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Das Bundesgericht hat in einem aktuellen Entscheid festgehalten, dass bei Produkten, welche der Gefahrenabwehr dienen, ein Funktionsfehler gleichzeitig ein Produktfehler und damit ein Sicherheitsmangel im Sinne des Produktsicherheitsrechts ist. Eine Verpflichtung zum Rückruf von fehlerhaften Feuerlöschern durch die zuständige Marktkontrollbehörde sei deshalb zu Recht erfolgt. Die Beschwerde des Importeurs der Feuerlöscher hiess das Bundesgericht trotzdem gut, da der Rückruf inzwischen unverhältnismässig wäre. Da Feuerlöscher alle drei Jahre revidiert werden müssen, seien die betroffenen Feuerlöscher mittlerweile auf ihre Gebrauchstauglichkeit überprüft und allfällige Mängel festgestellt und behoben worden. Somit sei ein zweiter Rückruf aus heutiger Sicht nicht mehr erforderlich.
Warnung und Rückruf von fehlerhaften Feuerlöschern
Aufgrund einer Rapex-Verbraucherwarnung aus Polen wurde das für die Marktkontrolle zuständige Kontrollorgan, der Schweizerische Verein für technische Inspektionen (SVTI), im Januar 2009 auf möglicherweise fehlerhafte Feuerlöscher einer bestimmten Marke aufmerksam.
Der SVTI führte daraufhin Stichproben- und Konformitätskontrollen durch und stellte fest, dass die Produkte mangelhaft waren, weil bei sämtlichen Produkten die Konformitätserklärung und Angaben zum Herstellungsdatum fehlten.
Der Verein informierte deshalb eine Importeurin der betroffenen Feuerlöscher, welche den in Polen festgestellten Produktmangel bestätigte. Demnach war es möglich, dass bei Feuerlöschern mit Herstellungszeitraum zwischen Januar 2007 und Oktober 2008 ein Defekt verhindere, dass der Löscher bei Gebrauch funktioniere.
Im Februar 2009 reichte das betroffene Unternehmen beim SVTI die erforderlichen Konformitätserklärungen ein und veröffentlichte eine Produktwarnung mit Rückruf.
Der SVTI erachtete diese Produktwarnung jedoch als nicht ausreichend, weil auf den Feuerlöschern ein Herstellungsdatum fehle und dadurch der Käufer nicht erkennen könne, ob sein Feuerlöscher von der Produktwarnung betroffen sei. Sie erliess aus diesem Grund im März 2009 eine Verfügung, in welcher das Unternehmen insbesondere verpflichtet wurde, erneut eine Produktwarnung mit Rückruf zu veröffentlichen, welche alle Feuerlöscher der betroffenen Baureihe ab Verkaufsdatum Januar 2007 betrifft.
Gegen diese Verfügung erhob das Unternehmen (nachfolgend: Beschwerdeführerin) im Mai 2009 Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht, welche im September 2012 abgewiesen wurde (vgl. Urteil C-3047/2009). Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Beschwerde beim Bundesgericht.
Beurteilung nach altem Recht, aber auch für PrSG-Auslegung relevant
Das Bundesgericht hatte den Fall zwar noch nach altem Recht zu beurteilen, die wichtigsten Ausführungen lassen sich aber direkt auf das neue Produktesicherheitsrecht übertragen und sind deshalb auch für die Auslegung des Produktesicherheitsgesetzes (PrSG) relevant.
Als erstes stellte sich die Frage, ob die Ansicht des SVTI und des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Feuerlöscher in zweierlei Hinsicht mangelhaft waren, zutraf. Die beiden Vorinstanzen erblickten eine Mangelhaftigkeit einerseits darin, dass das Herstellungsjahr vorschriftswidrig nicht angebracht wurde. Andererseits würden die fehlerhaften Feuerlöscher nicht funktionieren.
Auf diese Argumentation entgegnete die Beschwerdeführerin, die Mängel beträfen nicht die Sicherheit, sondern bloss die Funktionsfähigkeit der Feuerlöscher. Darauf würden sich die einschlägigen gesetzlichen Grundlagen jedoch nicht beziehen.
Die Vorinstanzen waren allerdings der Ansicht, dass bei Produkten, die zur Abwehr externer Gefahren bestimmt sind, auch die fehlende Funktionstauglichkeit einen Sicherheitsmangel im Sinne der massgebenden Gesetzesbestimmungen darstelle.
Produkte zur Gefahrenabwehr: Funktionsmangel = Sicherheitsmangel
Das Bundesgericht folgte der Auffassung seiner Vorinstanzen. Die Frage stelle sich analog im Produktehaftpflichtrecht: Dieses beziehe sich auf Schäden, die durch ein „fehlerhaftes Produkt“ verursacht worden seien (vgl. Art. 1 PrHG). Ein Produkt sei dann fehlerhaft, wenn es nicht die Sicherheit biete, die man unter Berücksichtigung aller Umstände zu erwarten berechtigt sei (Art. 4 PrHG). Dabei betreffe die „Sicherheit“ grundsätzlich nur die Sicherheit des Produkts selber und beziehe sich nicht auf seine Gebrauchstauglichkeit (vgl. BGE 137 III 226). Es gäbe allerdings gewisse Produkte, bei denen Sicherheit und Gebrauchstauglichkeit eng zusammenhängen, namentlich Produkte, deren Gebrauchswert in der Abwehr von Schäden liege (vgl. BGE 64 II 254). In solchen Fällen sei ein Funktionsmangel zugleich ein Fehler und damit ein Sicherheitsmangel, sofern es die Konsumenten aufgrund der vom Hersteller erweckten Erwartungen unterlassen, ein anderes, wirkungsvolles Produkt einzusetzen.
Diese Überlegungen zum Produktehaftpflichtrecht seien auf das Produktesicherheitsrecht übertragbar, da die beiden Rechtsgebiete teilweise analoge Begriffe verwenden und grundsätzlich auf das gleiche Sicherheitsniveau abstellen würden. Das Bundesgericht hielt deshalb fest, dass bei einem Feuerlöscher ein Funktionsmangel auch ein Sicherheitsmangel im Sinne des Produktesicherheitsrechts ist. Folglich war der SVTI berechtigt, diese Mängel zu kontrollieren und beheben zu lassen.
Erneute Warnung und Rückruf nicht mehr verhältnismässig – Beschwerde gutgeheissen
Trotzdem hiess das Bundesgericht die Beschwerde gut. Die (zweite) Warnung und der erneute Rückruf seien mittlerweile nicht mehr erforderlich und deshalb nicht mehr verhältnismässig. Das Gericht begründete dies wie folgt: Im Zeitpunkt des angefochtenen Urteils waren seit der Herstellung der beanstandeten Geräte vier bis fünf Jahre vergangen. Die Beschwerdeführerin mache deshalb zu Recht geltend, dass nach dieser Dauer eine Produktwarnung mit Rückruf keinen Sinn mehr mache. Feuerlöscher müssten periodisch einer Revision unterzogen werden, damit ihre Funktionstauglichkeit gewährleistet bleibe.
Es sei davon auszugehen, dass sicherheitsbewusste Besitzer ihre in den Jahren 2007 und 2008 gekauften Feuerlöscher inzwischen bereits zur Revision gebracht haben. Dabei wären allfällige Funktionsmängel entdeckt worden. Gleichzeitig würden Besitzer, die nicht derart sicherheitsbewusst sind, dass sie ihre Feuerlöscher periodisch revidieren lassen, mit hoher Wahrscheinlichkeit auch auf eine erneute Warnung nicht reagieren. Sie könnten ausserdem ohnehin nicht den Anspruch erheben, weiterhin einen funktionstauglichen Feuerlöscher zu besitzen.
Aus diesen Gründen erachtete das Bundesgericht eine erneute Warnung mit Rückruf als unverhältnismässig und hiess die Beschwerde gut.
Weitere Informationen:
- Urteil 2C_13/2013 des Bundesgerichts vom 05.09.2013 (BGE 139 II 534)
- Urteil C-3047/2009 des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.09.2012
- Urteil 2C_29/2013 des Bundesgerichts vom 05.09.2013
- Urteil C-3125/2009 des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.11.2012
- Bundesgesetz über die Produktesicherheit (PrSG)
- Bundesgesetz über die Produktehaftpflicht (PrHG)
- altes Recht: Bundesgesetz über die Sicherheit von technischen Einrichtungen und Geräten (STEG)
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann