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Am 1. Januar 2019 ist die 2. Etappe der ordentlichen Revision des Heilmittelgesetzes (HMG) in Kraft getreten. In diesem Zusammenhang ist der Bundesrat auch der Forderung nach mehr Transparenz beim Zulassungsverfahren von Swissmedic für Arzneimittel nachgekommen. Neu werden nicht mehr nur gutheissende Zulassungs- und Widerrufsentscheide im Swissmedic Journal publiziert, sondern auch der Eingang, der Rückzug und die Abweisung eines Gesuchs um Zulassung. Der Umfang der von Swissmedic veröffentlichten Informationen über die zur Zulassung vorgelegten Arzneimittel und die Gesuchsteller wird dadurch massgeblich ausgeweitet und somit die Transparenz im Zulassungsverfahren erhöht. Die neue Regelung bietet unter anderem Patentinhabern die Möglichkeit, eventuelle Verletzungen ihrer Patente frühzeitig zu erkennen.
Änderung der Transparenz-Bestimmungen in der Arzneimittelverordnung
Eines der Ziele der zweiten Etappe der ordentlichen Revision des Heilmittelgesetzes war die Erhöhung der Transparenz des Arzneimittel-Zulassungsverfahrens vor Swissmedic. Bereits in der Botschaft hielt der Bundesrat fest, dass zur Erreichung dieses Ziels keine Änderung auf Gesetzesstufe erforderlich sei. Die offene Formulierung des Gesetzes erlaube, die Veröffentlichung von zusätzlichen Informationen im Rahmen des Zulassungsverfahrens in der Arzneimittelverordnung (VAM) vorzusehen (vgl. Art. 67 HMG). Die Umsetzung der parlamentarischen Forderung nach mehr Transparenz erfolgte daher insbesondere in Art. 68 VAM.
Mit diesen neuen Regelungen wird auch dem im Öffentlichkeitsgesetz verankerten Öffentlichkeitsprinzip Rechnung getragen. Gemäss diesem Prinzip soll die Transparenz über den Auftrag, die Organisation und die Tätigkeiten der Verwaltung im Allgemeinen gefördert werden. In diesem Sinne hat auch das Bundesgericht in einem aktuellen Urteil bestätigt, dass am Zulassungsverfahren für Arzneimittel nicht beteiligten Dritten gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz ein weitgehender Zugang zu Marktzulassungsunterlagen gewährt werden muss.
Neu: detaillierte Regelung der zu veröffentlichenden Informationen
Gemäss der neuen Regelung veröffentlicht Swissmedic auf der eigenen Website Informationen zu Zulassungen nicht nur zum Zeitpunkt gutheissender Zulassungs- oder Widerrufsentscheide, sondern bereits zum Zeitpunkt des Eingangs eines Zulassungsgesuchs und auch im Falle des Rückzugs eines solchen Gesuchs.
Die folgenden Gesuche sind von den neuen Transparenzbestimmungen erfasst: Gesuche um Neuzulassung, Gesuche um Erweiterung der Indikation (Hinzufügen einer neuen oder Änderung einer genehmigten therapeutischen Indikation) oder Gesuche um Erweiterung der Zulassung eines Arzneimittels (z.B. Änderung des Wirkstoffs, der Dosisstärke, des Applikationsweges oder der Darreichungsform).
Die zu veröffentlichenden Informationen unterscheiden sich je nach Gesuchsinhalt und Konstellation. Beim Eingang eines Zulassungsgesuchs publiziert Swissmedic zum Beispiel die folgenden Informationen:
- den Namen und die Adresse der Gesuchstellerin,
- Angaben über den Zeitpunkt der Einreichung des Gesuches,
- die Wirkstoffe des Arzneimittels
- das beantragte Anwendungsgebiet sowie
- bei Tierarzneimitteln die Zieltierarten.
Nicht veröffentlicht wird hingegen im Zusammenhang mit der Einreichung von Gesuchen oder dem Rückzug bzw. der Abweisung die Präparatebezeichnung. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Präparatebezeichnung zum Zeitpunkt der Gesuchseinreichung oftmals noch offen ist und im Falle der Abweisung oder des Rückzugs eines Gesuchs vom Gesuchsteller gegebenenfalls anderweitig verwendet wird.
Swissmedic veröffentlicht neu auch den SwissPAR
Zusätzlich zur oben beschriebenen Veröffentlichung von Informationen bereits im Zeitpunkt des Eingangs eines Zulassungsgesuchs sowie bei dessen Rückzug oder Ablehnung veröffentlicht Swissmedic für alle Humanarzneimittel mit neuer aktiver Substanz und für Transplantatprodukte neu einen zusammenfassenden Begutachtungsbericht (SwissPAR, Swiss Public Assessment Report)). Dies erfolgt nach dem Vorbild der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), welche zu neuen Wirkstoffen jeweils einen sog. Europäischen Öffentlichen Beurteilungsbericht (EPAR) veröffentlicht. Im Falle gutgeheissener oder abgewiesener Gesuche um Indikationserweiterung für ein Humanarzneimittel, für welche bereits ein SwissPAR veröffentlicht wurde, erfolgt die Veröffentlichung eines ergänzenden Berichts. (vgl. Art. 68 Abs. 1 lit. e VAM). Der Fokus des SwissPAR liegt auf der transparenten Darlegung des Nutzen-Risikoverhältnisses des betreffenden Humanarzneimittels. Die Veröffentlichung der SwissPAR trägt somit auch zur Transparenz der Evaluations- und Entscheidungslogik von Swissmedic bei. Die SwissPAR sind an nationale und internationale Behörden, Stakeholder der Industrie sowie an medizinische Fachpersonen gerichtet und werden innerhalb von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft des Zulassungsentscheids auf der Website vom Swissmedic publiziert.
Einschränkung der Veröffentlichung bei Geheimhaltungsinteressen
Die neue Veröffentlichungspraxis von Swissmedic trägt auch den Geheimhaltungsinteressen von Gesuchstellern bzw. Zulassungsinhabern Rechnung.
Sprechen schützenswerte Geheimhaltungsinteressen der Gesuchstellerin gegen die Veröffentlichung von Informationen nach Art. 68 Abs. 1 lit. a VAM, müssen solche Geheimhaltungsinteressen allerdings bereits mit der Gesuchseinreichung geltend gemacht werden. Die Publikationsfrist für die Informationen über neue Gesuche beträgt 60 Tage ab Eingang des Gesuchs. Diese 60-tägige Frist ermöglicht es der Gesuchstellerin, gegen eine allfällige Nichtberücksichtigung der von ihr bei Gesuchseinreichung geltend gemachten Geheimhaltungsinteressen durch Swissmedic ein Rechtsmittel zu ergreifen
Die Berücksichtigung von Geheimhaltungsinteressen der Zulassungsinhaber im Zusammenhang mit der Veröffentlichung des SwissPAR wird in der Arzneimittelverordnung nicht explizit geregelt. Der Wegleitung «SwissPAR» von Swissmedic lässt sich allerdings entnehmen, dass Zulassungsinhaber ihre Geheimhaltungsinteressen auch in Bezug auf die im SwissPAR veröffentlichten Informationen geltend machen können. Der Gesuchstellerin wird zunächst der sog. pEB (parteiöffentlicher Evaluationsbericht) zugestellt, welcher als Basis für die Ausarbeitung des SwissPAR dient. Die Gesuchstellerin wird dabei aufgefordert, in einem Antrag die geheimzuhaltenden Angaben zu benennen und die Gründe für deren Geheimhaltebedürftigkeit darzulegen. Solche Angaben aus der Dokumentation des Gesuchs werden, bei gegebenen Voraussetzungen, nicht in den SwissPAR einbezogen und somit nicht öffentlich zugänglich gemacht.
Zur Prüfung, ob Angaben der Geheimhaltung unterliegen, müssen gemäss Swissmedic vier Voraussetzungen gegeben sein: Unternehmensbezug, relative Unbekanntheit, Geheimhaltungswille sowie ein objektives Geheimhaltungsinteresse. Darüber hinaus muss die Information entweder einen Fabrikationsvorgang oder eine geschäftlich relevante Information betreffen; es muss mit anderen Worten entweder ein Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnis vorliegen. Da sich ein Geheimhaltungsinteresse nur auf einzelne Tatsachen beziehen kann, muss für jedes einzelne Geschäfts- und Fabrikationsgeheimnis nachgewiesen werden, dass die Voraussetzungen für die Geheimhaltung erfüllt sind.
Von der Veröffentlichung ausgeschlossen sind ferner Personendaten mit Ausnahme des Namens bzw. der Firma der Gesuchstellerin. Ausserdem können einzelne Elemente des SwissPAR (z.B. grafische Abbildungen), die aus der Zulassungsdokumentation stammen, urheberrechtlich geschützt sein. Solche Elemente muss die Gesuchstellerin ebenfalls explizit bezeichnen und hat zu begründen, weshalb eine Veröffentlichung nicht erfolgen darf.
Bedeutung für die Praxis
Patentinhabern ermöglicht die erweiterte Transparenzpflicht, Patentverletzungen durch neu zugelassene Produkte von Dritten frühzeitig zu erkennen. Dazu ist eine systematische und konsequente Überwachung des Swissmedic Journals notwendig. Aufgrund des Zulassungsprivilegs dürfte es allerdings in der Regel nicht möglich sein, unmittelbar patentrechtliche Schritte einzuleiten, da Handlungen zur Zulassung eines Arzneimittels gemäss einer expliziten Ausnahme im Patentgesetz keine Patentverletzung darstellen.
Die neue Regelung bringt neue Risiken für Geschäftsgeheimnisse von Gesuchstellern im Zulassungsverfahren. Die entsprechenden Risiken sind derzeit noch schwer abschätzbar. Entscheidend wird vor allem sein, wie die Behörden im Einzelfall die Abwägung zwischen dem Öffentlichkeitsprinzip und den Geheimhaltungsinteressen vornehmen werden. Die Behördenpraxis in der EU geht allerdings in Richtung grosszügigere Veröffentlichung.
Die Patent und Life Sciences Fachgruppe von MLL unterstützt interessierte Parteien, die Möglichkeiten der neuen Veröffentlichungspraxis zu nutzen oder Geheimhaltungsinteressen zu verteidigen. Für Fragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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