OLG Hamm: Auch Anbieter von Online-Fortbildungskursen müssen ein Widerrufsrecht einräumen


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Gastautor: Fabian Reinholz, Härting Rechtsanwälte, Berlin

Einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil vom 21.2.2013, Az. 4 U 135/12) ist zu entnehmen, dass Anbieter von Online-Fortbildungskursen ihren Kunden ein Widerrufsrecht einräumen und die Kunden über das Bestehen des Widerrufsrechts belehren müssen. Die gesetzliche Ausnahme vom Widerrufsrecht bei Angeboten im Bereich der Freizeitgestaltung gilt nicht. Das Urteil haben auch Schweizer Anbieter von Online-Kursen zu beachten, sofern sie ihre Kurse (auch) in Deutschland anbieten.
Fehlende Information über Widerrufsrecht

Was war geschehen? Der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. klagte gegen den Betreiber der Internetseite sportbootfuehrerschein.de, der Online-Vorbereitungskurse für den Erwerb des Sportbootführerscheins mit einer Laufzeit von 24 Stunden bis zu sechs Monaten anbietet. Die Kurse können auf der Internetseite gebucht werden. Der Betreiber informierte seine Kunden jedoch nicht über das gesetzliche Widerrufsrecht, das dem Verbraucher bei online geschlossenen Verträgen gemäß § 312 d Abs. 1 BGB-D zusteht. Er war der Meinung, dass sein Angebot eine Freizeitveranstaltung sei, dementsprechend lautete es in den AGB des Anbieters:

«Beim Online-Kurs handelt es sich um eine Dienstleistung in dem Bereich Freizeitgestaltung, bei der sich die Yachtschule verpflichtet, die Dienstleistung innerhalb eines genau angegebenen Zeitraumes zu erbringen.»

Für Angebote im Bereich Freizeitgestaltung besteht gemäß § 312b Abs. 3 Nr. 6 BGB-D kein gesetzliches Widerrufsrecht, wenn sich der Unternehmer bei Vertragsschluss verpflichtet, die Dienstleistungen zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines genau angegebenen Zeitraums zu erbringen.

Online-Kurs ist keine Dienstleistung, die innerhalb eines genau angegebenen Zeitraumes zu erbringen ist

Wie hat das Gericht entschieden? Das OLG Hamm stellt in seinem Urteil zwar fest, dass der angebotene Vorbereitungskurs für den Sportbootführerschein zwar eine Dienstleistung im Bereich der Freizeitgestaltung sei, da zur Freizeitgestaltung auch solche Kurse gehören müssten, die im Zusammenhang mit der Freizeitaktivität (Sportboot fahren) angeboten werden. Allerdings erbringe der Beklagte die Leistung weder zu einem bestimmten Zeitpunkt noch innerhalb eines genau angegebenen Zeitraums. Erforderlich hierfür sei, dass die Leistungszeit konkretisiert und eingrenzbar ist.

Bei den Online-Kursen habe der Kunde zwar je nach Vereinbarung für einen bestimmten Zeitraum online Zugang zu den Kurs-Unterlagen (nämlich bis zu 6 Monate). Dieser Zeitraum bestimme nicht nur die Vertragslaufzeit, sondern zugleich auch, wie lange der Nutzer die Materialien zunächst nutzen könne. Jedoch ginge es bei der Ausnahmevorschrift des § 312 d Abs. 3 Nr. 6 BGB-D darum, den Dienstleister davor zu schützen, dass der Verbraucher eine bestellte Dienstleistung kurz vor dem vereinbarten Zeitpunkt der Inanspruchnahme storniert. In diesen Fällen nämlich könne dem Unternehmer ein Nachteil entstehen, wenn er erhebliche Vorkehrungen treffen musste, um zu einem festen Zeitpunkt oder für einen festen Zeitraum leistungsfähig zu sein. Unter diesem Gesichtspunkt sieht das OLG Hamm im zugrunde liegenden Fall aber kein Risiko für den beklagten Unternehmer. Denn er müsse für das Online-Bereitstellen der Kursunterlagen nicht in hohem Maße Vorkehrungen für seine Leistungsfähigkeit treffen, die ihn im Falle eines Widerrufs unverhältnismäßig belasten. Gerade bei einer vereinbarten Nutzungsdauer von sechs Monaten sei es ungewiss, wann der Kunde die Leistung in Anspruch nehme.

Fazit

Welches Fazit lässt sich aus dem Urteil ziehen? Der Fall deckt eine Schwachstelle im deutschen Fernabsatzrecht auf, denn die Ausnahme der Geltung des Fernabsatzrechts (und damit auch des Widerrufsrechts) für Freizeitgestaltung ist ersichtlich auf Angebote bezogen, die der Verbraucher offline wahrnimmt, z. B. die Buchung von Segeltouren oder Tennistrainingsstunden. Für Online-Angebote wie im zugrunde liegenden Fall passt die Ausnahmebestimmung für Freizeitangebote nicht, da sich der Anbieter in diesen Fällen in der Regel nicht in einer Weise leistungsbereit halten muss, wie wenn er seine Leistung außerhalb des Internets anbietet. Denn die Kursunterlagen liegen dauerhaft abrufbar auf seinem Server. Anders kann es sich bei Kursen in Form von Webinaren verhalten, weil der Anbieter seine Leistung zu einem fixen Zeitpunkt erbringen und entsprechend in Person und Technik vorbereitet sein muss.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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