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Werbe-Mails sind aufgrund der neuen EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und deren Auswirkungen auf Schweizer Unternehmen in aller Munde. E-Mail-Marketing ist aber nicht nur ein datenschutzrechtliches Thema. Beim E-Mail-Marketing ist, zumindest in der Schweiz, primär auch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) zu beachten, namentlich Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG. Ein Verstoss gegen das UWG kann zu strafrechtlichen Sanktionen führen. Über strafrechtliche Sanktionen gegen den (ausländischen) Versender von Werbe-Mails hatte das Obergericht des Kantons Zürich in seinem Entscheid vom 6. März 2018 zu befinden.
Werbe-Mails an Anwaltskanzlei
Im Verlaufe des Frühjahrs 2017 sandte ein auf Immaterialgüterrecht spezialisiertes Anwaltsbüro aus Peru drei Werbe-Mails an einen ebenfalls auf Immaterialgüterrecht spezialisierten Zürcher Rechtsanwalt. Seine Kanzlei-Kollegin und Rechtsvertreterin im vorliegenden Verfahren erhielt diese E-Mails ebenfalls. Die E-Mails hatten zusammengefasst folgenden Inhalt:
- Hinweis auf die offiziellen Ferien und Fristen in Peru;
- Bekanntgabe des Eintritts neuer Rechtsanwälte in die Kanzlei;
- Erläuterungen zur Eintragung von Warenzeichen und Patenten in Peru.
Der Zürcher Rechtsanwalt erstattete daraufhin Strafanzeige und berief sich dabei auf den sog. Spam-Artikel (Art. 3 Abs.1 lit. o UWG). Die zuständige Staatsanwaltschaft in Zürich kam jedoch zum Schluss, dass kein Verstoss gegen das Spam-Verbot vorliege und nahm entsprechend die Strafuntersuchung nicht an die Hand. Gegen diese Verfügung erhob der Anzeigeerstatter Beschwerde beim Zürcher Obergericht. Dieses hatte somit zu beurteilen, ob die Zustellung der Werbe-Mails durch die peruanische Kanzlei gegen das Schweizer Spam-Verbot verstossen habe, resp. ob die Staatsanwaltschaft zu Recht auf eine Strafuntersuchung verzichtet hatte (vgl. Art. 310 Abs. 1 lit. a StPO).
Grundsatz: Zustimmung (Opt-In) zum Erhalt von Werbe-Mails
Gemäss «Schweizer Spam-Artikel» (Art. 3 Abs.1 lit. o UWG) handelt unlauter:
„wer Massenwerbung ohne direkten Zusammenhang mit einem angeforderten Inhalt fernmeldetechnisch sendet oder solche Sendungen veranlasst und es dabei unterlässt, vorher die Einwilligung der Kunden einzuholen, den korrekten Absender anzugeben oder auf eine problemlose und kostenlose Ablehnungsmöglichkeit hinzuweisen.»
In der Regel gelten Werbe-Mails, insbesondere Newsletter, als Massenwerbung und werden deshalb von diesem Tatbestand erfasst. Selbstredend ist der Versand eines Newsletters alleine aber noch nicht verboten. Unzulässig – und damit bei vorsätzlichem Handeln (vgl. Art. 23 UWG) strafbar – ist der Versand eines Newsletters, wenn eines der nachfolgenden Elemente fehlt:
- Gültige Einwilligung des Empfängers;
- Korrekter Absender;
- Hinweis auf (bestehende) problem- und kostenlose Ablehnungsmöglichkeit.
Das Gesetz statuiert somit im Grundsatz ein Opt-in-Prinzip. Ausnahmsweise kann der Versand von Werbe-Mails allerdings im Rahmen einer bereits bestehenden Kundenbeziehung (sog. Bestandeskunden-Privileg) auch ohne Einwilligung zulässig sein (vgl. zum Ganzen ausführlich den Aufsatz von Bühlmann/Schüepp im Praxis-Handbuch zum Datenschutzrecht).
Die Argumentation des Zürcher Obergerichts
In dem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 6. März 2018 (UE170371) geht das Obergericht (leider) nicht ausführlich auf die Frage ein, ob im vorliegenden Fall tatsächlich «Massenwerbung» versandt wurde. Dies könne offen gelassen werden, da eine Verletzung des UWG aus anderen Gründen zu verneinen sei.
Mit den sachlich gehaltenen Hinweisen auf die Gerichtsferien in Peru, auf den Eintritt von zwei Rechtsanwälten in das Anwaltsbüro und auf das Vorgehen beim Eintrag eines Warenzeichens oder eines Patents in ein elektronisches Register in Peru, habe der Versender weder täuschend noch in anderer Weise gegen Treu und Glauben im Sinne der Generalklausel von Art. 2 UWG verstossen und auch nicht besonders aufdringlich gehandelt. Zudem sei klar ersichtlich gewesen, wer Absender der E-Mails war, so dass die E-Mails auch diesbezüglich «weder täuschend noch verwirrend» gewesen seien. Und schliesslich sei in den E-Mails auch auf die Möglichkeit hingewiesen worden, sich vom Versand abzumelden, was dem Beschwerdeführer schliesslich auch ohne Weiteres gelungen sei.
Das Obergericht kommt zum Schluss, dass die drei Werbe-Mails einzelne Tatbestandselemente des Spam-Artikels erfüllen. Die Werbe-Mails würden aber weder dem Schutzzweck von Art. 2 UWG, noch demjenigen von Art. 3 Abs.1 lit. o UWG zuwiderlaufen. Somit liege keine UWG-Verletzung und folglich auch keine strafbare Handlung vor. Die Staatsanwaltschaft habe deshalb zu Recht die Strafuntersuchung nicht an die Hand genommen.
Sind Werbe-Mails ohne vorgängige Einwilligung nur verboten, wenn sie täuschend sind oder gegen Treu und Glauben verstossen?
Man kann vorliegend durchaus Sympathie für das Ergebnis des obergerichtlichen Entscheides haben und die Argumentation des Obergerichts auch aus grundsätzlichen, rechtspolitischen Überlegungen begrüssen.
Aus dogmatischer und rechtsstaatlicher Sicht ist der Entscheid des Obergerichts jedoch fragwürdig. Im Urteil wird auf die zentrale Frage, ob sich der Absender im vorliegenden Fall auf eine gültige Einwilligung berufen kann oder ob ein Opt-Out genügen würde (Bestandeskunden-Privileg), mit keinem Wort eingegangen. Dies obwohl Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG im Grundsatz explizit ein Opt-In-Prinzip statuiert. Es entspricht konstanter Entscheidpraxis, sowohl in der Schweiz wie auch in den umliegenden Nachbarländern, dass der Versand von «Massenwerbung» unzulässig ist, wenn eine Einwilligung fehlt und der Ausnahmetatbestand (Bestandeskunden-Privileg) nicht erfüllt ist. Ein klar erkennbarer, korrekter Absender und die Möglichkeit zur Abmeldung vom Erhalt der Werbe-Mails alleine macht den automatisierten Versand von Massenwerbung noch nicht zu einer zulässigen Werbemethode. Dies unabhängig vom konkreten Inhalt der betreffenden Werbe-Mails.
Trotz dieser relativ klaren Gesetzeslage kommt das Obergericht zu einem anderen Schluss. Es folgt bei seiner Begründung primär einer teleologischen Auslegung von Art. 2 UWG und Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG. Zweck der Generalklausel von Art. 2 UWG sei die Verhinderung von täuschendem oder irreführendem sowie gegen Treu und Glauben verstossendem Wettbewerbsverhalten. Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG sei vor dem Hintergrund vor allem der Kostenfolgen, die dem Empfänger entstehen, und der zeitlichen und psychischen Belastung, die Spam verursachen kann, zu sehen. Vorliegend würden die Werbe-Mails diese Schutzzwecke nicht verletzen, weshalb keine UWG-Verletzung vorliege. Die Ausführungen des Obergerichts zum Schutzzweck von Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG sind vorliegend jedoch nicht überzeugend. Die Kostenfolgen und die allfällige zeitliche und psychische Belastung bei Spam sind zwar durchaus valable Gründe für die Einführung eines Spam-Artikels. Der Gesetzgeber hat jedoch in Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG sodann eine klare Wertung vorgenommen, welche Art von Spam diesen Schutzzweck verletzt. Vor diesem Hintergrund wird man im vorliegenden Fall den Eindruck nicht los, dass die obergerichtliche Argumentation primär «ergebnisorientiert» erfolgt.
Urteil führt zu Rechtsunsicherheit
Das Urteil folgt einer durchaus begrüssenswerten, unaufgeregten Sachverhaltsanalyse und Auseinandersetzung mit der Spam-Problematik, führt aber im Ergebnis zu einer unnötigen Rechtsunsicherheit rund um die Anwendung von Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG. In Anbetracht der grossen praktischen Bedeutung dieser Vorschrift für die Werbewirtschaft ist es besonders problematisch, wenn Gerichte oder Strafverfolgungsbehörden sich im Umgang mit dieser Bestimmung «ergebnisorientiert» verhalten. Eine Beurteilung von Werbe-Mails daraufhin, ob diese täuschend sind oder gegen Treu und Glauben verstossen, ist der Rechtssicherheit nicht förderlich. Die Gerichte sollten sich an der im Wortlaut von Art. 3 Abs. 1 lit. o UWG zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers orientieren. Auch wenn die Interpretation von einzelnen Elementen des Artikels umstritten ist, ist der Grundsatz des Opt-In-Prinzips anerkannt.
Die Marketing-Branche ist gut beraten, sich beim Versand von Werbe-Mails weiterhin sorgfältig um die Einhaltung der lauterkeits- und datenschutzrechtlichen Voraussetzungen zu kümmern. Vom Versand an Empfänger ohne deren Einwilligung bzw. ohne das Vorliegen einer vorbestehenden Kundenbeziehung ist weiterhin klar abzuraten.
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