der Verbraucher zur Verpackung die Originalverpackung verwendet. Darum darf man zwar vorsichtig bitten, dem Verbraucher jedoch nicht die Berufung auf das Widerrufsrecht verwehren, wenn er sich daran nicht hält.
Auch die Beschränkung auf den Widerruf hinsichtlich von ‚intakten Sachen’ ist unzulässig. In Deutschland darf der Verbraucher den Widerruf auch dann erklären, wenn die Sache bei der Benutzung kaputt gegangen ist. Ob in solchen Fällen Wertersatz zu leisten ist, ist eine Frage einer entsprechenden (weiteren) ordnungsgemäßen Belehrung. Auch hinsichtlich der weiteren Klauseln machten die Richter mit dem niederländischen Händler kurzen Prozess.
Fazit und Kommentar aus Schweizer Sicht
Das Urteil zeigt, dass mit zunehmender Bedeutung des Cross-Border-E-Commerce auch der Wille der Durchsetzung inländischen Rechts gegenüber Wettbewerbern aus dem Ausland zunimmt. Die Rechtsgrundlagen dazu bestehen schon seit langem. Leider sind selbst innerhalb der EU noch viele Regeln im Konsumentenschutzbereich und Handel nicht harmonisiert. Im Unterschied zu anderen Bereichen (bspw. Produktregulierung) reicht es hier auch nicht, im Heimatland alle Vorschriften einzuhalten, um auch im europäischen Ausland rechtmässig verkaufen zu können (sog. Herkunftslandprinzip). Im Ergebnis bleibt vorerst nur, Schweizer Cross-Border-Händler auf die umfangreichen Regelungen in Deutschland hinzuweisen. Wer sich jedenfalls auch auf deutsche Kunden ausrichtet, muss auch deutsches Recht beachten. Bleibt noch anzumerken, dass dies selbstverständlich auch im umgekehrten Sinne und im Schweizer Recht so Geltung hat – wer Schweizer Kunden gezielt anspricht, muss Schweizer Recht beachten.
Zuverlässig verhindern kann eine solche Ausrichtung auf deutsche Kunden nur, wer Lieferungen nach Deutschland gänzlich ausschließt. Wer Bestellungen aus Deutschland nicht ignorieren möchte, sollte jede gezielte Bewerbung deutschen Publikums und auch sonstige Indizien einer Ausrichtung auf Deutschland (Preisauszeichnung, Versandkostenangabe, Sprache, internationale Telefonnummern) vermeiden.
Das Urteil betrifft einen typischen Fall des grenzüberschreitenden Online-Handels und zeigt, wie schnell Händler im Ausland rechtliche Probleme bekommen können. Genau mit diesem Thema beschäftigt sich eine Veranstaltung zum E-Commerce Cross Border, die wir gemeinsam mit HÄRTING Rechtsanwälte aus Berlin und mit Unterstützung durch den bvh, den vsv, Trusted Shops und die Schweizerische Post am 19.11.2012 in Hamburg durchführen. Die Einladung dazu finden Sie hier.
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann