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Neue EU-Richtlinie ermöglicht europaweite Lizenzen für Online-Musikangebote


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Im Februar haben das EU-Parlament und der EU-Ministerrat eine neue Richtlinie verabschiedet, welche es Online-Anbietern vereinfachen soll, ihre Musik in mehr als einem EU-Mitgliedstaat zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zweck werden zahlreiche Vorgaben für Verwertungsgesellschaften und Rechte für Inhaber von Urheberrechten aufgestellt. Die Richtlinie führt zwar keinen Zwang zur Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Online-Musik-Rechte ein. Bietet die jeweilige Verwertungsgesellschaft eines Rechteinhabers jedoch selbst keine Mehrgebietslizenzen für Online-Musik-Rechte an und hat sie auch keine andere Verwertungsgesellschaft damit beauftragt, muss es dem Rechteinhaber gestattet sein, diese Rechte selbst weiter zu lizenzieren oder hierfür eine Verwertungsgesellschaft zu beauftragen, die solche Mehrgebietslizenzen vergibt. Ausserdem sollen strengere Regeln für die Verwertungsgesellschaften, unter anderem hinsichtlich Transparenz und Verwaltung der Einnahmen, sowie neue Wahlmöglichkeiten der Rechteinhaber für mehr Wettbewerb sorgen.

Bisherige Praxis: grundsätzlich nur nationale Lizenzen

Wer auf seiner weltweit abrufbaren Website urheberrechtlich geschützte Musik verwendet oder anbietet, muss hierfür nach aktueller Praxis der europäischen Kollektivverwertungsgesellschaften grundsätzlich von jeder nationalen Verwertungsgesellschaft eine Lizenz einholen. Die EU-Kommission entschied zwar im Jahr 2008, dass diese Praxis auf einer kartellrechtswidrigen Abrede zwischen Verwertungsgesellschaften basiert. Diese Entscheidung wurde jedoch im April 2013 vom Gericht der Europäischen Union teilweise wieder aufgehoben (vgl. MLL-News vom 06.05.2013). Letztlich hatte dieses Verfahren daher nicht die von der EU-Kommission angestrebte Wirkung auf die bisherige Lizenzvergabepraxis.

Grundsätzlich ist die Vergabe von Mehrgebietslizenzen bereits heute möglich, wie das Beispiel von CELAS für Werke des Major Labels EMI zeigt. Da viele Verwertungsgesellschaften aber keine solchen Lizenzen ausstellen oder die Verfahren zu langwierig sind, sind sie in der Praxis nur von untergeordneter Bedeutung.

Heute gilt daher der Grundsatz, dass Anbieter von Online-Musikplattformen wie beispielsweise iTunes oder Spotify die erforderlichen Lizenzen in jedem einzelnen Mitgliedstaat erwerben müssen. Sie sind dabei gezwungen, mit einer Vielzahl von Verwertungsgesellschaften zusammenzuarbeiten und Verträge abzuschliessen. Darüber hinaus verhindert diese Fragmentierung nach Ansicht des EU-Rats auch, dass Konsumenten von einem weitestmöglichen Zugang zu der umfangreichen Vielfalt an Musikrepertoires profitieren können.

Neue Richtlinie für Kollektivwahrnehmung

Ausgehend davon haben das EU-Parlament und der EU-Ministerrat vor kurzem eine neue Richtlinie (2014/26/EU) deutlich angenommen. Diese „Richtlinie über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für die Online-Nutzung von Rechten an Musikwerken im Binnenmarkt“ verfolgt zwei wesentliche Ziele:

  • Erstens soll es für Online-Anbieter von Musik schneller und einfacher möglich sein, europaweit Online-Rechte zu erwerben.
  • Zweitens sollen für die Verwertungsgesellschaften strengere Regeln und für die Urheber neue Wahlrechte gelten.

Im Übrigen bezweckten gewisse Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission auch, die kulturelle Vielfalt zu erhalten bzw. zu fördern.

Keine Vorgabe einer bestimmten Marktordnung oder einer einzigen Anlaufstelle für Mehrgebietslizenzen

Zur Erreichung des ersten Ziels wäre es denkbar gewesen, eine einzige Anlaufstelle für die Vergabe von EU-weiten Online-Musik-Lizenzen zu schaffen. Dies hätte jedoch vorausgesetzt, dass die nationalen Verwertungsgesellschaften ihre Repertoires, d.h. die Musikwerke zu deren Verwaltung sie beauftragt wurden, für die Vergabe von Online-Lizenzen in einer zentralisierten Organisation zusammenlegen. Damit würde aber eine Organisation mit einem faktischen Monopol geschaffen und es bestünde nach Ansicht der EU-Kommission ein hohes Risiko, dass dies zu wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen führen würde.

Die Richtlinie schreibt daher keine bestimmte Marktordnung für die Vergabe von Online-Musik-Lizenzen vor und zwingt die Verwertungsgesellschaften auch nicht, Mehrgebietslizenzen oder gar EU-weite Lizenzen zu vergeben. Vielmehr werden verschiedene Regelungen getroffen, welche letztlich die Vergabe von Mehrgebietslizenzen ermöglichen und fördern soll.

Qualitäts-Standards für die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Online-Musik-Rechte

Hierzu gehören zunächst Qualitäts-Vorgaben, die eine Verwertungsgesellschaft, die Mehrgebietslizenzen für Online-Rechte an Musikwerken vergibt, zu erfüllen hat. Sie muss beispielsweise in der Lage sein,

  • Online-Anbietern für jedes einzelne Werk ihres Repertoires die Lizenzgebiete und die ihr übertragenen Rechte an diesen Werken aufzuzeigen,
  • die Nutzung der Werke zu überwachen ,
  • gegenüber Online-Anbietern elektronisch abzurechnen und unverzüglich Rechnung zu stellen sowie
  • die geschuldeten Beträge korrekt und unverzüglich an die Rechteinhaber zu verteilen und diese über die Nutzung ihrer Werke zu informieren.

Die Erfüllung dieser Voraussetzungen erfordert von den Verwertungsgesellschaften einen relativ hohen Verwaltungsaufwand sowie entsprechende Investitionen für eine angemessene IT-Infrastruktur und ein funktionierendes Datenverarbeitungssystem. Daher ist davon auszugehen, dass sich nur eine beschränkte Zahl von Verwertungsgesellschaften für die Vergabe von Mehrgebietslizenzen entscheiden wird.

Mehrgebietslizenzvergabe durch Rechteinhaber selbst oder andere Verwertungsgesellschaft

Ausgehend davon werden in der Richtlinie namentlich zwei Regelungen festgelegt, die dazu führen sollen, dass auch Mehrgebietslizenzen für das Repertoire einer Verwertungsgesellschaft erhältlich sind, die die Qualitäts-Standards nicht erfüllt oder nicht erfüllen will:

  • Erstens wird den Verwertungsgesellschaften das Recht eingeräumt, die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Online-Musik-Rechte an ihrem Repertoire auf eine andere Verwertungsgesellschaft zu übertragen, welche die Qualitäts-Standards erfüllt und entsprechende Lizenzen für das eigene Repertoire vergibt. So könnte beispielsweise die kleinere Österreichische Verwertungsgesellschaft AKM eine entsprechende Vereinbarung mit der grösseren deutschen GEMA, welche die Standards eher erfüllen dürfte, schliessen. Diese sog. Repräsentationsvereinbarungen dürfen jedoch nicht exklusiver Natur sein, d.h. im genannten Beispiel darf es der AKM nicht verboten werden, neben der GEMA auch Verwertungsgesellschaften in anderen Ländern zu beauftragen. Die GEMA dürfte im Beispielfall ferner den Abschluss einer solchen Vereinbarung grundsätzlich auch nicht verweigern und müsste die übertragenen Rechte ferner diskriminierungsfrei und zu denselben Bedingungen wahrnehmen wie diejenigen an ihrem eigenen Repertoire.
  • Zweitens wird den Rechteninhabern das Recht eingeräumt, Mehrgebietslizenzen für die Online-Rechte an ihren Musikwerken nötigenfalls selbst zu vergeben oder eine andere Verwertungsgesellschaft mit der Vergabe zu beauftragen, wenn ihre Verwertungsgesellschaft bis 36 Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie selbst keine Mehrgebietslizenzen anbietet und auch keine andere Gesellschaft mit der Vergabe beauftragt hat. Die Rechteinhaber können mit anderen Worten ihrer aktuellen Verwertungsgesellschaft ihre Rechte in dem für die Vergabe von Mehrgebietslizenzen erforderlichen Umfang entziehen, ohne dieser auch weitere Rechte entziehen zu müssen.

Durch diese Regelungen soll nach Ansicht der EU-Kommission sichergestellt sein, dass kein nationales Musikrepertoire in einem Gebiet eingesperrt und von der gebietsübergreifenden Lizenzierung ausgeschlossen bleibt. Insofern verspricht sich die EU-Kommission von der Richtlinie auch positive Auswirkungen auf die kulturelle Vielfalt.

Mehr Wahlmöglichkeiten für Rechteinhaber

In der Richtlinie werden die Wahlmöglichkeiten der Rechteinhaber nicht nur in Bezug auf die Mehrgebietslizenzen für Online-Musik-Rechte, sondern allgemein verstärkt, d.h. auch für Inhaber von Urheberrechten an anderen Werken als Musikwerken (Filme, Bücher etc.). Nach einer langjährigen Praxis der Verwertungsgesellschaften, welche als kartellrechtswidrig beurteilt wurde, konnten die Rechteinhaber jeweils nur Mitglied der Verwertungsgesellschaft im Land ihrer Staatsangehörigkeit werden. Neu wird allen Rechteinhabern ausdrücklich das Recht eingeräumt, ihre Verwertungsgesellschaft unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrer Niederlassung oder der Niederlassung der Verwertungsgesellschaft zu wählen. Ausserdem wird es ihnen in Zukunft möglich sein, nur gewisse Kategorien von Rechten oder Arten von Werken an die Verwertungsgesellschaften zu übertragen bzw. diesen wieder zu entziehen. Verwertungsgesellschaften dürfen Rechteinhaber grundsätzlich nur aus „objektiv nachvollziehbaren Gründen“ ablehnen. Voraussetzung für die Aufnahme als Mitglied bzw. die Wahrnehmung von Rechten ist aber jedenfalls, dass es sich um Rechte und Werke handelt, die in den Tätigkeitsbereich der Verwertungsgesellschaft fallen.

Vergabe von alternativen Lizenzen neu zulässig

Im Zusammenhang mit den verstärkten Wahlmöglichkeiten sieht die Richtlinie ausserdem vor, dass die Rechteinhaber selbstständig Lizenzen für nicht-kommerzielle Nutzungen (z.B. via Creative Commons) für bestimmte Arten von Werken ihrer Wahl erteilen dürfen, auch wenn sie ihre Rechte im Übrigen durch eine Verwertungsgesellschaft wahrnehmen lassen. Nach der Praxis verschiedener Verwertungsgesellschaften wie beispielsweise der schweizerischen SUISA oder der deutschen GEMA, war es den Mitgliedern nicht möglich, einzelne Werke oder Werkkategorien von der Rechtewahrnehmung durch die Gesellschaften auszuschliessen. Dies wäre jedoch beispielsweise für die eigenständige Vergabe von nicht-kommerziellen Creative-Commons-Lizenzen erforderlich. Aufgrund der Vorgaben der Richtlinie bzw. deren Umsetzung im nationalen Recht müssen die Verwertungsgesellschaften nun jedoch ihren Mitgliedern ermöglichen, gewisse Arten von Werken ihrer Wahl eigenständig zu nicht-kommerziellen Zwecken zu lizenzieren. Daran könnten zum Beispiel unbekannte Urheber interessiert sein, welche ihren Bekanntheitsgrad steigern und daher für eine möglichst einfache Weiterverbreitung ihrer Werke sorgen wollen.

Neue „Governance“- und Transparenzvorschriften für Verwertungsgesellschaften

Darüber hinaus enthält die Richtlinie auch zahlreiche Vorgaben für sämtliche Kollektivverwertungsgesellschaften der EU-Mitgliedstaaten, d.h. auch für Gesellschaften, die Rechte an Filmen oder literarischen Werken wahrnehmen. Grund dafür war gemäss EU-Kommission die Arbeitsweise einiger Verwertungsgesellschaften, welche zu Bedenken hinsichtlich der Organisation und Verwaltung geführt hätten. Es sei aber gerade im digitalen Umfeld bedeutend, dass die Verwertungsgesellschaften sowohl den Urheberrechteinhabern, als auch den Nutzern einen effizienten Service bieten können, namentlich bei der Erhebung und der Umverteilung der Einnahmen, der genauen Abrechnung sowie der Gewährung von Mehrgebietslizenzen.

Um dies sicherzustellen, werden den Verwertungsgesellschaften namentlich Mindestvorschriften für die Verwaltung, die Erhebung und Verwendung von Einnahmen sowie Transparenz- und Berichtspflichten auferlegt. Die Verwertungsgesellschaften sind gemäss den Vorgaben der Richtlinie ausserdem verpflichtet, die betroffenen Künstler rechtzeitig und angemessen für die Nutzung zu vergüten. Die den Rechteinhabern zustehenden Beträge sollen so schnell wie möglich, jedoch spätestens neun Monate nach Ende des Geschäftsjahres verteilt werden, in dem die sie eingenommen wurden.

Inkrafttreten der Richtlinie und Ausblick

Da nach dem EU-Parlament wie erwartet auch der EU-Ministerrat die Richtlinie am 20. Februar 2014 formell angenommen hat, steht dem Inkrafttreten – 20 Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt – nichts mehr im Weg. Die Mitgliedstaaten werden nach Inkrafttreten der Richtlinie zwei Jahre Zeit haben, deren Vorschriften in ihr eigenes Recht umzusetzen.

Da die Richtlinie bezüglich der Vergabe von Online-Rechten nur sehr allgemein gehaltene Vorgaben stellt und daher einen relativ grossen Spielraum für die nationalen Regelungen und die konkrete Umsetzung durch die Verwertungsgesellschaften belässt, kann derzeit nur schwer abgeschätzt werden, wie sich die Praxis entwickeln wird. Es bleibt deshalb abzuwarten, ob sich die Befürchtungen der Kritiker des neuen Systems bewahrheiten werden. Für die Anbieter von Online-Musik-Diensten ist der eingeschlagene Weg zwar selbstredend erfreulich. Befürchtet wird jedoch insbesondere, dass der neue Rechtsrahmen zu einer weiteren Stärkung der Position der grössten Verwertungsgesellschaften, die das populärste anglo-amerikanische Repertoire vertreten, führen wird; dies zum Nachteil von Repertoires in weniger verbreiteten bzw. weniger vermarktungsfähigen Sprachen sowie allgemein zum Nachteil der kulturellen Vielfalt, zu deren Förderung die EU-Kommission verpflichtet sei. Auf die weitere Entwicklung darf man folglich gespannt sein.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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