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In unserem Newsletter vom 2. Juli 2019 berichteten wir über das Urteil des Mietgerichtes Genf (2. Instanz), das die Verjährungsfrist für den Antrag auf gerichtliche Festsetzung des Anfangsmietzinses, der mit einer Klage auf Rückerstattung des zu viel bezahlten Mietzinses verbunden wurde, betraf (Urteil Nr. ACJC/1170/2018 vom 3. September 2018). Das Kantonsgericht hatte nämlich gestützt auf ein Urteil des Bundesgerichts aus dem Jahr 2014 (BGE 140 III 583) entschieden, dass die Verjährungsfrist von Art. 67 Abs. 1 OR, die auf sämtliche Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung anwendbar ist, ab Vertragsschluss zu laufen beginnt. Auf dieser Grundlage vertrat das Gericht die Auffassung, dass der Mieter angesichts des langen Zeitraums, der verstrichen war, kein Rechtschutzinteresse mehr daran hatte, rechtliche Schritte zur gerichtlichen Festsetzung des Mietzinses einzuleiten. Dieses Urteil war erfreulich, da dadurch das Risiko einer Klage auf gerichtliche Mietzinsfestsetzung auf zehn Jahre begrenzt wird, für den Fall, dass die offizielle Formel zur Bestimmung des Anfangsmietzinses im Sinne von Art. 269d Abs. 1 OR dem Mieter nicht mitgeteilt wurde. Wir hatten jedoch festgestellt, dass der Entscheid nicht vor Bundesgericht weitergezogen wurde.
Das Bundesgericht musste seither über dieselbe Frage in einem Waadtländer Fall entscheiden (Urteil 4A_495/2019 vom 28. Februar 2020, das zur Publikation vorgesehen ist).
Im fraglichen Fall wurde Ende 2003 ein Mietvertrag abgeschlossen, der am 1. Januar 2004 in Kraft trat. Der Mietvertrag wurde jedes Jahr erneuert, bis es im Jahr 2016 zur Kündigung durch den Mieter kam. Beim im Rahmen der Kündigung des Mietvertrages entfachten Streit zwischen den Parteien beantragte der Vermieter beim Gericht die Zahlung mehrerer Monatsmieten. Der Mieter erhob seinerseits Klage auf Festsetzung des Anfangsmietzinses und Rückforderung der überbezahlten Beträge mit der Begründung, dass er erst 2016, als der Streit entfachte, von der Nichtigkeit des Anfangsmietzinses Kenntnis erhalten habe. Die Waadtländer Gerichte entsprachen der Klage des Mieters.
Das Bundesgericht stellte im genannten Urteil eingangs fest, dass die in der juristischen Literatur zu BGE 140 III 683 geäusserte Kritik gerechtfertigt sei und dass der Mieter nach wie vor ein Interesse daran habe, eine Klage auf Festsetzung des Anfangsmietzinses während der Laufzeit des Mietvertrages zu erheben, unabhängig davon, ob der Anspruch auf Rückerstattung der überzahlten Beträge verjährt sei, es sei denn, die Klage sei rechtsmissbräuchlich. In Bezug auf die Verjährungsfrist lehnte das Bundesgericht schliesslich den vom Genfer Gericht vertretenen Ansatz ab, indem es feststellte, dass die Frist für jede Mietzinszahlung getrennt zu laufen beginne.
Aus diesem Urteil ergibt sich somit, dass ein Mieter, dessen Mietvertrag noch in Kraft ist, stets ein Interesse daran hat, eine Klage auf Festsetzung des Anfangsmietzinses zu erheben, und dass die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Rückerstattung aus ungerechtfertigter Bereicherung (welcher der Differenz zwischen dem tatsächlich bezahlten und dem vom Gericht neu festgesetzten Mietzins entspricht) für jede Mietzinszahlung separat zu laufen beginnt. Dies hat zur Folge, dass ein Mieter theoretisch neun Jahre und elf Monate nach Ablauf des Mietvertrages eine Klage auf Festsetzung des Mietzinses mit der Begründung erheben kann, dass er einen (nicht verjährten) Anspruch auf Rückzahlung der zu viel bezahlten Beträge hat. In diesem Fall würde der Vermieter einzig vorbringen können, der Mieter handle rechtsmissbräuchlich.
Auch hier sind wir der Meinung, dass eine solche Lösung – die aus rechtlicher Sicht zweckdienlich sein mag – dennoch erhebliche Rechtsunsicherheit für die Vermieter schafft. In der Tat scheint der Schutz vor Rechtsmissbrauch in einem solchen Fall sehr schwach zu sein, da es für die Geltendmachung solcher Ansprüche im Zusammenhang mit dem Mietvertrag ausreicht, wenn ein Mieter behauptet, er habe zuvor von seinem Rückforderungsanspruch nichts gewusst. Zu beachten ist auch, dass seit dem 1. Januar 2020 die relative Verjährungsfrist in Art. 67 Abs. 1 OR drei Jahre (statt wie bisher ein Jahr) beträgt. Dies bedeutet, dass der Mieter die Klage gegen den Vermieter noch länger hinauszögern kann.
Es sei zuletzt darauf hingewiesen, dass das vorstehend erwähnte Urteil den Vermietern einen Hoffnungsschimmer lässt, insofern als das Bundesgericht in Frage stellt, ob es heutzutage noch gerechtfertigt sei, dass zugunsten des Mieters vermutet wird, er habe keine Kenntnis betreffend den verbindlichen Charakter des offiziellen Formulars sowie die Folgen dessen Fehlens. Leider dürfte es, solange diese Vermutung besteht, für den Vermieter ebenso schwierig sein, einen Rechtsmissbrauch des Mieters nachzuweisen, wie zu zeigen, dass der Mieter von der Nichtigkeit des Anfangsmietzinses wusste.