IP Adressen P2P

Obergericht BE: privat in P2P-Netzwerken ermittelte IP-Adressen sind als Beweismittel nicht verwertbar


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Die durch private Firmen in Peer-to Peer-Netzwerken ermittelten IP-Adressen mutmasslicher Urheberrechtsverletzer gelten aufgrund der damit einhergehenden Verletzung des Datenschutzrechts als widerrechtlich erlangt und können in Gerichtsverfahren nicht als Beweismittel verwendet werden. Dies hat das Obergericht des Kantons Bern ausgehend vom Bundesgerichtsentscheid in Sachen Logistep in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden. Damit wird in der Schweiz die rechtliche Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen in Peer-to-Peer-Netzwerken erheblich erschwert.

Sachverhalt

Dem kürzlich veröffentlichten Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern (Akten-Nr. BK 11/9) lag die gleiche Ausgangslage zugrunde wie dem Bundesgerichtsurteil in Sachen Logistep (BGE 136 II 508). Eine Urheberrechtsinhaberin reichte Strafanzeige gegen Unbekannt ein, weil ihrer Ansicht nach in Peer-to-Peer-Netzwerken durch Uploads geschützter Werke ihre Rechte verletzt worden sind (vgl. unseren Beitrag zur entsprechenden Rechtslage). Der Anzeige konnte entnommen werden, dass die mutmasslichen Urheberrechtsverletzungen durch eine private Firma X im Auftrag der Rechtsinhaberin ermitteln wurden. Zur Identifikation der durch diese Ermittlungen gewonnenen 531 IP-Adressen wurde in der Anzeige beantragt, dass der Staatsanwalt baldmöglichst beim Internet-Anbieter ein entsprechendes Auskunftsgesuch stellt.

Entscheid des Obergerichts Bern: IP-Adressen widerrechtlich erlangt

In einem ersten Schritt erläuterte das Berner Obergericht das Urteil des Bundesgerichts in Sachen Logistep. Es wird festgehalten, dass beiden Verfahren die gleiche Ausgangslage zugrunde liege. Die Firma Logistep AG habe in verschiedenen Peer-to-Peer-Netzwerken nach angebotenen urheberrechtlich geschützten Werken gesucht und die so erhobenen Daten, u.a. die IP-Adressen, an die Urheberrechtsinhaber weitergegeben. Das Bundesgericht habe die IP-Adressen als Daten im Sinne des Datenschutzgesetzes qualifiziert und deren – durch Logistep durchgeführte – Ermittlung als widerrechtliche Datenbearbeitung erachtet (vgl. auch unseren Beitrag zum Fall Logistep). Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeute dies, dass die durch die Firma X im Auftrag der Rechtsinhaberin ermittelten IP-Adressen als widerrechtlich erlangt zu gelten haben.

Entscheid des Obergerichts Bern: Verwendung in Gerichtsverfahren unzulässig

Da in Strafverfahren die Verwendung von Beweismitteln, welche durch Private widerrechtlich erlangt wurden, nicht in jedem Fall ausgeschlossen ist, prüfte das Obergericht, ob eine Verwertung im vorliegenden Fall zulässig ist. Gemäss dem Obergericht wären die IP-Adressen unter zwei Voraussetzungen verwertbar: 1. wenn sie auch von den Strafverfolgungsbehörden rechtmässig hätten erlangt werden können; und 2. wenn eine Abwägung der betroffenen Interessen für eine Verwertung spricht.

Das Obergericht gelangte in der Folge zum Ergebnis, dass auch die Staatsanwaltschaft die IP-Adressen nicht hätte rechtmässig erlangen können. Denn für den Einsatz der für die IP-Adressen notwendigen Ermittlungsmethoden fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Neben den Bestimmungen der Strafprozessordnung über die verdeckte Ermittlung (Art. 286 ff. StPO) scheide auch die blosse Rechtfertigung im Sinne von Art. 13 DSG aus. Auch der Artikel 14 Abs. 4 des Bundesgesetzes über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) sei nicht anwendbar. Die darin vorgesehene Pflicht der Anbieter von Fernmeldediensten, Angaben zur Identifikation zu machen, gelte für den Fall, dass eine Straftat über das Internet begangen wird, und nicht zur Prüfung der Frage, ob Straftaten begangen werden (genau hierzu habe aber die von der Firma X verwendete Software gedient). Darüber hinaus fehle es auch an einem hinreichenden Tatverdacht. Der Einsatz der hier angewendeten Ermittlungsmethode käme – auch wenn sie von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben würde – einer verbotenen „fishing expedition“ gleich.

Abschliessend hielt das Obergericht fest, dass auch die zweite Voraussetzung für die Verwertbarkeit der IP-Adressen nicht erfüllt wäre. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Interesse des Staates an der Wahrheitsfindung das Interesse des Betroffenen an der Nichtverwertung der Beweise überwiege. Es handle sich im vorliegenden Fall nicht um eine schwere Straftat, sondern um ein als Antragsdelikt ausgestaltetes Vergehen im minimalsten Bereich (Geld- oder Freiheitsstrafe von max. 1 Jahr; vgl. Art. 67 URG). Dass das Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung von Urheberrechtsverletzungen nicht besonders gross sei, zeige der Umstand, dass diese Delikte als Antragsdelikt ausgestaltet worden sind; daran ändere auch ein hoher Schaden, welcher der Rechtsinhaberin unter Umständen zugefügt wurde, nichts.

Kommentar

Aufgrund des Bundesgerichtsurteils in Sachen Logistep ist es nicht überraschend, dass das Berner Obergericht die Verwertung der IP-Adressen zur Identifikation der mutmasslichen Urheberrechtsverletzer für unzulässig erklärt hat. Der Entscheid unterstreicht zwar, dass dem Datenschutz in der Schweiz im Unterschied zu anderen Rechtsordnungen in diesem Kontext ein ungleich höherer Stellenwert zukommt. Die Rechtsinhaber stellt er jedoch vor erhebliche Probleme. Sie müssen nun andere Wege finden, wie sie ihre Rechte im Online-Kontext und insbesondere in P2P-Netzwerken wirksam durchsetzen können. Denn auch wenn sich der vorliegende Entscheid grundsätzlich auf das Strafverfahren bezieht, dürften IP-Adressen, die wie hier durch Private beschafft worden sind, auch in einem davon unabhängigen Zivilprozess nicht ohne weiteres verwertbar sein (vgl. Art. 152 Abs.2 ZPO).

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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