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Das Landgericht München I hat im Juli entschieden, dass eine auf einem Ärztebewertungsportal zu Unrecht schlecht bewertete Ärztin keinen Anspruch auf Auskunft über den Urheber des negativen Kommentars hat. Somit bleibt nach deutschem Recht in solchen Fällen nur die Möglichkeit, die Identität im Rahmen eines Strafverfahrens zu erfahren. Für die Schweiz gilt grundsätzlich das Gleiche: Da auch in der Schweiz eine Rechtsgrundlage für einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Plattformbetreiber fehlt, kann die Identität des Autors nur im Rahmen eines Strafverfahrens ausfindig gemacht werden.
Was war passiert?
Ein anonymer User verfasste auf einer Ärztebewertungsplattform eine negative Bewertung über eine Kinderärztin. Darin wurde der Ärztin unter anderem vorgeworfen, auf Fragen der Patienten nicht zu antworten und fragwürdige Entscheidungen zu treffen. Die ausführliche Bewertung endete schliesslich mit dem Fazit, dass Eltern, die richtig informiert werden wollen und denen das Wohl ihres Kindes am Herzen liegt, bei dieser Ärztin „absolut falsch“ seien.
Unwahre Bewertung entfernt – Ärztin verlangt Auskunft über Identität des Urhebers
Da die in der Bewertung enthaltenen Tatsachenbehauptungen unzutreffend waren, anerkannte der Plattformbetreiber den Unterlassungsanspruch der Ärztin und entfernte die Bewertung wieder. Daraufhin verlangte die Ärztin vom Plattformbetreiber Auskunft über die Kontaktdaten des Autors, um auch gegen diesen einen Unterlassungsanspruch durchzusetzen. Im Verfahren vor dem Landgericht stellte sich deshalb in erster Linie die Frage, ob der Ärztin ein solcher Auskunftsanspruch zusteht.
Kein Anspruch auf Auskunft über Autor
Nach den einschlägigen deutschen Rechtsvorschriften dürfen Anbieter von Telekommunikationsdiensten die für deren Bereitstellung erhobenen Personendaten nicht zu anderen Zwecken nutzen, es sei denn, die Nutzer hätten eingewilligt oder es bestehe eine gesetzliche Grundlage (vgl. dazu den inhaltlich ähnlichen Artikel 43 des Schweizer Fernmeldegesetzes).
Da der Plattformbetreiber den Nutzern im vorliegenden Fall die Anonymität zugesichert hatte, konnte eine Einwilligung nicht vorliegen. Eine gesetzliche Grundlage bestand nach Ansicht des Landgerichts ebenfalls nicht, da der von der Ärztin angerufene Gesetzesartikel eine Auskunft lediglich für die Zwecke der Strafverfolgung, zur Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden und zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden, des Bundeskriminalamtes und des militärischen und zivilen Nachrichtendienstes vorsieht. Da keiner dieser Ausnahmezwecke gegeben war, verneinte das Landgericht einen Auskunftsanspruch. Auch aus anderen Gesetzesbestimmungen lasse sich kein solcher herleiten.
Das Landgericht wies die Ärztin deshalb darauf hin, dass sie sich staatsanwaltlicher Hilfe bedienen müsse, sofern sie sich durch die Bewertung verleumdet fühle. Die einzige Möglichkeit, die Identität des Nutzers herauszufinden, ist nach deutschem Recht folglich eine Strafanzeige einzureichen und dadurch die Einleitung eines Strafverfahrens zu erwirken, in dessen Rahmen die Staatsanwaltschaft die Identität des möglichen Straftäters abklärt.
Kommentar zum Schweizer Recht
Das Urteil des Landgerichts rechtfertigt einen kurzen Blick auf die Rechtslage in der Schweiz. Eine Rechtsgrundlage für einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Plattformbetreiber besteht auch nach schweizerischem Recht nicht. Ein privatrechtliches Vorgehen gegen den Urheber dürfte deshalb nur dann möglich sein, wenn vorgängig ein Strafverfahren durchgeführt und in diesem Rahmen die Identität des Urhebers einer persönlichkeitsverletzenden Äusserung festgestellt wurde. Um die Fernmeldediensteanbieter zur Herausgabe der relevanten Informationen zwingen zu können, muss die Staatsanwaltschaft allerdings einen dringenden Tatverdacht auf ein Verbrechen oder Vergehen nachweisen (vgl. dazu Art. 273 StPO). In einem Fall wie dem geschilderten kämen auf den ersten Blick wohl am ehesten die Vergehen üble Nachrede (Art. 173 StGB), Verleumdung (Art. 174 StGB) oder Beschimpfung (Art. 177 StGB) in Betracht (vgl. dazu auch BR-News vom 13.05.2011). Aufbauend auf die Ergebnisse eines Strafverfahrens wäre schliesslich auch ein privatrechtliches Vorgehen gegen den Täter möglich. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung sind strafrechtliche Ehrverletzungen in der Regel auch ohne weiteres als Persönlichkeitsverletzungen im zivilrechtlichen Sinn anzusehen.
Ausserdem wäre in einem Fall wie dem vorliegenden wohl auch ein Vorgehen gestützt auf das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) möglich, denn unlautere Wettbewerbshandlungen können nicht nur von Wettbewerbern, sondern auch von Aussenstehenden begangen werden. Für die Anwendbarkeit des UWG ist aber stets erforderlich, dass es sich um ein Verhalten handelt, das objektiv dazu geeignet ist, den Wettbewerb zu beeinflussen. Darunter fallen Handlungen, die den Erfolg von Unternehmen verbessern oder mindern sollen oder objektiv dazu geeignet sind. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Voraussetzung in einem Fall wie dem vorliegenden erfüllt wäre. Denn eine Negativbewertung auf einem allgemein zugänglichen Ärztebewertungsportal dürfte durchaus zur Wettbewerbsbeeinflussung geeignet sein. Beschimpft also eine Privatperson auf einer öffentlich zugänglichen Website ein Unternehmen oder eine Person und besteht ein Bezug zu dessen/deren wirtschaftlicher Tätigkeit, kann folglich auch das UWG zur Anwendung kommen, insbesondere dann, wenn sie Unternehmen, deren Produkte oder ihre Geschäftsverhältnisse durch unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen herabsetzt.
Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann