MLLStart! FAQs: Fünf Fragen und Antworten zum Aktionärbindungsvertrag (ABV)


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ABVs sind ein weit verbreitetes Instrument zur Regelung und Koordination von Aktionärsinteressen. Auch unter Start-ups sind sie weit verbreitet. Viele Gründer stellen sich die Frage, wann der richtige Zeitpunkt ist, einen ABV abzuschliessen und welche Regelungen der ABV enthalten sollte. Dieses FAQ von MLLStart! gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Frage 1: Was ist ein ABV und weshalb sollte ich als Gründer mit meinen Mitaktionären einen ABV abschliessen?

Im Schweizer Aktienrecht haben Aktionäre nur eine Pflicht: die Aktien, die sie bei der Gründung oder einer Kapitalerhöhung gezeichnet haben, zu bezahlen (im Fachjargon spricht man von Liberierung). Weitergehende Pflichten bestehen nicht. Insbesondere bei Start-ups hat allerdings die Einbindung der Gründer in das Unternehmen oder die Koordination des Stimmverhaltens von Aktionären grosse Bedeutung. Wenn also weitergehende Pflichten zwischen den Aktionären vereinbart werden sollen die über die Liberierungspflicht hinausgehen, macht es Sinn, über einen ABV abzuschliessen.

Frage 2: Wann ist der richtige Zeitpunkt einen ABV abzuschliessen?

Soll ein ABV direkt bei der Gründung des eigenen Start-ups abgeschlossen werden? Oder erst bei der ersten Finanzierungsrunde? Zuerst einmal: es gibt keine Pflicht, ein ABV abzuschliessen. Der Abschluss eines ABVs macht aber sehr häufig bereits in einem frühen Stadium der Gesellschaft Sinn (z.B. bereits bei der Gründung), sofern es sich nicht um eine Ein-Mann/Frau AG handelt. ABVs in einem sehr frühen Unternehmensstadium sind in der Regel auf wenige Kernthemen beschränken (vgl. Frage 3). Mit zunehmender Reife des Start-ups und Professionalisierung der Kapitalgeber nimmt typischerweise auch die Reglungsdichte im ABV zu (vgl. Frage 4).

Frage 3: Was sind die Kernthemen in einem ABV unter Gründern?

Den Inhalt eines ABVs können die Parteien in den Schranken des zwingenden Rechts je nach Zielsetzung frei definieren. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit. ABVs von noch sehr jungen Gesellschaften enthalten typischerweise folgende Kernthemen:

Vorhand- und Vorkaufsrechte: ABVs sehen regelmässig vor, dass die Beteiligten ihre Aktien nur unter Einhaltung gewisser Modalitäten verkaufen dürfen. Ist ein Vorhandrecht vereinbart, muss ein verkaufswilliger Aktionär seine Aktien zuerst den übrigen Vertragsparteien zum Kauf anbieten, bevor er an Drittparteien herantritt. Erst wenn die anderen Vertragsparteien auf ihr Vorhandrecht verzichtet haben, dürfen die Aktien einem Dritten angeboten werden. Kommt dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten zustande, räumen manche ABVs den übrigen Parteien zusätzlich ein Vorkaufsrecht ein. Das Vorkaufsrecht bewirkt, dass die übrigen Aktionäre als Käufer in den Kaufvertrag eintreten und die Aktien zu den mit dem Dritten vereinbarten Bedingungen erwerben können.

Kaufrechte: Für den Fall, dass die Aktien ohne Zutun eines Aktionärs den Inhaber wechseln (z.B. im Todesfall oder bei der güterrechtlichen Auseinandersetzung im Scheidungsfall oder wenn die Aktien in der Schuldbetreibung gepfändet und öffentlich versteigert werden), kann ein Kaufrecht der anderen Aktionäre an den betroffenen Aktien vereinbart werden. Mit dem Kaufrecht kann den übrigen Parteien das Recht eingeräumt werden, die Aktien vom betroffenen Aktionär oder dessen Rechtsnachfolger zu einem vorgängig festgelegten Preis zu erwerben. Für die Preisfestlegung sollten die Parteien im ABV eine Bewertungsmethode definieren.

Stimmbindungen: Grundsätzlich kann alles Inhalt der Stimmbindung sein, worüber in der Generalversammlung abgestimmt wird (z.B. Wahl der von X vorgeschlagenen Person in den Verwaltungsrat; kein Dividendenbeschluss während einer bestimmten Dauer, etc.).

Frage 4: Welche Regeln werden typischerweise von Venture Capital-Investoren gefordert?

Mit der zunehmenden Professionalisierung der Investoren verändert sich auch der Inhalt des ABVs. Venture Capital Investoren fordern häufig folgende Rechte:

Sitz im Verwaltungsrat / Observer: Der Investor kann sich vertraglich das Recht einräumen lassen, mit einem (oder mehreren) Vertretern im Verwaltungsrat vertreten zu sein. Durch den Einsitz im VR kann die Oberleitung der Gesellschaft direkt mitgestaltet werden. Beteiligt sich ein strategischer Investor, ist die Einsitznahme im VR auch für das Unternehmen häufig vorteilhaft: die VRs können das Unternehmen mit ihrem Netzwerk und Know-How unterstützen und nicht selten einen entscheidenden Schritt weiterbringen. Alternativ zu einem VR-Sitz kann auch ein Board Observer vereinbart werden. Der Observer wird zwar zu allen VR-Sitzungen eingeladen, hat aber keinerlei Stimmrechte.

Vetorechte: Der ABV kann festlegen, dass für bestimmte (genau definierte) Beschlüsse im Verwaltungsrat und der Generalversammlung verschärfte Anwesenheits- oder Beschlussquoren gelten. In diesem Fall müssen sich die Parteien einigen, für welche Beschlüsse die verschärften Quoren zur Anwendung kommen (sog. Important Board Matters und Important Shareholder Matters). Der Investor wird versuchen die Quoren so festzulegen, dass ihm bei den genannten Beschlüssen ein Vetorecht zukommt; mit anderen Worten kommt ein Beschluss nur dann zustande, wenn der Investor zustimmt. Die Beschlussquoren können weitgehend in den Statuten reflektiert werden. Damit wird die vertragliche Abmachung auch gesellschaftsrechtlich abgesichert (vgl. Frage 5). Die Abbildung in den Statuten erhöht allerdings die Komplexität (und die Kosten) der Implementierung.

Informationsrechte: Von Gesetzes wegen hat ein Aktionär nur sehr eingeschränkten Zugang zu (Finanz-) Informationen der Gesellschaft. Grundsätzlich ist das Informationsrecht darauf beschränkt, dass der Aktionär im Vorfeld der ordentlichen Generalversammlung Einsicht in den Geschäfts- und Revisionsbericht nehmen und anlässlich der Generalversammlung Auskunft verlangen kann. Das Recht, auch zwischen den Jahresabschlüssen regelmässig über den Geschäftsgang orientiert zu werden, ist deshalb häufig in ABVs anzutreffen. Dies zum Beispiel durch die Zustellung von viertel- oder halbjährlichen Finanzberichten oder gar monatlichen management accounts.

Dividenden und Liquidationspräferenz: Zur Absicherung ihres Investments lassen sich Investoren Vorrechte an Dividenden oder am Liquidationserlös (d.h. was nach einer Liquidation noch übrigbleibt) resp. am Verkaufserlös im Exit Fall zusichern. Hier bestehen viel Verhandlungs- und Gestaltungsraum, wobei sich gewisse Standards herausgebildet haben. Das präzise Ausformulieren dieser Präferenzen ist hier zentral.

Bezugsrechtspräferenz: Von Gesetzes wegen hat jeder Aktionär ein Bezugsrecht an neu ausgegebenen Aktien, das dem Verhältnis seiner bisherigen Beteiligung am Aktienkapital entspricht. Das Bezugsrecht besteht, sofern es von der Generalversammlung weder aufgehoben noch eingeschränkt wurde, was nur in engen Grenzen erlaubt ist. Mit einer Bezugsrechtspräferenz kann sich der Investor zusichern lassen, einen grösseren Anteil an den neu ausgegebenen Aktien zeichnen zu dürfen (oder gar ein Vorrecht an allen neuen Aktien). Die gesellschaftsrechtliche Absicherung der Dividenden-, Liquidations- und Bezugsrechtspräferenz in den Statuten ist möglich und wird von Investoren häufig gefordert. Bezugsrechtspräferenzen sind im Gegensatz zu Dividenden- und Liquidationspräferenzen in VC-Finanzierungsrunden seltener anzutreffen.

Verwässerungsschutz: Zum Schutz ihres Investments vor sog. «down-rounds» (d.h. Kapitalerhöhung zu einer geringeren pre-money Bewertung verglichen mit der post-money valuation der vorangegangenen Kapitalrunde) können sich die Investoren durch einen Ausgleichsmechanismus schützen lassen. Für die Ausgestaltung dieses wirtschaftlichen Verwässerungsschutzes besteht wiederum viel Verhandlungsraum zwischen investoren- resp. gründer-freundlichen Varianten.

Weitere häufig anzutreffende Bestimmungen: Verkaufssperren während einer gewissen Frist (sog. Lock-up Periode); Mitverkaufspflichten (sog. Drag-Along oder Co-Sale Obligation), Mitverkaufsrecht (sog. Tag-Along Right), Konkurrenz-und Abwerbeverbote, Nachschusspflichten, persönliche Leistungspflichten, und viele mehr.

Frage 5: Wo liegen die Grenzen des ABV und welche Sicherungsmassnahmen gibt es?

Der ABV wirkt als Vertrag nur zwischen den Parteien. Verletzt ein Aktionär den ABV, indem er beispielsweise gegen die Stimmrechtsvereinbarung verstösst, ist der Beschluss aus gesellschaftsrechtlicher Sicht trotzdem gültig, sofern die gesetzlichen und statutarischen Voraussetzungen eingehalten wurden. Der fehlbare Aktionär hat allerdings eine vertragliche Verpflichtung verletzt und wird gegenüber den anderen Aktionären allenfalls schadenersatzpflichtig (wobei der Schaden zu beweisen ist). Ebenso wäre ein Verkauf von Aktien zivilrechtlich gültig, auch wenn der Aktionär die im ABV festgelegten Verfügungsbeschränkungen verletzt (z.B. weil er die Aktien nicht vorgängig den restlichen Aktionären zum Kauf angeboten hat, obwohl im ABV ein Vorkaufsrecht vereinbart wurde). Folgende Sicherungsmassnahmen können getroffen werden:

Konventionalstrafe: Ein häufig eingesetztes Mittel um die Partien zur Vertragstreue zu ermahnen ist die Konventionalstrafe. Konventionalstrafen haben den Vorteil, dass die anspruchsberechtigte Partei den aufgrund einer Vertragsverletzung entstandenen Schaden (zum Beispiel bei Missachtung einer Stimmbindungsklausel oder eines Konkurrenzverbots) weder beziffern noch beweisen muss. Gerichte können übermässig hohe Konventionalstrafen auf ein zulässiges Mass herabsetzen.

Aktien-Escrow: Schutz vor unzulässiger Aktienübertragungen bietet sodann die Hinterlegung von Aktienzertifikaten bei einem unabhängigen Dritten (Escrow Agent). Ein Aktienescrow ist allerdings mit Kosten verbunden (Ausarbeitung des Hinterlegungsvertrags, Verwahrung der Aktien), weshalb er bei Start-ups selten anzutreffen ist.

Spiegelung der Rechte gemäss ABV in den Stauten: Im Rahmen der Schaffung von Vorzugsaktien können gewisse Rechte in den Statuten gespiegelt werden. Dazu gehören die Vorrechte an Dividende und Liquidationserlös sowie die Bezugsrechtspräferenz. Ebenso lassen sich die erhöhten Anwesenheits- und Beschlussquoren in den Statuten verankern. Allerdings sind die statutarischen Gestaltungsmöglichkeiten begrenzt. Z.B. können persönliche Pflichten von Aktionären (z.B. Nachschusspflichten oder Konkurrenzverbote) nicht in den Statuten einer Aktiengesellschaft festgeschrieben werden.

Das MLLStart! Team berät dich gerne bei allen Fragen rund um den ABV. Wir freuen uns auf die Kontaktaufnahme!

Dieser Beitrag ist auch in Englisch verfügbar.

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