Ihre Kontakte
Das Zürcher Obergericht hat in einer kürzlich publizierten Entscheidung die Verurteilung eines Beschuldigten bestätigt, der in Online-Shops unter falscher Identität Bestellungen vornahm. Der gleiche Beschuldigte wurde ferner auch verurteilt, weil er unter Verwendung einer fremden Identitätskarte und gefälschter Unterschrift Verträge über Mobilfunk-Abonnemente abschloss. Während darin nach Ansicht des Obergerichts ein «klassischer» Betrug zu sehen ist, erfüllte die Bestellung unter falscher Identität den Tatbestand des betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage. Neben der Bestrafung mit einer Geldstrafe wurde der Beschuldigte auch zur Bezahlung von Schadenersatz an die geschädigten Anbieter und Privatpersonen verpflichtet.
Anklage wegen mehrfachem Betrug, Urkundenfälschung und weiterer Delikte
Dem Beschuldigten wurde in der Anklage der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, in verschiedenen Shops in Zürich und Umgebung bei diversen Anbietern Mobiltelefon-Abonnementsverträge abgeschlossen bzw. elektronische Geräte bestellt zu haben, wobei er die ID einer anderen Person vorgelegt und deren Unterschrift gefälscht habe. Da der Beschuldigte nicht als Vertragspartner der Abonnementsverträge zur Zahlung der anfallenden Gebühren bzw. Kaufpreise habe verpflichtet werden können, habe er auch nicht direkt rechtlich dafür belangt werden können. Daher sei bei den Geschädigten ein Schaden von über CHF 15’000 entstanden.
Zudem wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, wiederholt bei einem Internetversandhaus diverse Waren bestellt zu haben, wobei er die Bestellungen unter Verwendung der Personalien des Geschädigten, unter Angabe eines eigens erstellten E-Mail Accounts im Namen des Geschädigten und unter Angabe seiner eigenen Wohnadresse als Liederadresse ausgelöst habe (S. 6). Da eine solche Bestellung retourniert worden sei, sei es in einem Fall bei einem Versuch geblieben. Bei den zugestellten Lieferungen sei ein Schaden von insgesamt über CHF 2’400 entstanden.
Mit Urteil vom 12. Februar 2020 hat das Bezirksgericht Zürich den Beschuldigten des mehrfachen Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs. 1 StGB, der mehrfachen Urkundenfälschung im Sinne von Art. 251 Ziff. 1 StGB, des mehrfachen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage im Sinne von Art. 147 StGB sowie des versuchten Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage im Sinne von Art. 147 StGB i.V.m. Art. 22 StGB für schuldig befunden. Der Beschuldigte hat in der Folge gegen das Urteil des Bezirksgerichts Zürich Berufung beim Zürcher Obergericht eingelegt und einen vollumfänglichen Freispruch verlangt.
Kontrolle der ID beim Abschluss von Mobilfunkabonnements
In einem ersten Schritt war somit zu beurteilen, ob die Verurteilung wegen Betrugs beim Abschluss von Mobilfunkabonnements rechtmässig war. Kern des Betrugs-Tatbestands bildet die arglistige Täuschung einer anderen Person, die dann letztlich zu einem Vermögensschaden führt. Eine solche arglistige Täuschung liegt jedoch nach der Rechtsprechung nicht vor, wenn sie durch ein Mindestmass an Aufmerksamkeit und Vorsicht vermieden werden kann. Die Täuschung darf somit nicht durch eine grobe Fahrlässigkeit des Opfers ermöglicht worden sein (sog. Opfermitverantwortung; vgl. dazu bereits im Kontext des E-Commerce MLL-News vom 6.11.2018).
Vor diesem Hintergrund brachte der Beschuldigte zu seiner Verteidigung vor, es sei nicht realistisch, dass die Verkäufer den Unterscheid zwischen ihm und dem Foto des Geschädigten auf der ID nicht erkannt haben sollen. Das Obergericht hatte sich folglich mit der Frage zu befassen, was bzw. welche Sorgfalt von Angestellten bei der Prüfung von Identitätskarten für einen Vertragsabschluss erwartet werden darf und muss.
In diesem Rahmen gelangte das Obergericht zu einer anderen Auffassung als die Verteidigung und wies deren Vorbringen zurück. So erfolge beim Vertragsschluss in der Regel kein eingehender Vergleich des Fotos, wie dies etwa bei einer Zollkontrolle der Fall sei. Vielmehr seien Verkäufer darum bemüht, den Formalien nachzukommen und eine Kopie der Identitätskarte zu den Akten zu legen, wobei wohl in erster Linie die schriftlichen Angaben auf der ID mit jenen auf dem Antragsformular überprüft würden. Auch unter dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung könne nicht gefordert werden, dass das Täuschungsopfer die grösstmögliche Sorgfalt walten lasse und alle erdenklichen Vorkehren treffe. Arglist scheide lediglich dann aus, wenn die grundlegendsten Vorsichtsmassnahmen nicht beachtet würden. Eine eingehende Prüfung und damit mehr als eine summarische Prüfung der ihnen vorgelegten Identitätskarten, könne von Händlern von Mobilfunkabonnementen jedoch nicht verlangt werden.
Durch das täuschende, arglistige Verhalten rief der Beschuldigte damit bei den Mobilfunkkommunikationsanbietern einen Irrtum über die Identität des Vertragspartners hervor. Da die Tat des Beschuldigten auch die weiteren Voraussetzungen erfüllte, bestätigte das Obergericht den Schuldspruch wegen Betrugs.
Online Bestellung unter falscher Identität
Auch hinsichtlich der erstinstanzlichen Verurteilung des Beschuldigten aufgrund betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage gemäss Art. 147 StGB wegen Bestellungen unter falscher Identität in Online-Shops, hatte die Verteidigung Berufung eingelegt. Doch auch hier folgte das Obergericht Zürich den Ansichten der Verteidigung nicht.
Dies betrifft zunächst das Vorbringen der Verteidigung, das Verhalten des Beschuldigten sei ohnehin nach dem Tatbestand des Betrugs nach Art. 146 StGB und nicht nach Art. 147 StGB zu beurteilen. Die Verteidigung begründete diesen Einwand damit, es sei – wenn überhaupt – keine Datenverarbeitungsanlage wie tatbestandsmässig gefordert, sondern ein Mitarbeiter der geschädigten Firma getäuscht worden. Deshalb wäre Art. 146 StGB anzuwenden. Hierzu hält das Obergericht lapidar fest, dass dies «rechtlich schlicht falsch» sei. Mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichts zu betrügerischen Handlungen im Kontext von Online Bestellungen wären jedoch gleichwohl Ausführungen zur Abgrenzung der beiden Tatbestände wünschenswert gewesen. Denn die Verhaltensweisen in den entsprechenden Urteilen wurden stets unter dem Tatbestand des Betrugs behandelt (vgl. BGE 142 IV 153, ausführlich zu diesem Urteil bereits MLL-News vom 6.11.18, und BGer 6B_584/2018).
Gemäss Obergericht war ferner nicht entscheidend, dass bei der Durchsuchung des E-Mail-Accounts der Adresse, die der Beschuldigte bei den Bestellungen angab, keine relevanten Unterlagen gefunden werden konnten. Der Beschuldigte hätte diese ohne weiteres löschen können. Dies gelte auch für die Tatsache, dass keine «Bestätigung der IP Adresse» des Beschuldigten erfolgt sei. Das Obergericht erachtete es vielmehr als genügend, dass die Bestellungen mit einer dem Geschädigten unbekannten Mailadresse getätigt wurden, die auch für die weiteren Delikte verwendet worden war und die Lieferungen an die Adresse des Beschuldigten erfolgten.
Fazit und Ausblick Revision StGB
Vor diesem Hintergrund wurden die Schuldsprüche vom Obergericht bestätigt und die Berufung des Beschuldigten entsprechend abgewiesen. Der Beschuldigte wurde daher neben einer Geldstrafe von 210 Tagessätzen zu Fr. 40.–. zur Zahlung von Schadenersatz in der Höhe des bestellten Warenwertes zzgl. Zins verurteilt.
Für die Betreiber von Online-Shops zeigt dieses Urteil einmal mehr die Möglichkeiten und Erfolgschancen für ein strafrechtliches Vorgehen gegen die doch nicht sehr seltenen betrügerischen Bestellungen. Sollte das Urteil an das Bundesgericht weitergezogen worden sein, wäre aus rechtlicher Sicht auf aufschlussreiche Erläuterungen hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Art. 146 und Art. 147 StGB zu hoffen. Diesbezüglich ist auch darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Revision des Datenschutzgesetzes sodann ein neuer Straftatbestand in das Strafbesetzbuch eingeführt wird. Mit dem neuen Art. 179novies StGB wird es den Tatbestand des Identitätsmissbrauchs geben. Damit soll der Missbrauch einer Identität als schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung eine strafbare Handlung für sich werden. Erfolgt der Identitätsmissbrauch jedoch als Teil einer betrügerischen Handlung mit dem Ziel, einen unrechtmässigen Vorteil zu erlangen, kann der Betrugstatbestand auch den (in der Regel vorgelagerten) Tatbestand des Identitätsmissbrauchs umfassen, womit dieser bereits mitbestraft ist. Es bleibt insofern abzuwarten, wie in ähnlich gelagerten Fällen zukünftig entschieden wird.
Weitere Informationen: