Zuständigkeit deutscher Gerichte

OLG Hamburg: Zuständigkeit deutscher Gerichte für persönlichkeitsverletzende Boulevard-Artikel auf Schweizer Website


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Ein aktueller Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Hamburg veranschaulicht das hohe Risiko für Schweizer Unternehmen, vor ausländischen Gerichten verklagt zu werden. Betroffen war ein Schweizer Medienunternehmen, dem vorgeworfen wurde, einer seiner Online-Artikel habe die Persönlichkeit von Mitgliedern einer europäischen Fürstenfamilie verletzt. Weder die Kläger noch die beklagte Partei hatten ihren Wohn- bzw. Geschäftssitz in Deutschland. Dennoch erklärte sich das Oberlandesgericht Hamburg (OLG Hamburg) für international zuständig, die Klage zu behandeln. Der erforderliche Inlandsbezug stützte sich im konkreten Fall auf das erhebliche Interesse der deutschen Leser an den Klägern.

Übersicht der internationalen Zuständigkeit ausländischer Gerichte

Bei unzulässigen Handlungen im Internet stellt sich oft die Frage, in welchen Staaten die Betroffenen gerichtlich vorzugehen haben. Bei urheberrechtsverletzenden Inhalten genügt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) grundsätzlich bereits die blosse Abrufbarkeit des Inhalts. Somit kann in jedem Mitgliedstaat der EU, in welchem der fragliche Inhalt im Internet abrufbar ist, Klage wegen Urheberrechtsverletzung eingereicht werden (vgl. dazu MLL-News vom 13. November 2013).

In anderen Rechtsgebieten genügt zwar die blosse Abrufbarkeit eines Inhalts in der Regel nicht. Gleichwohl sind die Anforderungen meist nicht sehr hoch. So wurde beispielsweise Zuständigkeit der deutschen Gerichte für wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche bejaht, wenn sich ein Inhalt (auch) an Nutzer in Deutschland richtet, selbst wenn es sich um eine englischsprachige Website handelt (vgl. dazu MLL-News vom 15. Mai 2014).

Auch bei der Verbreitung von persönlichkeitsverletzenden Äusserungen im Internet können andere Gerichte als die des Wohnsitz- bzw. Sitzstaates der Betroffenen für Klagen gegen die Verantwortlichen zuständig sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Erfolg der unzulässigen Handlung am Ort des «Mittelpunktes der Interessen» eintritt und dieser Ort in einem anderen Staat vorliegt (vgl. MLL-News vom 2. Dezember 2017). Klagen wegen persönlichkeitsverletzender Medieninhalte von Schweizer Unternehmen können somit, wie im nachfolgend zu besprechenden Urteil des OLG Hamburg dargelegt wird, je nach dem auch in Deutschland erhoben werden. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für solche Klagen ist zwar an gewisse Voraussetzungen geknüpft. Diese sind jedoch relativ rasch erfüllt.

Klage in Hamburg aufgrund eines umstrittenen Fotos

Ein Mitglied einer europäischen Fürstenfamilie verklagte zusammen mit seiner Ehefrau ein Schweizerisches Medienunternehmen vor dem Landgericht Hamburg (LG Hamburg). Das fragliche Unternehmen verbreitete auf ihrer Website einen deutschsprachigen Beitrag über die Kläger, zu welchem auch ein Foto von diesen in Ski-Kleidung auf einem öffentlichen Sessellift publiziert wurde.

Das Landgericht Hamburg verurteilte das Schweizer Unternehmen zur Unterlassung der erneuten Verbreitung der rechtswidrigen Aufnahme im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Dieses Urteil zog das Unternehmen an das Oberlandesgericht Hamburg (OLG Hamburg) weiter. Umstritten waren insbesondere die Fragen, ob deutsche Gerichte für diese Klage international überhaupt zuständig sind und ob die Verbreitung der Aufnahme persönlichkeitsverletzend und rechtswidrig war.

Hinreichender Inlandsbezug

In seinem Urteil vom 20. Dezember 2016 (7 U 8/15) hielt das OLG zunächst fest, dass die blosse Abrufbarkeit des Beitrages in Deutschland und der Umstand allein, dass ein Beitrag in deutscher Sprache abgefasst ist, nicht ausreichend, um eine Zuständigkeit deutscher Gerichte zu bejahen. Hinzukommen muss ein hinreichender Inlandsbezug. Ein solcher kann sich daraus ergeben, dass eine Partei ihren Wohn- oder Geschäftssitz oder zumindest ihren Mittelpunkt der Interessen in Deutschland hat. Ausserdem kann ein hinreichender Inlandsbezug bestehen, wenn sich aufgrund des Gegenstandes des Beitrages ergibt, dass er sich an ein deutsches Publikum richtet.

Im konkreten Fall ergab sich der Inlandsbezug aufgrund der Personen, mit denen sich die Berichterstattung befasste. Sie sind weder deutsche Staatsangehörige, noch hatten sie ihren Mittelpunkt der Interessen in Deutschland. Allerdings besteht an ihnen ein erhebliches Interesse unter der deutschen Leserschaft. Das OLG Hamburg betonte, dass das Interesse an diesen Mitgliedern der Fürstenfamilie über dasjenige an sonstigen prominenten Personen wie etwa Schauspielern oder Musikern hinausgehe. Denn es handle sich zudem um politische Repräsentanten eines Staates, mit welchem Deutschland vielfältige und enge Beziehungen unterhält.

Inhalt des Beitrags ist entscheidend

Es kommt nicht laut OLG Hamburg darauf an, ob es sich um ein deutsches oder ausländisches Medienorgan handelt. Das Interesse der deutschen Öffentlichkeit an den Klägern ist auf den Inhalt dieser Berichte gerichtet und nicht auf die Herkunft des Beitrags. Entscheidend ist, ob die Berichte leicht zugänglich und verständlich sind. Das ist bei Meldungen der Presse der Fall, wenn diese über das Internet verbreitet werden. Vorliegend erklärte das OLG Hamburg die deutschen Gerichte für international zuständig, die Klage nichtdeutscher Parteien gegen ein Schweizerisches Medienunternehmen zu behandeln.

Persönlichkeitsverletzung gegeben

Für die Behandlung der Ansprüche der Kläger kam das OLG Hamburg zum Schluss, dass deutsches Recht anwendbar sei. Die rechtlich erheblichen Folgen des Handelns des Schweizerischen Medienunternehmens seien in Deutschland eingetreten. Des Weiteren würden die Kläger Ansprüche nach deutschem Recht geltend machen.

Das beanstandete Foto wurde während des Urlaubs der Kläger bei einer ausschliesslich in den Privatbereich fallenden Tätigkeit gemacht. Zum Zeitpunkt der Aufnahme gab es sodann kein berichtenswertes Ereignis. Die Kläger durften darauf vertrauen, dass sie in der betreffenden Situation nicht fotografiert werden. Die Hochzeit der Kläger, welche zweifellos ein zeitgeschichtliches Ereignis darstellt, fand erst einen Monat später statt. Aus diesem Grund besteht kein hinreichender Bezug zur Hochzeit. Die Aufnahme verletzte deshalb die Kläger in ihrer Persönlichkeit. Aus diesen Gründen stützte es das Urteil des LG Hamburg und verbot dem Medienunternehmen, die Aufnahme weiter zu verbreiten.

Fazit

Das Urteil des OLG Hamburg macht deutlich, dass Schweizer Unternehmen auch in Deutschland für persönlichkeitsverletzende Inhalte belangt werden können, selbst wenn keine der Parteien deutscher Staatsbürger ist oder ihren Wohn- bzw. Geschäftssitz in Deutschland haben. Erforderlich ist lediglich ein hinreichender Inlandsbezug. Dieser kann sich bereits daraus ergeben, dass der Inhalt (auch) für deutsche Leser von Interesse ist.

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