Recht haben heisst nicht Recht bekommen. Wer muss eine Tatsache vor Gericht beweisen?


Ihre Kontakte

Eine in der Praxis entscheidende Frage ist, welche Partei eine Tatsache vor Gericht zu beweisen hat. Als Faustregel gilt, dass diejenige Person das Vorhandensein einer Tatsache zu beweisen hat, die aus dieser Tatsache Rechte ableiten will.

Will Frau Blume also auf dem Rechtsweg durchsetzen, dass ihr Herr Winter CHF 1’000 für die Leistung von Gartenarbeiten zu bezahlen hat, muss sie beweisen, (i) dass sie und Herr Winter eine Vereinbarung betreffend die Leistung von Gartenarbeiten gegen die Bezahlung von CHF 1’000 geschlossen haben und (ii) dass sie basierend auf dieser Vereinbarung tatsächlich Gartenarbeiten für Herrn Winter erbracht hat. Gelingt Frau Blume dieser Beweis nicht, hat sie die nachteiligen Folgen der Beweislosigkeit zu tragen, d.h. das Gericht wird ihr mangels Nachweises ihres Anspruchs keine Entschädigung für die ausgeführten Gartenarbeiten zusprechen und die Klage auf Bezahlung von CHF 1’000 abweisen.

Wenn Herr Winter im Prozess behaupten möchte, dass er die Arbeiten bereits bezahlt hat, muss er den Beweis dafür erbringen. Denn aus dieser Tatsache (er hat Frau Winter CHF 1’000 Franken überwiesen) leitet er wiederum Rechte für sich ab – nämlich die Tilgung der offenen Forderung von Frau Blume.

Zum Beweis einer relevanten Tatsache stehen einer Partei verschiedene Beweismittel mit unterschiedlicher Beweiswirkung zur Verfügung. Die vom Richter in der Regel am stärksten gewichteten Beweismittel mit der höchsten Beweiskraft sind Sachbeweise. Als Sachbeweise gelten Urkunden, also schriftliche Dokumente wie bspw. Verträge, Zeichnungen, Pläne, Fotos, Filme, Tonaufzeichnungen oder sonstige elektronische Daten, der richterliche Augenschein (d.h. die Besichtigung bzw. die sinnliche Wahrnehmung eines Gegenstandes oder eines Vorgangs vor Ort), das gerichtliche Gutachten und das Schiedsgutachten, d.h. ein von beiden Parteien in gemeinsamer Absprache erstelltes Gutachten.

Zulässig sind auch sogenannte Personalbeweise wie Zeugenaussagen, schriftliche Auskünfte oder Parteibefragungen. Personalbeweise gelten in der Praxis als weniger «sicher» als Sachbeweise, da die Erinnerung von Personen vielen internen und externen Einflüssen unterliegt.

Ob der Richter einem Beweismittel, und insbesondere einem Personalbeweis, Glauben schenken will, hängt jedoch immer auch von der richterlichen Würdigung des entsprechenden Beweismittels ab.

Insbesondere in Zivilverfahren können nicht sämtliche Beweismittel ohne weiteres verwendet werden. Wurde ein Beweismittel rechtswidrig beschafft, darf ein Gericht dieses Beweismittel bei der Ermittlung des relevanten Sachverhalts in der Regel nicht berücksichtigen. Hat Frau Blume Herrn Winter beispielsweise heimlich auf Tonband aufgenommen, als er sagte, dass er ihr den offenen Betrag für die Gartenarbeiten zwar schulde, aber sich weigere ihr den Betrag zu zahlen, dann kann Frau Blume diese Tonbandaufnahme nicht ohne weiteres vor Gericht verwenden. Da Herr Winter nicht wusste, dass er auf Tonband aufgezeichnet wurde, gilt diese Tonbandaufzeichnung als rechtswidrig beschafft und darf von einem Gericht bei der Wahrheitsfindung in der Regel nicht berücksichtigt werden.

Empfehlenswert ist es auf jeden Fall, interne Dokumente wie E-Mails, Telefonnotizen, Aktennotizen, Sitzungsprotokolle und ähnliches gut aufzubewahren und wenn sich ein Rechtsstreit abzeichnet frühzeitig zu sichern, da diese in vielen Fällen wichtige Beweismittel vor Gericht sein können. Könnte Frau Blume eine E-Mail vorlegen, in der Herr Winter bestätigt, dass Frau Blume Gartenarbeiten gegen Entgelt erbringen soll, würde dies Frau Blume ermöglichen, die von ihr vorgebrachten Tatsachen vor Gericht zu beweisen.


Artikel teilen



meistgelesen


Highlights

MLL Legal

MLL Legal ist eine der führenden Anwaltskanzleien in der Schweiz mit Büros in Zürich, Genf, Zug, Lausanne, London und Madrid. Wir beraten unsere Klienten in allen Bereichen des Wirtschaftsrechts und zeichnen uns insbesondere durch unsere erstklassige Branchenexpertise in technisch-innovativen Spezialgebieten, aber auch in regulierten Branchen aus.

MLL Legal

 

Newsletter

MLL-News 03/22 mit Beiträgen zum Digital Markets Act, Digital Services Act, PBV-Revision, Abmahnungen zu Google Fonts, Inbox-Adverting und vieles mehr.

Zugang MLL-News 03/22

Jetzt anmelden!

Unsere Geschichte

MLL Legal ist eine führende Schweizer Anwaltskanzlei, deren Geschichte bis ins Jahr 1885 zurückreicht. Die Kanzlei ist sowohl organisch als auch durch strategische Fusionen gewachsen, von denen die Jüngste am 1. Juli 2021 zwischen Meyerlustenberger Lachenal und FRORIEP vollzogen wurde.

Durch diesen Zusammenschluss hat sich MLL Legal zu einer der grössten Wirtschaftskanzleien der Schweiz mit über 150 Anwältinnen und Anwälten in vier Büros in der Schweiz entwickelt. Auch zwei Büros im Ausland, in London und Madrid, bieten Anlaufstellen vor Ort für Klientinnen und Klienten, die Beratung im Schweizer Wirtschaftsrecht suchen.

Die Kanzlei verfügt heutzutage über ein starkes internationales Profil und ein langjährig aufgebautes globales Netzwerk. MLL Legal vereint anerkannte Führungsqualitäten und Fachwissen in allen Bereichen des Schweizer und internationalen Wirtschaftsrechts.

Über uns

Publikationen

Hier geht’s zu unseren neuesten Publikationen

COVID-19

Lesen Sie alle unsere rechtlichen Updates zu den Auswirkungen von COVID-19 für Unternehmen.

COVID-19 Information

Offene Stellen

Sind Sie auf der Suche nach einer neuen Herausforderung?

Unsere talentierten und ambitionierten Teams sind von einer gemeinsamen Vision motiviert, erfolgreich zu sein. Wir schätzen eine offene und unkomplizierte Kommunikation über alle Ebenen der Organisation hinweg in einem unterstützenden Arbeitsumfeld.

Offene Stellen

Real Estate Legal Update

Hier gehts zum Real Estate Legal Update 01/24. Unser Real Estate Team hat wiederum Artikel in verschiedenen Gebieten verfasst, so dass hoffentlich für alle etwas Interessantes dabei ist. Wir wünschen viel Spass bei der Lektüre.

Registrieren Sie sich hier, um unser 2 x jährlich erscheinendes Real Estate Legal Update zu erhalten.

Unser Team

Unsere über 150 Anwältinnen und Anwälte unterstützen Sie dabei, den regulatorischen und technologischen Anforderungen im modernen globalen Wirtschaftsleben erfolgreich zu begegnen und ihre wirtschaftlichen Chancen zu nutzen.

Unser Team

Revision DSG

Auf unserer Themenseite rund um die Revision des Schweizerischen Datenschutzgesetzes finden Sie regelmässig aktualisierte und umfassende Informationen und Hilfsmittel. Es ist uns ein Anliegen, Sie bei der Implementierung der neuen Vorgaben zu unterstützen.

Revision DSG Themenseite

MLL Legal on Social Media

Folgen Sie uns auf LinkedIn.