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Das Oberlandesgericht Nürnberg beurteilte kürzlich eine Werbung für Brillen mit dem Zusatz «Fassung geschenkt» als zulässig. Das Gericht sah darin keine verbotene Werbegabe nach dem deutschen UWG. Der Slogan verstösst auch nicht gegen die deutschen Sonderregeln betreffend die Werbung für Arzneimittel und Medizinprodukte. Das Urteil veranschaulicht für Schweizer Unternehmen, die ihr Angebot auch auf deutsche Kunden ausrichten, die branchenspezifischen Werbe-Vorschriften des deutschen Rechts und bietet zugleich Anlass, einen kurzen Blick auf die Rechtslage in der Schweiz zu werfen.
Werbung für Brillen mit Zusatz «Fassung geschenkt»
Die beklagte Optikerin warb in einer Zeitung für den Kauf von Korrektionsgläsern mit dem Bild einer mit Geschenkband umwickelten Brillenfassung und den folgenden Angaben:
- einem Slogan «Endlich mal eine gute Nachricht: Fassung geschenkt»;
- einem Text unter der Abbildung: «Ab Glaspaket Gold gibt es die Fassung Ihrer Wahl gratis dazu»;
- einer Einschränkung in kleinerer Schrift: «Gültig für alle Fassungen beim Kauf einer Brille oder Sonnenbrille in Sehstärke ab Glaspaket Gold».
Auf der Webseite der Optikerin erschien eine ähnliche Bannerwerbung. Entschied sich der Verbraucher für das „Glaspaket Gold“ und eine Fassung, setzte sich der Warenkorb zusammen aus dem Preis der Fassung und dem Glaspaket. Der Betrag der Fassung wurde dann abgezogen, so dass der Kunde nur für die Brillengläser zahlen musste.
Erstinstanzliches Gericht heisst Unterlassungsklage gut
Aufgrund dieser Werbeanzeige wurde die Optikerin vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth wegen Verstoss gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verklagt und von diesem zur Unterlassung von Werbung mit dem Zusatz «Fassung geschenkt» verurteilt.
Das Landgericht war der Ansicht, dass es sich bei der in der angegriffenen Werbung geschenkten Fassung um eine Werbegabe im Sinne von § 7 Abs. 1 des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens (HWG) handelt, weshalb die betreffenden Werbeanzeigen nach §§ 3, 3a UWG in Verbindung mit § 7 HWG unzulässig seien.
Im Berufungsverfahren fand jedoch das obere Gericht, dass die streitgegenständliche Werbung keine Täuschung oder unzureichende Information der Verbraucher darstellt und wies die Klage mit Urteil vom 11.12.2018 (Az. 3 U 881/18) ab.
Sonderregelung für die Werbung mit Medizinprodukten
Eine der Kompensierung einer Sehschwäche dienende Brille stellt ein Medizinprodukt im Sinne des Medizinproduktgesetzes (MPG) dar und untersteht als solcher dem HWG. § 7 HWG bezweckt die Eindämmung von Werbegeschenken im Heilmittelbereich und statuiert das grundsätzliche Verbot, beim Werben für Medizinprodukte Zuwendungen und sonstige Werbegaben anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen.
Gesamtpreisangebote sind nicht von Werbegabenverbot erfasst
Das Verbot erfasst gemäss OLG Nürnberg grundsätzlich jede aus der Sicht des Empfängers nicht berechnete geldwerte Vergünstigung, die im Zusammenhang mit der Werbung für ein bestimmtes Heilmittel gewährt wird. Vorausgesetzt wird dabei, dass die Zuwendung vom Verbraucher als ein Geschenk betrachtet wird, da er ja dadurch in seinem Kaufentscheid beeinflusst werden soll. Werden dem Werbeadressaten demgegenüber mehrere Waren als ein einheitliches, mit einem Gesamtpreis zu entgeltendes Angebot präsentiert, so liegt keine unentgeltliche Vergünstigung und damit keine verbotene Werbegabe vor.
Gemäss OLG Nürnberg versteht der Letztverbraucher eine Werbung für Brillen grundsätzlich als ein einheitliches Angebot und nicht als eine Hauptware (Gläser) und einer von dieser getrennten Nebenware (Fassung). Falls durch eine Werbeaussage jedoch der Eindruck erweckt wird, es handle sich bei den Gläsern und der Fassung um voneinander getrennte Waren, wobei eine davon geschenkt wird, muss die Werbung unter § 7 HWG fallen und ist als solche unzulässig. Bei der Prüfung dieser Frage kann laut dem Urteil davon ausgegangen werden, dass der aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher sich vor dem Erwerb einer Brille mit dem gesamten Werbungstext befassen wird.
Die Bewerbung einer Brille mit dem Zusatz „Fassung geschenkt“ ist somit zulässig, wenn der Verbraucher von einem vergünstigten Komplettangebot von Fassung und Gläser ausgeht. Unter Berücksichtigung dieses Massstabs befand das Gericht, dass die Brillenfassung anhand der streitgegenständlichen Werbung nicht als ein von den Brillengläsern losgelöstes Geschenk angesehen werden kann. Deshalb war die Werbeaussage zulässig und die Klage abzuweisen.
Werbung für Medizinprodukte in der Schweiz
Der Vertrieb von Brillen und die Werbung für Brillen unterstehen zwar auch in der Schweiz den Vorschriften des Medizinprodukterechts. Allerdings besteht hierzulande im Bereich der Werbung für Medizinprodukte keine vergleichbar strenge Sonderregelung. Anders als für Arzneimittel, deren Werbung sich nach den spezifischen Vorschriften der Arzneimittel-Werbeverordnung richten muss, macht einzig Art. 21 der Medizinprodukteverordnung besondere Vorgaben betreffend die Werbung für Medizinprodukte. Diese erfassen allerdings primär Aussagen über die Anwendung, Leistungsfähigkeit oder Wirksamkeit des Produkts und würden den streitgegenständlichen Slogan nicht verbieten. Somit sind in einem solchen Fall primär die allgemeinen Vorschriften des schweizerischen UWG über das Irreführungsverbot massgebend. Da diese Vorschriften mit diejenigen des deutschen UWG vergleichbar sind, ist davon auszugehen, dass ein Schweizer Gericht die Werbeaussage ebenfalls als zulässig beurteilt hätte.
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