BGer Zürich negative bewertung Tripadvisor

Obergericht Zürich zur Lauterkeit von negativen Bewertungen auf Tripadvisor – gegenüber Gault-Millau-Restaurants stets zulässig?


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In einer aktuellen Entscheidung beurteilte das Obergericht des Kantons Zürich, ob das Verfassen einer negativen Kundenbewertung über ein Zürcher Gault-Millau-Restaurant auf «Tripadvisor» ein strafbares Verhalten darstellen kann. Konkret stellte sich die Frage, ob eine unlautere Herabsetzung im Sinne des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) vorliegt. Das Gericht verneinte dies mit der (erstaunlichen) Begründung, dass das Restaurant über einen ausgezeichneten Ruf verfüge und auf Tripadvisor von der Mehrheit der Nutzer mit «sehr gut» oder «ausgezeichnet» bewertet werde. Angesichts der Vielzahl von Bewertungen auf Tripadvisor und weiteren Plattformen sei eine einzelne Bewertung daher «im Raume der Stadt Zürich» nicht wettbewerbsrelevant. Aus ähnlichen Gründen fehlte es nach Ansicht des Obergerichts auch bei der Drohung mit der Veröffentlichung einer negativen Bewertung an einem sogenannten «ernstlichen Nachteil». Das Androhen einer negativen Bewertung für den Fall, dass die Kosten für das Essen nicht zurückerstattet werden, stelle deshalb auch keine Erpressung des betroffenen Gault-Millau-Restaurants dar.

Strafanzeige aufgrund negativer Bewertung auf Tripadvisor

Im vorliegenden Fall erstattete ein im gehobenen Gastrosegment etabliertes Restaurant Strafanzeige wegen Verstoss gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), versuchter Erpressung und übler Nachrede gegen einen ehemaligen Gast. Die Anzeige bezieht sich auf eine vom Gast nach dem Besuch des Restaurants an dieses gesendete E-Mail. Darin versuchte der Gast, sein Geld für die in Anspruch genommene Dienstleistung zurückzubekommen und drohte an, einen Bericht über seine negative Erfahrung im Restaurant auf Tripadvisor zu veröffentlichen. Die Anzeige umfasste ferner auch die darauffolgend tatsächlich publizierte negative Bewertung auf Tripadvisor.

Die Staatsanwaltschaft verzichtete aufgrund mangelnden Tatverdachts für strafrechtlich relevantes Verhalten auf eine Strafverfolgung. Das Restaurant erhob gegen die Nichtanhandnahme des Verfahrens sodann Beschwerde, die nun jedoch vom Obergericht des Kantons Zürich abgewiesen wurde.

Drohung mit negativer Bewertung bei Ausbleiben der Rückzahlung

Im Beschluss vom 18. Dezember 2018 (UE180205) prüfte das Obergericht zunächst die Strafbarkeit der per E-Mail geäusserten Drohung. Das Restaurant sah darin eine versuchte Erpressung (Art. 156 Ziff. 1 StGB). Eine Erpressung im Sinne von Art. 156 Ziff. 1 StGB liegt vor, wenn jemand durch die Androhung ernstlicher Nachteile einen anderen zu einem Verhalten bestimmt, dass zur Schädigung dessen oder eines anderen am Vermögen führt. Die «Ernstlichkeit» des angedrohten Nachteils beurteilt sich am Massstab einer durchschnittlichen, verständigen Person in der Lage des Betroffenen: Könnte der angedrohte Nachteil diese zur Vermögensleistung motivieren?

Im vorliegenden Fall vertritt das Zürcher Obergericht die Meinung, dass der ausgezeichnete Ruf eines seit langem bestehenden Restaurants, welches im bekannten Gastronomieführer Gault Millau aufgeführt wird, sich nicht durch eine einzelne negative Bewertung im Internet beeinflussen lasse. Ausserdem lasse sich eine verständige Person durch eine einzelne negative Bewertung auf einer solchen Plattform nicht zu einer Vermögensleistung bewegen. Dementsprechend würde die publizierte Bewertung nicht zu einer Schädigung des Geschäftes und damit auch zu keinem ernstlichen Nachteil für das betroffene Restaurant führen. Mangels Ernstlichkeit des angedrohten Nachteils liegt gemäss Obergericht also kein strafbares Verhalten vor.

Eine einzelne Bewertung von vielen ist nicht «wettbewerbsrelevant» im Sinne des UWG

Das Obergericht hatte sodann zu prüfen, ob die publizierte negative Bewertung auf Tripadvisor eine Widerhandlung gegen Art. 3 Abs. 1 lit. a UWG darstellt. Gemäss dieser Bestimmung handelt unlauter,

«wer andere, ihre Waren, Werke, Leistungen, deren Preise oder ihre Geschäftsverhältnisse durch unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende Äusserungen herabsetzt».

Erfasst werden Äusserungen jeglicher Art, unabhängig von der Form, in der sie erfolgen und der Person, die sie tätigt. Darüber hinaus verlangt das Obergericht, dass die Äusserung objektiv geeignet sein muss, den Wettbewerb zu verfälschen. Sodann müsse die Äusserung von Wettbewerbsteilnehmern, beispielsweise potentiellen Kunden, wahrgenommen werden können.

Im vorliegenden Fall verneinte das Obergericht die Unlauterkeit der negativen Bewertung. Die beanstandete Bewertung sei objektiv nicht geeignet, den Wettbewerb zu verfälschen. Unter Hinweis auf die Ausführungen zur Erpressung hält es fest, dass es eine Vielzahl von publizierten Bewertungen auf Tripadvisor sowie weiteren Online-Plattformen gebe. Eine einzelne negative Bewertung, wie die vorliegend beanstandete, sei «im Raume der Stadt Zürich» nicht wettbewerbsrelevant, d.h. nicht geeignet, den Wettbewerb zu beeinflussen.

Fazit und Anmerkungen

Das Obergericht gelangte somit zum Schluss, dass kein strafrechtlich relevantes Verhalten vorlag und die Staatsanwaltschaft das Verfahren zu Recht nicht anhand genommen hat. Die Beschwerde des Restaurants wurde folglich abgewiesen.

Das Verfahren und die Entscheidung des Obergerichts sind in verschiedener Hinsicht bemerkenswert. Interessant ist das Verfahren bereits deshalb, weil die Zulässigkeit von Kundenbewertungen in der Schweiz – anders als in Deutschland (vgl. dazu bspw. MLL-News vom 29.1.2014, MLL-News vom 24.10.2014 sowie MLL-News vom 8.3.2016) – bis anhin kaum je Gegenstand von publizierten gerichtlichen Entscheidungen war. Insofern ist umso bedauerlicher, dass die Entscheidung des Obergerichts nicht als «Präzedenzfall» betrachtet werden kann.

Zum einen wird der konkrete Inhalt des E-Mails mit der Androhung der Bewertung sowie der letztlich veröffentlichten Bewertung im Beschluss nicht wiedergegeben. Aus den einzelnen Hinweisen auf diese Inhalte könnte jedoch geschlossen werden, dass die Entscheidung zumindest im Ergebnis, wenn auch mit fragwürdiger Begründung, richtig sein könnte. Insbesondere soll die Beschuldigte «lediglich» in einem Teilsatz ausgeführt haben, dass sie an der Deklaration des ihr servierten Fisches «zweifle», wobei sie dabei konkreten Bezug auf die ihrer Meinung nach nicht vorhandene Qualität genommen habe. Sofern diese Darstellung der Bewertung korrekt ist, dürfte kaum von einer unnötigen Herabsetzung ausgegangen werden können. Zu Recht dürfte das Obergericht insofern auch das Vorliegen einer «üblen Nachrede» resp. einer Ehrverletzung verneint haben, da die Kritik den geschäftlichen Ruf des Unternehmens betraf, der strafrechtlich nicht geschützt ist (vgl. dazu z.B. MLL-News vom 13.5.2011).

Zum anderen ist die Begründung jedenfalls mit Blick auf die Unlauterkeit der Kundenbewertung fragwürdig. Das Obergericht misst dem Umstand, dass eine Vielzahl von Bewertungen über das betroffene Restaurant vorhanden waren und diese mehrheitlich positiv ausfielen, eine entscheidende Bedeutung zu. Bei der Prüfung der Erpressung bzw. «Ernstlichkeit» des angedrohten Nachteils mag dies zwar sachgerecht sein, nicht aber bei der Beurteilung der Lauterkeit. Denkt man diese Argumentation zu Ende, würde das bedeuten, dass bei Unternehmen mit gutem Ruf und ausgezeichneten Bewertungen sämtliche irreführenden, unrichtigen oder unnötig herabsetzenden Bewertungen stets unproblematisch wären. Es erscheint äusserst fragwürdig, losgelöst vom konkreten Inhalt einer negativen Bewertung, anzunehmen, dass diese bei insgesamt positiv bewerteten Unternehmen keinen negativen Einfluss auf den Wettbewerb haben soll. Eine negative Bewertung resp. ein negativer Erfahrungsbericht auf einer Bewertungsplattform kann auch bei diesen die Entscheidung von Konsumenten für oder gegen ein Restaurant beeinflussen und damit wettbewerbsrelevant sein. Dies gilt umso mehr «im Raume der Stadt Zürich», wo die Konkurrenz erfahrungsgemäss sehr gross ist.

Trotz Verneinung der Unzulässigkeit im konkreten Fall und der fragwürdigen Begründung des Obergerichts verdeutlicht das Verfahren zumindest, dass negative Kundenbewertungen nicht nur zivilrechtliche, sondern potentiell auch strafrechtliche Konsequenzen haben können. Unternehmen steht daher stets auch die Möglichkeit offen, ihre Interessen mittels Strafanzeige wahrzunehmen.

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