Missbrauch des Datenschutzgesetzes zur Beschaffung von Beweismitteln


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1. Einleitung

Datenschutz ist derzeit in aller Munde – sei es im Zusammenhang mit den umstrittenen Aufnahmen von Google («Google Street View»), sei es im Zusammenhang mit polizeilichen und anderen behördlichen Datensammlungen. Obwohl die Datenschutzgesetze zweifelsohne einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Persönlichkeit und der Privatsphäre leisten, bergen sie auch die Gefahr von Missbräuchen. So sehen wir in unserer Praxis in letzter Zeit vermehrt Fälle, in welchen die Rechtsbehelfe des Datenschutzgesetzes für die Beschaffung von Beweismitteln für gerichtliche Verfahren benutzt werden sollen.

2. Geltung des Datenschutzgesetzes für Unternehmen

Das eidgenössische Datenschutzgesetz (DSG) bezweckt den Schutz der Persönlichkeit und der Grundrechte von Personen, über die Daten bearbeitet werden. Es gilt unter anderem für das Bearbeiten von Personendaten durch private Personen, z.B. durch Gesellschaften oder Unternehmen. Die Begriffe sind bewusst weit gefasst: «Daten» sind alle Angaben, die sich auf eine bestimmte Person beziehen. Unter «Datenbearbeitung» wird jeder Umgang mit Personendaten verstanden, unabhängig von den angewandten Mitteln und Verfahren, beispielsweise das Beschaffen, Aufbewahren, Verwenden, Umarbeiten, Bekanntgeben, Archivieren oder Vernichten von Daten. Eine «Datensammlung» ist jeder Bestand von Personendaten, der so aufgebaut ist, dass die Daten nach betroffenen Personen erschliessbar sind.

Es ist offensichtlich, dass im Zeitalter der elektronischen Datenverwaltung die Datenbanken, welche bei Unternehmen tagtäglich zur Verwaltung der Kundenbeziehungen eingesetzt werden, ohne weiteres als Datensammlung zu qualifizieren sein dürften. Auch traditionell geführte «Kundendossiers» in Registerschränken fallen offenkundig darunter. Wer solche Datenbanken oder Kundendossiers einsetzt, ist demnach grundsätzlich dem DSG unterworfen.

3. Pflichten bei der Bearbeitung von Daten

Das DSG stellt zahlreiche Grundsätze für die Bearbeitung von Daten auf. So dürfen Personendaten nur rechtmässig bearbeitet werden. Ihre Bearbeitung hat nach Treu und Glauben zu erfolgen und muss verhältnismässig sein. Personendaten dürfen im Weiteren nur zu dem Zweck bearbeitet werden, der bei der Beschaffung angegeben wurde. Die Beschaffung von Personendaten und insbesondere der Zweck ihrer Bearbeitung müssen für die betroffene Person erkennbar sein. Wer Personendaten bearbeitet, hat sich über deren Richtigkeit zu vergewissern. Schliesslich müssen Personendaten durch angemessene technische und organisatorische Massnahmen gegen unbefugtes Bearbeiten geschützt werden.

4. Ansprüche von betroffenen Personen

Doch welche Rechte haben die Personen, über welche Daten gesammelt werden? Stellt sich heraus, dass eine Datensammlung falsche Daten enthält, kann die betroffene Person diese unter anderem berichtigen oder einen Bestreitungsvermerk anbringen lassen.

Damit eine betroffene Person überhaupt prüfen kann, ob über sie Daten gesammelt werden, und falls ja, ob diese Daten richtig sind, sieht das DSG unter anderem vor, dass jede Person vom Inhaber einer Datensammlung Auskunft darüber verlangen kann, ob Daten über sie bearbeitet werden. Die Auskunft ist in der Regel schriftlich, in Form eines Ausdrucks oder einer Fotokopie sowie kostenlos zu erteilen.

5. Gefahr des Missbrauchs und Empfehlungen

Dieser Auskunftsanspruch – welcher im Grundsatz notwendig und richtig ist – kann allerdings auch für sachfremde Zwecke missbraucht werden. Insbesondere dann, wenn sich eine rechtliche Auseinandersetzung abzeichnet oder wenn bereits ein gerichtliches Verfahren eingeleitet wurde, wird gelegentlich versucht, mit Hilfe des Auskunftsanspruches nach DSG zusätzliche Beweismittel zu beschaffen. Beispielsweise wird dann eine Partei von der Gegenseite (womöglich unter Strafandrohung bei Nichtbefolgung) aufgefordert, innert einer bestimmten Frist Kopien des vollständigen Kundendossiers auszuhändigen. Muss in einer derartigen Situation einem Auskunftsbegehren nachgekommen werden?

Zwar hat der Gesetzgeber festgelegt, dass das DSG auf hängige Zivilprozesse nicht anwendbar sei. Obwohl die Bedeutung dieser Bestimmung in Einzelheiten umstritten ist, heisst dies unseres Erachtens, dass das DSG spätestens ab demjenigen Zeitpunkt, in welchem ein Verfahren eingeleitet wurde (d.h. mit Einreichung eines Schlichtungsgesuches oder einer Klage), zumindest zwischen den Prozessparteien nicht mehr anwendbar ist, und dass demnach kein Auskunftsrecht mehr besteht. Anderenfalls könnten die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Mitwirkungsrechte und -pflichten der Parteien erfolgreich umgangen werden. Zudem könnte sich eine Prozesspartei ausserhalb des gerichtlichen Verfahrens ein Bild über die Beweislage der Gegenpartei machen. Ein Auskunftsbegehren der Gegenpartei eines gerichtlichen Verfahrens, welches sich auf das DSG stützt, muss daher nicht erfüllt werden. Im Verhältnis zu den übrigen an einem Zivilprozess beteiligten Personen (z.B. Zeugen, Gutachtern) ist die Anwendbarkeit des DSG im Einzelfall näher zu prüfen.

Darüber hinaus kann die Auskunft bereits vor der formellen Einleitung eines Verfahrens verweigert, eingeschränkt oder aufgeschoben werden, wenn dies wegen überwiegender Interessen Dritter erforderlich ist (z.B. weil mit Erteilung der Auskunft Geheimnisse von Dritten preisgegeben oder Datenschutzrechte Dritter verletzt würden) oder soweit eigene überwiegende Interessen es erfordern und die Personendaten nicht an Dritte bekannt gegeben werden. Wird nicht vorbehaltlos Auskunft erteilt, ist der betroffenen Person anzugeben, aus welchem Grund die Auskunft verweigert, einschränkt oder aufgeschoben wird. Allenfalls ergibt sich auch aus den Umständen, dass das Auskunftsbegehren ausschliesslich im Hinblick auf ein bevorstehendes Verfahren gestellt wird. In diesem Fall könnte die Auskunft verweigert werden, weil die zweckwidrige Verwendung eines Rechtsbehelfs rechtsmissbräuchlich ist.

Aus Sicht eines Unternehmens ist somit ein Auskunftsbegehren im Einzelfall stets sorgfältig zu prüfen. Steht ein entsprechendes Begehren jedoch nicht im Zusammenhang mit einem drohenden oder schon hängigen Rechtsstreit, ist ihm aber, überwiegende und begründete Eigen- oder Drittinteressen vorbehalten, grundsätzlich stattzugeben. Allerdings ist in jedem Fall eine gewisse Vorsicht angebracht, zumal die Auskunftserteilung nicht mehr rückgängig gemacht werden kann und nach Bekanntgabe der Daten nicht mehr kontrolliert werden kann, wie diese verwendet werden.

Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Thema ist in der «Allgemeinen Juristischen Praxis», Ausgabe 8/2010, unter dem Titel «Das Auskunftsrecht nach DSG – eine unkonventionelle Art der Beschaffung von Beweismitteln?» erschienen.
Aufsatz DSG


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