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Am 17. Juni 2011 hat die Bundesversammlung die Revision des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) beschlossen. Nach dem ungenutzten Ablauf der Referendumsfrist hat der Bundesrat das revidierte Gesetz auf den 1. April 2012 in Kraft gesetzt. Die besonders umstrittene Bestimmung über die Verwendung von missbräuchlichen allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) tritt erst am 1. Juli 2012 in Kraft.
Zielsetzung der Gesetzesänderung ist eine effizientere Bekämpfung von Phänomenen wie dem Adressbuchschwindel, Schneeballsystemen, missbräuchlichen AGB, unhaltbaren Gewinnversprechen und unerbetenen Telefonanrufen und damit der Schutz des Konsumenten. Zudem soll die Preistransparenz verbessert werden. Zu diesem Zweck wird der Beispielkatalog von Art. 3 UWG um sechs weitere Tatbestände erweitert (Art. 3 Abs. 1 lit. p-u UWG).
Neu gibt es im UWG zwei Beispielstatbestände über den Adressbuchschwindel. So handelt nach neuem Gesetz unlauter, wer mittels Offertformularen, Korrekturangeboten für unrichtige Einträge oder ähnlichen Angeboten für Eintragungen in Verzeichnisse jeglicher Art oder für Anzeigenaufträge wirbt oder solche Eintragungen oder Anzeigenaufträge unmittelbar anbietet, ohne in grosser Schrift, an gut sichtbarer Stelle und in verständlicher Sprache Hinweise auf (i) die Entgeltlichkeit und den privaten Charakter des Angebots, (ii) die Laufzeit des Vertrags, (iii) den Gesamtpreis des Angebots (berechnet auf der Basis der Vertragsdauer), und (iv) die geografische Verbreitung, die Form, die Mindestauflage und den spätesten Zeitpunkt der Publikation zu machen (Art. 3 Abs. 1 lit. p UWG). Des Weiteren handelt unlauter, wer für Eintragungen in Verzeichnisse jeglicher Art oder für Anzeigenaufträge Rechnungen verschickt, ohne vorgängig einen entsprechenden Auftrag erhalten zu haben (Art. 3 Abs. 2 lit. q UWG).
Zudem sollen Schneeball-, Lawinen- oder Pyramidensysteme effektiver bekämpft werden. Im Unterschied zur alten Bestimmung ist der Tatbestand neu bereits erfüllt, wenn der Vorteil der angeworbenen Person hauptsächlich in der Anwerbung weiterer Personen besteht. Durch diese neue Formulierung soll erreicht werden, dass auch Betrugssysteme erfasst werden, bei denen ein Waren- oder Dienstleistungsbetrieb nur vorgeschoben wird. Gemäss Art. 3 Abs. 1 lit. r UWG handelt unlauter, wer jemanden die Lieferung von Waren, die Ausrichtung von Prämien oder andere Leistungen zu Bedingungen in Aussicht stellt, die für diesen hauptsächlich durch die Anwerbung weiterer Personen einen Vorteil bedeuten und weniger durch den Verkauf oder Verbrauch von Waren oder Leistungen. Solche Betrugssysteme zeichnen sich vor allem durch eine aggressive Umverteilung von Geldern von der Pyramidenbasis in Richtung Spitze der Pyramide aus, die häufig mit einem speziellen Waren- oder Dienstleistungsvertrieb gekoppelt und damit getarnt sind. Bei Schneeballsystemen steht einzig die Akquisition neuer Teilnehmer im Fokus, beim erlaubten Network-Marketing wird hingegen ein tatsächlich marktfähiges Produkt vertrieben. Zudem sind illegale Schneeballsysteme typischerweise so angelegt, dass sich die Zahl der Teilnehmer schnell und unkontrollierbar vergrössert.
Unlauter handelt neu auch, wer Waren, Werke oder Leistungen im elektronischen Geschäftsverkehr anbietet und es dabei unterlässt (i) klare und vollständige Angaben über seine Identität und seine Kontaktadresse, einschliesslich E-Mail Adresse, zu machen, (ii) auf die einzelnen technischen Schritte, die zu einem Vertragsabschluss führen, hinzuweisen (d.h. klare Strukturierung des Bestellungsablaufs), (iii) angemessene technische Mittel zur Verfügung zu stellen, mit denen Eingabefehler vor der Versendung der Bestellung erkannt und korrigiert werden können, und (iv) die Bestellung des Kunden unverzüglich auf elektronischem Wege zu bestätigen (vgl. Art. 3 Abs. 1 lit. s UWG). Zu beachten ist aber, dass diese Bestimmung keine Anwendung auf per Telefon abgeschlossene Verträge und auf Verträge, die ausschliesslich durch den Austausch von E-Mail oder durch vergleichbare individuelle Kommunikation geschlossen werden, findet (Art. 3 Abs. 2 UWG).
Wer im Rahmen eines Wettbewerbs oder einer Verlosung einen Gewinn verspricht, dessen Einlösung an die Inanspruchnahme einer kostenpflichtigen Mehrwertdienstnummer, die Leistung einer Aufwandentschädigung, den Kauf einer Ware oder Dienstleistung oder an die Teilnahme an einer Verkaufsveranstaltung, Werbefahrt oder einer weiteren Verlosung gebunden ist, handelt ebenfalls unlauter (Art. 3 Abs. 1 lit. t UWG).
Lässt ein Kunde im Telefonbuch im Sinne eines Opt out vermerken, dass er keine Werbemitteilung von Dritten erhalten möchte und dass seine Daten zu Zwecken der Direktwerbung nicht weitergegeben werden dürfen, muss dies beachtet werden (Art. 3 Abs. 1 lit. u). Somit sind in diesem Fall die sog. Cold Calls, bei denen Konsumenten zuhause mit Werbeanrufen belästigt werden, untersagt. Trotz dieser neuen UWG Bestimmung sind Cold Calls aus dem Ausland weiterhin problematisch, da das UWG keine extraterritoriale Wirkung hat. Somit kommt es auf die Grenzüberschreitende Kooperation der beteiligten Staaten an. Mit der Revision sollte gerade auch dieser Bereich gestärkt werden. Im Gesetz finden sich neu Rechtsgrundlagen für die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch der Bundesbehörden mit ausländischen Behörden und internationalen Organisationen (Art. 21 und 22 UWG). Dies entspricht nicht zuletzt der OECD-Leitlinie über den Schutz der Konsumenten gegen grenzüberschreitende betrügerische und täuschende Geschäftspraktiken, welche die Mitgliedstaaten auffordert für einen besseren Informationsaustausch und eine effizientere Zusammenarbeit notwendigen Rechtsgrundlagen zu schaffen.
Die Neuregelung bezüglich der AGB-Kontrolle (vgl. Art. 8 UWG) ist das Pièce de Résistance der Reform und war dementsprechend heftig umstritten. Gemäss aktuellem Recht können AGB nur dann unlauter sein, wenn sie in irreführender Weise zum Nachteil einer Vertragspartei vom dispositiven Gesetz erheblich abweichen oder eine unbillige Verteilung von Rechten und Pflichten vornehmen, was die Schlagkraft des alten Artikels deutlich relativiert hat. Neu ist jede den Grundsatz von Treu und Glauben verletzende Verwendung von AGB unlauter, wenn zum Nachteil von Konsumenten ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis zwischen den vertraglichen Rechten und Pflichten hergestellt wird. Die neue Vorschrift gilt im Verhältnis zwischen Konsumenten und Unternehmen, nicht aber zwischen Unternehmen. Dies bedeutet eine Einschränkung des Anwendungsbereichs der AGB-Norm, die durch den Bundesrat noch nicht vorgesehen war und erst durch das Parlament in dieser Hinsicht abgeändert wurde. Der Massstab der künftigen AGB-Kontrolle ist das erhebliche und ungerechtfertigte Missverhältnis zwischen vertraglichen Rechten und Pflichten, nicht aber die erhebliche Abweichung von der gesetzlichen Ordnung. So soll eine Inhaltskontrolle von AGB ohne Rücksicht auf konkrete Vertragsverhältnisse möglich werden, da eine Irreführung nicht mehr Voraussetzung ist. Es ist aber umstritten ob eine abstrakte Inhaltskontrolle durch die Gerichte wegen der Änderung von «irreführender Weise» zu «Treu und Glauben verletzende Weise» möglich ist. So sind Konsumentenschutzorganisationen gemäss Art. 10 Abs. 2 lit. b UWG berechtigt gegen Verstösse nach 9 Abs. 1 UWG zu klagen, sofern die Organisation von gesamtschweizerischer oder regionaler Bedeutung ist und sich statutengemäss dem Konsumentenschutz widmet. Auch Berufs- und Wirtschaftsverbände sind klagelegitimiert, wenn sie nach den Statuten zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder befugt sind. Es bleibt aber abzuwarten wie häufig diese Organisationen von diesem Recht Gebrauch machen werden. Unlautere AGB-Klauseln sind wegen ihrer Widerrechtlichkeit (Art. 2 UWG und Art. 20 OR) nichtig. Dies ergibt sich einerseits aus der herrschenden Lehre und andererseits aus der Botschaft des Bundesrates.
Neu kann auch der Bund, wenn er es zum Schutz des öffentlichen Interesses (namentlich wenn das Ansehen der Schweiz im Ausland bedroht oder verletzt ist und die in ihren wirtschaftlichen Interessen betroffenen Personen im Ausland ansässig sind; oder die Interessen mehrerer Personen oder einer Gruppe von Angehörigen einer Branche oder andere Kollektivinteressen bedroht oder verletzt sind) als nötig erachtet nach 9 Abs. 1 und 2 UWG klagen, wenn die Interessen mehrere Personen oder eine Gruppe von Angehörigen einer Branche oder andere Kollektivinteressen bedroht oder verletzt sind (vgl. Art. 10 Abs. 3 lit. b UWG). Damit können auch Opfer in der Schweiz, die durch Täter im Ausland beeinträchtig werden, Unterstützung durch den Bund erhalten. Dem Bund wird sodann das Recht eingeräumt, unter Nennung der Täter die Öffentlichkeit über unlautere Verhaltensweisen zu informieren.
Weil das UWG das intertemporale Recht nicht regelt, kommen subsidiär die Schlusstitel des ZGB (SchlT ZGB) zur Anwendung. Nach diesem Gesetz gilt das Prinzip der Nichtrückwirkung, es sei denn die neue Bestimmung wurde der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit wegen aufgestellt (Art. 2 SchlT ZGB). Der neue Art. 8 UWG fällt jedoch nicht unter diese Ausnahmeregelung. Deshalb unterliegen alle AGB die vor dem 1. Juli 2012 abgeschlossen wurden, nicht der neuen Inhaltskontrolle. Wenn jedoch einzelne Bestimmungen der AGB danach geändert oder ergänzt werden, unterstehen diese Änderungen bzw. Ergänzungen der Inhaltskontrolle.