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Gastautor: Dr. Martin Schirmbacher, HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin
Das Oberlandesgericht Hamburg hat die Praxis des Schweizer Unternehmens Logistep gebilligt, ohne Wissen des Users IP-Adressen zu speichern, um aus der IP-Adresse auf den Namen des Users schließen zu können. IP-Adressen seien nicht personenbezogenen, insofern liege darin kein Datenschutzverstoß. Damit stellt sich das OLG Hamburg gegen einen Entscheid des Schweizer Bundesgerichts (vgl. BR-News vom 6.12.2010). Setzt sich diese Ansicht durch, sind das gute Nachrichten für die Online-Werbebranche, die die IP-Adressen auf verschiedene Weise benötigt.
Die Frage, ob IP-Adressen Personenbezug aufweisen, darf als ungelöst bezeichneten werden. Verschiedene Meinungen werden vertreten. Eine klare Tendenz ist nicht erkennbar.
Beweisverwertungsverbot bei IP-Adressen?
Das Oberlandesgericht Hamburg hat sich kürzlich mit dem Personenbezug von IP-Adressen beschäftigt (OLG Hamburg vom 3.11.2010, Az. 5 W 126/10). Dies hatte folgenden Hingrund: In vielen Fällen verteidigen sich Personen, die urheberrechtlich geschützte Musikstücke oder Filme Internet heruntergeladen und zugleich zum Download für andere angeboten haben, damit, dass die ermittelten IP-Adressen in dem Prozess um die Urheberrechtsverletzung nicht verwendet werden dürften, weil sie unter Verstoß gegen Datenschutzvorschriften erhoben wurden. Die von dem Schweizer Unternehmen Logistep erhobenen Daten seien in dem Zivilprozess nicht verwertbar. IP-Adressen seien personenbezogen und dürften deshalb nicht ohne Weiteres erhoben und gegen den Surfenden verwendet werden.
IP-Adressen ohne Personenbezug
Mit diesem Argument macht das Gericht jedoch vergleichweise kurzen Prozess:
«Dass das Ermitteln der IP-Adressen nach deutschem Datenschutzrecht rechtswidrig sein könnte, ist nicht ersichtlich, da bei den ermittelten IP-Adressen ein Personenbezug mit normalen Mitteln ohne weitere Zusatzinformationen nicht hergestellt werden kann. Der Personenbezug wird erst durch die seitens der Staatsanwaltschaft nach §§ 161 Abs. 1 S. 1 und 163 StPO angeforderte oder gem. § 101 Abs. 9 UrhG gerichtlich angeordnete Auskunft des Providers ermöglicht.»
Abschließend weist das Oberlandesgericht Hamburg darauf hin, dass auch der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung zur Haftung für ein offenes WLAN in (BGH vom 12.5.2010, Az. I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens) die Ermittlung der IP-Adresse ausdrücklich als rechtmäßig angesehen habe.
Personenbezug: Es kommt auf den Erhebenden an
Ohne dieses wirklich zu diskutieren, schlägt sich das Oberlandesgericht Hamburg damit eindeutig auf die Seite derer, die den Personenbezug relativ im Bezug auf die konkrete Daten verarbeitende Stelle ermitteln wollen. Nach dieser Ansicht ist nämlich entscheidend, ob gerade die Person, die die Daten erhebt, mit normalen Mitteln einen Bezug auf eine konkrete Person herstellen kann. Ist das nicht der Fall, fehlt es eben am Personenbezug.
Nach Ansicht vieler Datenschützer hat ein Datum dagegen schon dann Personenbezug, wenn irgendjemand in der Lage ist, das Datum einer konkreten Person zuzuordnen.
Kein Personenbezug bei Logistep
Dass das Oberlandesgericht Hamburg nicht einmal in diesem konkreten Fall ein Datenschutzproblem sah, überrascht zunächst. Schließlich ist es gerade Sinn der Erhebung der IP-Adressen durch die Firma Logistep, dass ein Personenbezug unter Einschaltung der Staatsanwaltschaft oder der Gerichte hergestellt werden kann. Hierin sieht das Gericht jedoch offenbar keine ausreichende Personenbeziehbarkeit.
Entgegengesetztes Urteil in der Schweiz
Das Schweizer Bundesgericht hat in ähnlicher Sache gerade genau andersherum entschieden (vgl. BR-News vom 6.12.2010). Zwar seien IP-Adressen nicht per se personenbezogen. Doch müsse im Einzelfall geschaut werden, zu welchem Zweck die Daten erhoben und ob ein Bezug zu einer konkrete Person hergestellt werden kann. Für das von Logistep praktizierte Verfahren sei dies der Fall, so das Bundesgericht. Schließlich komme es dem Unternehmen gerade auf die Ermittlung des Anschlussinhabers an. Dass dies nicht notwendig derjenige sein muss, der die Urheberrechtsverletzung begangen hat und dem im konkreten Fall die IP-Adresse zugeordnet ist, ließ das Bundesgericht nicht gelten.
Frage weiter offen
Wie die unterschiedliche Bewertung in der Schweiz und Hamburg zeigt, ist die Frage weiterhin offen. Ob eine IP-Adresse Personenbezug hat, lässt sich nur im Einzelfall entscheiden. Und es steht zu befürchten, dass deutsche Gerichte weiterhin verschiedene Meinungen vertreten werden. Klarheit kann nur eine EuGH-Entscheidung bringen.
Was heißt das für Tracking-Tools?
Überträgt man diese Ansicht des OLG Hamburg auf den Einsatz von Tracking-Tools, kann dies nur bedeuten, dass für den normalen Website-Betreiber, der über keinerlei Zusatzinformationen verfügt, eine IP-Adresse kein personenbezogenes Datum ist.
Damit würden sich viele Rechtsfragen um Tracking-Tools erledigen. Die Frage der Einwilligung des Nutzers stellt sich zum Beispiel nur, wenn Zusatzinformationen zu konkreten IP-Adressen vorhanden sind. Erkennt ein Webshop seine Kunden etwa an einer vorab gespeicherten IP-Adresse, ist Personenbezug vorhanden, wenn der IP-Adresse eine konkrete Person zugeordnet ist.
Ist das nicht der Fall, bleibt es lediglich bei der Verpflichtung, über das Anlegen von Nutzerprofilen zu belehren. Einer Einwilligung bedarf dies jedoch nicht.
Weitere Informationen:
- OLG Hamburg vom 3.11.2010, Az. 5 W 126/10
- Urteil des schweizerischen Bundesgerichts vom 8.9.2010, Az. 1C_285/2009
- BR-News: «Logistep-Urteil: Bundesgericht qualifiziert IP-Adressen NICHT grundsätzlich als Personendaten»
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann