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In einem aktuellen Urteil hat der Oberste Gerichtshof von Österreich (OGH) zur Frage des Kopplungsverbots nach EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) Stellung genommen. Ein Anbieter von kostenpflichtigen TV-Programmen verlangte in seinen AGB die Einwilligung seiner Kunden zur Zustellung von Direktwerbung. Der OGH gelangte zum Ergebnis, dass es sich dabei um eine verbotene Kopplung handelte und die Einwilligung mangels Freiwilligkeit ungültig war. Laut dem Urteil gilt das Kopplungsverbot jedoch nicht absolut. Es sind zwar, wie sich in vorliegendem Fall bestätigte, hohe Anforderungen an die freiwillige Einwilligung von bestimmten personenbezogenen Datenverarbeitungsvorgängen zu stellen. Im Einzelfall könnten jedoch besondere Umstände für eine Freiwilligkeit der Einwilligung sprechen. Im vorliegenden Fall wurde dies jedoch verneint.
Einwilligung als «Erlaubnistatbestand»
Die seit dem 25. Mai 2018 geltende DSGVO wie auch die laufende Totalrevision des Schweizer Datenschutzrechts bringen weitrechende Neuerungen mit sich. Für Änderungen in der EU sind dabei auch für einen Grossteil der Schweizer Unternehmen ohne Niederlassung in der EU relevant (vgl. allgemein MLL-News vom 30.7.2017 und MLL-News vom 21.9.2017).
Aus Schweizer Sicht ist unter anderem das in der DSGVO vorgesehene Konzept des sogenannten „Verbots mit Erlaubnisvorbehalt“ neu. Danach ist im Grundsatz jede Bearbeitung von personenbezogenen Daten verboten, ausser das Unternehmen kann sich auf eine Rechtfertigung bzw. einen Erlaubnistatbestand berufen. Zulässig ist die Datenbearbeitung nach der DSGVO insbesondere gestützt auf eine Einwilligung, einen Vertrag, ein Gesetz oder ein überwiegendes Interesse.
Anforderungen an die Freiwilligkeit einer Einwilligung
Die Berufung auf den Erlaubnistatbestand der Einwilligung setzt unter anderem voraus, dass diese freiwillig erteilt wurde. An der Freiwilligkeit kann es fehlen, wenn ein klares Ungleichgewicht zwischen der betroffenen Person und dem für die Datenbearbeitung Verantwortlichen besteht. Gleiches gilt, wenn bei einer Mehrzahl von Datenbearbeitungen keine Möglichkeit besteht, eine gesonderte Einwilligung abzugeben.
Von besonderer Bedeutung ist die Frage, inwieweit ein sog. Kopplungsverbot gilt. Danach wäre es verboten, die Erfüllung eines Vertrags von der Einwilligung in weitere Datenbearbeitungen abhängig zu machen. Gemeint sind damit nicht Datenbearbeitungen, die für die Abwicklung eines Vertrags erforderlich sind, sondern gerade solche, die es nicht sind, also insbesondere die Verwendung von Daten zu Werbezwecken.
Mit der Frage der Freiwilligkeit der Einwilligung in die Verwendung von personenbezogenen Daten zu Werbezwecken, hat sich bereits im Juli dieses Jahres das oberste Gericht Italiens auseinandergesetzt (vgl. dazu MLL-News vom 1.9.2018). Hierbei ging es jedoch, anders als beim vorliegenden Fall, um die unentgeltliche Erbringung von Dienstleistungen. Das Gericht hielt dabei fest, dass die Freiwilligkeit der Einwilligung gegeben war, da sich der Nutzer die gleiche Dienstleistung „ohne ernsthafte Nachteile“ auf andere Weise erwerben konnte.
Verfahren in Österreich: Werbe-Einwilligung in AGB
Der OGH in Österreich hatte sich nun in seinem Urteil vom 31. August 2018 (Az.:60b140/18h) mit der Frage zu befassen, ob bzw. inwieweit der Abschluss eines kostenpflichten Vertrages von einer Werbe-Einwilligung abhängig gemacht werden darf. Im Verfahren wurden unter anderem die AGB eines Dienstes zum Empfang von digitalem TV beanstandet. Dabei wurde eine Verbandsklage gegen verschiedene der AGB Klauseln der Beklagten erhoben. In den AGB verlangte der Anbieter die Einwilligung des Kunden in die Datenverarbeitung zu Werbezwecken.
Spannungsverhältnis zwischen Verordnungstext und Erwägungsgründen
In seinem Urteil weist der OGH einleitend auf das Spannungsverhältnis zwischen dem Verordnungstext sowie den Erwägungsgründen hin.
Der Wortlaut von Art. 7 Abs. 4 DSGVO lautet folgendermassen:
«Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, muss dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich sind.»
Demgegenüber besagt Erwägungsgrund 43 Folgendes:
«Die Einwilligung gilt nicht als freiwillig erteilt, wenn […] wenn die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung abhängig ist, obwohl diese Einwilligung für die Erfüllung nicht erforderlich ist.»
Während also nach dem Verordnungstext dem Umstand der Koppelung bei der Beurteilung der Freiwilligkeit «nur» grösstmöglich Rechnung zu tragen ist, spricht der Erwägungsgrund gemäss OGH eindeutig für ein unbedingtes Verbot der Koppelung.
Entscheidung des OGH: Kopplungsverbot unter Vorbehalt besonderer Umstände
Nach einem kurzen Hinweis auf die Stellungnahmen in der Literatur kommt der OGH zum Schluss, das Spannungsverhältnis sei offensichtlich so aufzulösen, dass an die Beurteilung der „Freiwilligkeit“ der Einwilligung strenge Anforderungen zu stellen sind. Im Grundsatz sei bei der Kopplung der Einwilligung zu einer Verarbeitung vertragsunabhängiger personenbezogener Daten mit einem Vertragsschluss davon auszugehen, dass die Erteilung der Einwilligung nicht freiwillig erfolgt. Dieser Grundsatz gilt gemäss OGH jedoch nur, sofern nicht im Einzelfall besondere Umstände für eine Freiwilligkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung sprechen.
Da im vorliegenden Fall die Erlaubnis des Kunden zur Nutzung seiner Daten offensichtlich einem anderen Zweck als die eigentliche Dienstleistung erfüllte und keine besonderen Umstände vorlagen, qualifizierte der OGH die strittige Klausel – dem Grundsatz entsprechend – als verbotene Kopplung. Die vom Kunden im Rahmen der AGB erteilte Einwilligung wurde somit nicht freiwillig erteilt und damit ungültig.
Fazit
Der OGH hat für kostenpflichtige Verträge einen relativ klaren Entscheid getroffen. Es hat die bereits bestehende strenge Auffassung des Kopplungsverbots bestätigt. Wenn keine besonderen Umstände gegeben sind, werden hohe Anforderungen an den Voraussetzungen der freiwilligen Einwilligung der Datenverwendung gestellt. Es gilt damit im Grundsatz ein Kopplungsverbot.
Anders sieht die Situation bei kostenlosen Dienstleistungen aus. Wie bereits erwähnt, hat der oberste Gerichthof Italiens die Kopplung bzw. die Bedingung der Datenverarbeitung für Zustellung von Werbung im Gegenzug für den Versand eines Newsletters nicht beanstandet. Grund dafür war die Unentgeltlichkeit der Leistung sowie dessen fehlende Unverzichtbarkeit.
Zu beachten ist jedoch, dass diese Rechtslage nach wie vor «nicht in Stein gemeisselt ist», solange es an einem klärenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) fehlt. Interessant ist dabei, dass der OGH demgegenüber eine Vorabentscheidung durch den EuGH nicht für notwendig hielt. Der Wortlaut der Verordnung mit dessen Erwägungen seien bereits klar genug. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass das letzte Wort zur Tragweite des Kopplungsverbots noch nicht gesprochen ist.
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