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Am 15. Juni 2018 hat der schweizerische Nationalrat die Revision des Aktienrechts fertig beraten. Ursprünglich wurde die Revision des Aktienrechts initiiert, um dieses an die Anforderungen des 21. Jahrhunderts anzupassen und die Initiative „Gegen die Abzockerei“ umzusetzen.
Im Laufe der parlamentarischen Arbeiten wurde das Revisionsvorhaben beträchtlich ausgeweitet. Einerseits wurden Aspekte der Unternehmens-Verantwortung (infolge der Eidgenössische Volksinitiative „Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt“, sog. Konzernverantwortungsinitiative“) sowie eine Frauenquote diskutiert.
Während eine mögliche Umsetzung von Aspekten der Unternehmensverantwortung der noch nicht zur Abstimmung gebrachten Konzernverantwortungsinitiative mittlerweile aus der Aktienrechtsrevision ausgegliedert wurden, sind Richtwerte für Geschlechter auf Stufe Verwaltungsrat und Geschäftsleitungen durch den Nationalrat beschlossen worden. Ob und inwieweit die durch den Nationalrat verabschiedete Version der Aktienrechtsrevision durch den Ständerat modifiziert wird und ob diese letztlich zum Gesetz wird, bleibt abzuwarten.
Auf Grund der stark politisch geprägten Diskussion weitestgehend übersehen wurde bislang, dass die Aktienrechtsrevision auch Auswirkungen für Stiftungen haben wird. Nachfolgend werden diese dargestellt.
1. Offenlegung von Vergütungen
Gemäss dem neu vorgesehenen Art. 84b E-ZGB muss das oberste Stiftungsorgan der Aufsichtsbehörde jährlich den Gesamtbetrag der ihm und der allfälligen Geschäftsleitung direkt oder indirekt ausgerichteten Vergütungen im Sinne von Art. 734a Abs. 2 E-OR gesondert bekannt geben.
Bislang war es im Rahmen der jährlichen Berichterstattung von Stiftungen an die Aufsichtsbehörde ausreichend, wenn dieser ein Tätigkeitsbericht, die Jahresrechnung – bestehend aus Bilanz, Betriebsrechnung und Anhang –, allenfalls der Bericht der Revisionsstelle, die Genehmigung der Rechenschaftsablage durch den Stiftungsrat sowie eine Aufstellung der Mitglieder des Stiftungsrates, sofern sich Änderungen zum Vorjahr ergeben haben, unterbreitet wurden (vgl. Oliver Arter/Roman Cincelli, Die Aufsicht über Stiftungen durch die Eidgenössische Stiftungsaufsicht – Grundlagen und Revisionsvorhaben, Jusletter 12. Juni 2017).
2. Welche Vergütungen sind offenzulegen?
Unter den Begriff der „direkt oder indirekt ausgerichteten Vergütungen“ an den Stiftungsrat fallen im Sinne von Art. 734a Abs. 2 E-OR folgende Vergütungen:
- Honorare, Sitzungsgelder, Löhne, Bonifikationen und Gutschriften;
- Tantiemen, Beteiligungen am Umsatz und andere Beteiligungen am Geschäftsergebnis;
- Dienst- und Sachleistungen;
- die Zuteilung von Beteiligungspapieren, Wandel- und Optionsrechten (allenfalls relevant bei Unternehmensstiftungen, vgl. dazu Oliver Arter, Gemeinnützige Stiftungen und Unternehmensnachfolge, Schroders Wealth Management, Juli 2016);
- Antrittsprämien;
- Bürgschaften, Garantieverpflichtungen, Pfandbestellungen und andere Sicherheiten;
- der Verzicht auf Forderungen;
- Aufwendungen, die Ansprüche auf Vorsorgeleistungen begründen oder erhöhen;
- sämtliche Leistungen für zusätzliche Arbeiten;
- Entschädigungen im Zusammenhang mit Konkurrenzverboten.
Auch wenn bereits heute Aufsichtsbehörden von sich aus teilweise die Offenlegung der Höhe der Bezüge des Stiftungsrates verlangt haben, bringt die neu vorgeschlagene Gesetzesbestimmung doch eine beträchtliche Ausweitung hinsichtlich des Umfanges der Vergütungen, über welche künftig voraussichtlich Auskunft zu erteilen ist.
In der Praxis dürfte die Auskunftspflicht insbesondere betreffend Leistungen für sog. zusätzliche Arbeiten von Stiftungsräten, beispielsweise auf Grund von Beratungs-, Vermarktungs-, Administrations-, Treuhand- oder Fundraisingmandaten, bedeutsam werden.
3. Welche Angaben sind zu den Vergütungen zu machen?
Nach der hier vertretenen Ansicht haben die Angaben zu den Vergütungen – im Sinne von Art. 734a Abs. 3 E-OR – insbesondere zu umfassen:
- den Gesamtbetrag für den Stiftungsrat und den auf jedes Mitglied entfallenden Betrag unter Nennung des Namens und der Funktion des betreffenden Mitglieds;
- den Gesamtbetrag für die Geschäftsleitung und den höchsten auf ein Mitglied entfallenden Betrag unter Nennung des Namens und der Funktion des betreffenden Mitglieds;
- den Gesamtbetrag für allfällige Beiräte oder andere Organe und den auf jedes Mitglied entfallenden Betrag unter Nennung des Namens und der Funktion des betreffenden Mitglieds.
Der Wortlaut von Art. 84b E-ZGB beschränkt sich allerdings auf die Verpflichtung, dass das oberste Stiftungsorgan der Aufsichtsbehörde jährlich lediglich den Gesamtbetrag der ihm und der allfälligen Geschäftsleitung direkt oder indirekt ausgerichteten Vergütungen im Sinne von Art. 734a Abs. 2 E-OR gesondert bekannt zu geben hat. Eine explizite gesetzliche Verweisung auf Art. 734a Abs. 3 E-OR, wonach diese Angaben auch den Gesamtbetrag für jedes einzelne Stiftungsratsmitglied zu umfassen hätten, fehlt. Ebenso fehlt eine explizite entsprechende Verweisung, dass der Höchstbetrag der Vergütung eines Geschäftsleitungsmitglieds oder Entschädigungen an allfällige Beiräte oder andere Stiftungsratsorgane (Wahlorgan, Kontrollorgan, sonstige Ausschüsse usw.) als den Stiftungsrat bekannt zu geben wären.
Es bleibt deshalb abzuwarten, wie die Aufsichtsbehörden die Auskunftspflichten hinsichtlich der Vergütungen einer Stiftung dereinst interpretieren werden.
4. Drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung
Neu gefasst werden soll Art. 84a ZGB. Der modifizierte Vorschlag von Art. 84a E-ZGB sieht folgendes vor:
- Bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung muss das oberste Stiftungsorgan umgehend die Aufsichtsbehörde benachrichtigen.
- Stellt die Revisionsstelle fest, dass die Stiftung zahlungsunfähig oder überschuldet ist, so benachrichtigt sie die Aufsichtsbehörde.
- Die Aufsichtsbehörde hält das oberste Stiftungsorgan zur Einleitung der erforderlichen Massnahmen an. Bleibt dieses untätig, so trifft die Aufsichtsbehörde die nötigen Massnahmen oder benachrichtigt das Gericht.
- Zur Ermittlung der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung sowie zur Aufwertung von Grundstücken und Beteiligungen sind die Bestimmungen des Aktienrechts entsprechend anwendbar.
Mit dem Verweis auf die aktienrechtlichen Bestimmungen über die Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung wird insbesondere eine Pflicht zur Erstellung eines Liquiditätsplans im Falle drohender Zahlungsunfähigkeit eingeführt. Diese Pflichten treffen im Stiftungsrecht das oberste Stiftungsorgan. Mit dem Verweis auf die aktienrechtlichen Bestimmungen einher geht auch die Pflicht aller involvierten Personen und Stellen, mit der gebotenen Eile zu handeln.