Liken ehrverletzender Post Like Button

OGer ZH: «Liken» ehrverletzender Posts ist strafrechtliches Weiterverbreiten und üble Nachrede


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Die Zahl der Ehrverletzungsdelikte hat seit dem Aufkommen von Social Media Plattformen drastisch zugenommen. Immer wieder gehen Posts, Videos oder andere Beiträge auf Social Media weiter als das, was das Recht erlaubt. Ein aktuelles Urteil des Obergerichts Zürich vom 17. August 2018 verdeutlicht, dass nicht nur das Posten von ehrverletzenden Äusserungen strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, sondern auch das «Liken» und Teilen solcher Posts von Dritten.

Streit unter Tierschützern

Hintergrund war ein Streit unter Schweizer Tierschützern, der 2015 seinen «Höhepunkt» erreichte. Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, Erwin Kessler mehrfach als Antisemiten bezeichnet und das Ansehen von dessen Verein gegen Tierfabriken (VgT) beschädigt zu haben.

Der Verein und Erwin Kessler hatten deshalb in der Folge Strafanzeige wegen übler Nachrede erstattet. Der Beschuldigte wurde in der Folge von der Einzelrichterin des Bezirksgerichts Zürich (BGZ) im Juni 2017 erstinstanzlich wegen übler Nachrede verurteilt (vgl. die Pressemitteilung des BGZ; GG160246). Gegen das Urteil meldete der Beschuldigte Berufung an.

«Liken» ist eine Weiterverbreitung und damit bei ehrverletzenden Inhalten strafbar

Der üblen Nachrede macht sich nach Art. 173 StGB strafbar,

  • wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt, oder
  • wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung weiterverbreitet.

Im vorliegenden Fall wurde dem Beschuldigten unter anderem vorgeworfen, einen Beitrag auf Facebook «gelikt» zu haben, welcher Erwin Kessler und dessen Verein auf Facebook als «Antisemiten» respektive «antisemitischen Verein», «Rassisten» und «Faschisten» bezeichnete.

In seinem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 17. August 2018 (SB170428) hält das Obergericht fest, dass es sich bei Facebook um eine Internet-Kommunikationsplattform handelt, mit welcher Nutzer Äusserungen oder Nachrichteninhalte innert kürzester Zeit veröffentlichen und verbreiten können und damit vielen Personen zugänglich machen. Indem der Beschuldigte auf den «Gefällt mir»- Button geklickt habe, bewirkte er gleichzeitig eine Kommentierung und Weiterverbreitung der ehrverletzenden Äusserungen. Durch das «Liken» seien folglich Inhalte nicht nur zu befreundeten Facebook-Profilen gelangt, sondern auch zu solchen Personen, die nicht zum Abonnentenkreis des Ursprungsautors gehören. Folglich habe der Beschuldigte die ehrverletzenden Beschuldigungen mit den etlichen „Gefällt-mir“- Markierungen im Sinne von Art. 173 StGB weiterverbreitet.

Wenn man sich vergegenwärtigt, dass für die Weiterverbreitung im Sinne von Art. 173 Ziff. 1 Abs. 2 StGB bereits die Mitteilung an eine einzige Person genügt, erstaunt die sehr ausführliche Abhandlung des Gerichts zur Frage der Öffentlichkeit. Von Gesetzes wegen ist dieses Kriterium nämlich schon dann erfüllt, wenn die entsprechende ehrverletzende Äusserung eines Dritten – auch nur an eine einzige Person – weitergegeben bzw. verbreitet wird. Anders als bei anderen Tatbeständen (vgl. dazu auch MLL-News vom 14.4.2014 sowie BGE 141 IV 215) oder Rechtsgebieten ist die Frage nach der Profileinstellung oder der Grösse des Freundeskreises für die Annahme einer üblen Nachrede somit nicht relevant.

Wie verhält es sich beim «Teilen»?

Ein weiterer Vorwurf richtete sich gegen das «Teilen» von ehrverletzenden Facebook-Posts Dritter durch den Beschuldigten. Einleitend führt das Obergericht dazu aus, dass das Weiterverbreiten rufschädigender Äusserungen, die von anderen aufgestellt wurden, auch dann strafbar sei, wenn dies in Form eines Zitats geschieht. Insofern ist nicht erforderlich, dass – wie beim Liken – auch eine Wertung oder Zustimmung zum Inhalt erfolgt.

Das Obergericht hielt weiter fest, dass durch die Aktivierung des Teilen-Buttons unter einem Beitrag gleichzeitig eine automatische Aufnahme in die eigene Chronik erfolge. Durch das Posten auf der eigenen Facebookseite wiederhole der Beschuldigte den darin enthaltenen ehrverletzenden Vorwurf gegenüber sämtlichen Nutzern, welche seine Facebookseite einsehen können. Wiederum hebt das Obergericht zusätzlich hervor, dass mit dem Teilen-Button der Empfängerkreis erheblich erweitert würde und somit der objektive Tatbestand des Weiterverbreitens im Sinne von Art. 173 Ziff. 1 Abs. 2 StGB erfüllt sei.

Interessant wäre an dieser Stelle gewesen, wie das Obergericht zur Argumentation des BGZ in einem früheren Urteil zum «Retweeten» stellt (vgl. MLL-News vom 15.2.2016). Damals gelangte das erstinstanzliche Gericht zum Schluss, dass «Twitter» als Medium im Sinne von Art. 28 StGB zu betrachten sei. Gestützt darauf gelangte es zum Schluss, dass nur der Autor des ehrverletzenden Tweets, aber nicht der «Retweeter» strafbar sei.

Misslingen des Entlastungsbeweises

Dem Beschuldigten gelang es ferner nicht, nachzuweisen, dass die ehrverletzenden Äusserungen wahr sind oder er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten (vgl. Art. 173 Ziff. 2 StGB). Er stützte sich bei seinem Gutglaubensbeweis darauf, Erwin Kessler sei vor Jahren wegen Verstosses gegen die Rassismus-Strafnorm verurteilt worden. Er konnte den Privatklägern aber kein aktuelles rassistisches, antisemtisches oder faschistisches Verhalten nachweisen.

Fazit

Das Zürcher Obergericht bestätigte folglich das Urteil der Vorinstanz und verurteilte den Beschuldigten wegen mehrfacher übler Nachrede zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu Fr. 30.- bei einer Probezeit von zwei Jahren. Ob das Urteil rechtskräftig ist oder ob der Beschuldigte dagegen Beschwerde vor Bundesgericht erhoben hat, ist nicht bekannt.

Das vorliegende Urteil veranschaulicht, wie die althergebrachten Ehrverletzungstatbestände von den Gerichten im Kontext von sozialen Medien angewendet werden. Es verdeutlicht, dass sich Nutzer bereits durch einen einfachen Klick auf den Like- oder Teilen-Button einer strafrechtlichen Verurteilung aussetzen können, sofern das Opfer einen Strafantrag stellt. Aus Sicht der Unternehmen bietet das Urteil sodann auch Gelegenheit darauf hinzuweisen, dass auch juristische Personen über eine strafrechtlich geschützte Ehre verfügen und sich somit auch mittels eines Strafantrags gegen die Weiterverbreitung von rufschädigenden Inhalten zur Wehr setzen können.

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