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Die begriffliche Unterscheidung von Lebensmitteln und kosmetischen Mitteln ist aus rechtlicher Sicht von grosser Bedeutung (etwa hinsichtlich der Legalität eines Produkts) und beschäftigt als Folge dessen die Praxis in regelmässigen Abständen, so etwa jüngst im Bundesgerichtsentscheid 2C_576/2023 vom 18. Januar 2024. In diesem Urteil hatte das Bundesgericht – im Sinne eines obiter dictums – die Relevanzfaktoren zur Unterscheidung von Lebensmitteln und kosmetischen Mitteln für ein CBD-Öl zu evaluieren. Das Wichtigste in diesem Zusammenhang findet sich nachfolgend zusammengefasst.
1. Hintergrund und Argumentation des Bundesgerichts
Das Bundesgericht war im Entscheid 2C_576/2023 vom 18. Januar 2024 konkret mit der Angelegenheit eines Unternehmens befasst, welches CBD-Öle vertreibt und in der Vergangenheit (mehrfach) wegen Verstössen gegen das Lebensmittelgesetz beanstandet wurde. Nachdem das Amt für Verbraucherschutz des Kantons Zug Massnahmen ergriffen und Produkte eingezogen hatte, wurden aufgrund einer Risikobeurteilung der Produkte Rückrufe angeordnet. Der Einspruch des Unternehmens wurde in der Folge abgewiesen. Das Unternehmen reichte eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein, um die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, was wiederum abgelehnt wurde. Das Unternehmen gelangte schliesslich ans Bundesgericht, welches die Beschwerde abwies.
Anlässlich des Verfahrens sowie der Urteilsfindung wurde unter anderem auf die Aussage der Beschwerdeführerin eingegangen, wonach die Vorinstanz den Art. 4 LMG willkürlich angewendet und das CBD-Öl der Beschwerdeführerin zu Unrecht als Lebensmittel und nicht als kosmetisches Mittel qualifiziert habe.
Im Ergebnis hat das Bundesgericht im Einklang mit der Vorinstanz die strittigen CBD-Öle im vorliegenden Fall als Lebensmittel eingestuft, da auf der Website keine klaren Angaben zur Verwendung als kosmetische Mittel gemacht worden sein. Die vielen Heilanpreisungen und Warnhinweise deuteten nach Ansicht des Bundesgerichts zudem darauf hin, dass die Produkte wahrscheinlich oral eingenommen würden. Ferner sei die Zweckbestimmung der Öle für die Konsumenten unklar. Die Vorinstanz verwies in ihrem Entscheid auf die einschlägigen Rechtsgrundlagen zur Sicherheit von Lebensmitteln (Art. 7 LMG) sowie die Vorschriften für zulässige Höchstgehalte von Kontaminanten in Lebensmitteln. Der Zwischenentscheid verwies ferner darauf, dass das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) eine maximale Tagesdosis CBD nennt, die zur Verhinderung von lebertoxischen Effekten nicht überschritten werden sollte. Die Vorinstanz sah beim vorliegenden Produkt eine potenzielle Gesundheitsgefährdung, da eine Untersuchung der Produkte eine Überschreitung der THC-Höchstwerte ergab. Die Beschwerdeführerin konnte sodann nicht überzeugend darlegen, dass die zitierten Werte nicht relevant für die Beurteilung des Produktes seien, weshalb die Beschwerde abgewiesen wurde.
2. Begriff des Lebensmittels
Art. 4 LMG definiert Lebensmittel als Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen sich vernünftigerweise vorhersehen lässt, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Somit ist nach der gesetzlichen Definition zur Qualifikation eines Stoffes oder Erzeugnisses als Lebensmittel das Vorliegen einer generellen Aufnahmefunktion und der expliziten oder impliziten Aufnahmefunktion vorausgesetzt.1
Gemäss Art. 4 Abs. 1 LMG kann ein Stoff oder Erzeugnis dann als Lebensmittel qualifiziert werden, wenn dem Produkt ein genereller Aufnahmezweck zugeschrieben werden kann.2 Aufnahme in diesem Zusammenhang bedeutet, dass das Produkt in den Organismus des Menschen eindringen bzw. «aufgenommen» werden muss.3 Vorausgesetzt ist, dass die stoffliche Aufnahme – im Sinne von Art. 4 Abs. 1 LMG – oral über den Magen-Darm-Trakt erfolgt.4 Eine rein oberflächliche Stoffanwendung (am Menschen, z.B. an der Haut) erfüllt damit das in Art. 4 Abs. 1 LMG verankerte Aufnahmekriterium nicht.5 In Anwendung des Aufnahmekriteriums nach Art. 4 Abs. 1 LMG können äusserlich am Menschen anwendbare Erzeugnisse wie etwa kosmetische Mittel von den Lebensmitteln abgegrenzt werden.
Das lebensmittelrechtliche Aufnahmekriterium gemäss Art. 4 Abs. 1 LMG ist des Weiteren (ebenfalls) dann nicht erfüllt, wenn eine betreffende Substanz bzw. ein Stoff zwar oral angewendet wird, die Anwendung jedoch ausschliesslich innerhalb der Mundhöhle stattfindet (sodass im Ergebnis eine hauptgegenständliche Aufnahme in den Magen-Darm-Trakt gerade nicht erfolgt).
Zusätzlich zur obgenannten Grundvoraussetzung des generellen Aufnahmezwecks erforderlich ist darüber hinaus, dass das Produkt entweder explizit für die (orale) Aufnahme durch den Menschen bestimmt wird (d.h. expliziter Aufnahmezweck) oder, alternativ, das Produkt unter vernünftiger Vorhersehung eine Aufnahme durch den Menschen angenommen werden kann (d.h. impliziter Aufnahmezweck). Fehlt es bei der Einstufung des Produktes sowohl an einem expliziten als auch an einem impliziten Aufnahmezweck, so ist eine Einstufung als Lebensmittel unter rechtlichen Gesichtspunkten ausgeschlossen. Das fragliche Erzeugnis wäre demnach vielmehr unter einer abweichenden Produktekategorie gemäss schweizerischem Produkterecht einzustufen.
Ein grundsätzlich aufnahmefähiges Erzeugnis ist nicht bereits deshalb als Lebensmittel zu qualifizieren und entsprechend den Lebensmittelvorgaben zu unterstellen, weil dieses physikalisch von den Konsumentinnen und Konsumenten geschluckt bzw. aufgenommen werden kann.6 Abzustellen ist vielmehr auf die Fragestellung, ob die Herstellerin bzw. die Vertreiberin das Produkt explizit sowie sinnigerweise für einen lebensmitteltypischen Aufnahmezweck bestimmt hat (d.h. expliziter Aufnahmezweck). Relevant ist folglich aus produkteregulatorischer Sicht für die Klassifikation eines Produktes immer auch die Frage, welchen Bestimmungs- bzw. Anwendungszweck eine Herstellerin bzw. Anbieterin für das von ihr angebotene Produkt bestimmt.
Kann ein eindeutiger Bestimmungs- bzw. Anwendungszweck den entsprechenden Deklarationen nicht entnommen werden, so ist dazu in Anwendung von Art. 4 Abs. 1 LMG alternativ auf einen vernünftigerweise vorhersehbaren Aufnahmezweck (d.h. impliziter Aufnahmezweck) abzustellen. Finden sich im Zusammenhang mit dem Produkteeinsatz entsprechende Angaben, welche den beabsichtigen Einsatz eines Stoffes oder eines Erzeugnisses deklarieren und ergibt sich daraus, dass ein lebensmittelrechtlicher Aufnahmezweck i.S.v. Art. 4 Abs. 1 LMG für das Produkt gerade nicht vorgesehen ist, so verbietet sich unter rechtlichen Gesichtspunkten eine Qualifikation als Lebensmittel und somit eine Unterstellung unter die lebensmittelrechtlichen Bestimmungen.7
Unzulässig ist daher die Einstufung eines Produktes als Lebensmittel dann, wenn – trotz physikalischer Möglichkeit – ein Stoff oder ein Erzeugnis durchaus aufgenommen werden könnte, eine solche Aufnahme vernünftigerweise, d.h. von einem normalverständigen Menschen, jedoch nicht anzunehmen ist. Gerade um die Gefahr von möglichen Falschanwendungen zu vermeiden, sieht das schweizerische Produkterecht denn auch regelmässig die Bestimmung eines Anwendungs- bzw. Bestimmungszwecks vor.
3. Begriff des kosmetischen Mittels
Der Begriff des kosmetischen Mittels wiederum basiert auf der Formulierung nach Art. 5 lit. b LMG. Demnach sind Gebrauchsgegenstände Gegenstände, die unter eine der folgenden Produktekategorien fallen: […] kosmetische Mittel und andere Gegenstände, Stoffe und Zubereitungen, die nach ihrer Bestimmung äusserlich mit dem Körper, mit den Zähnen oder den Schleimhäuten in Berührung kommen.
Der Begriff des kosmetischen Mittels wird sodann in Art. 53 Abs. 1 der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV) vom 16. Dezember 2016 wie folgt präzisiert: Kosmetische Mittel sind Stoffe oder Zubereitungen, die dazu bestimmt sind, äusserlich mit bestimmten Teilen des menschlichen Körpers wie der Haut, dem Behaarungssystem, den Nägeln, den Lippen oder äusseren intimen Regionen oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschliesslichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen. Diese Definition wurde hierbei aus dem europäischen Unionsrecht übernommen.8
Zusammengefasst ergeben sich damit die folgenden Voraussetzungen, um einen Stoff oder eine Zubereitung als kosmetisches Mittel qualifizieren zu können. Die Voraussetzungen sind die äusserliche Anwendung, die Verwendung an bzw. auf bestimmten Teilen des menschlichen Körpers, darunter mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle, die überwiegende Zweckbestimmung zu reinigen, zu parfümieren, Aussehen zu verändern, zu schützen, in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen und keine hauptgegenständliche Bestimmung zur Einnahme, Einatmung, Injektion oder Implantierung.
4. CBD in Lebensmitteln und kosmetischen Mitteln
Grundsätzlich können, gemäss dem schweizerischen Lebensmittelrecht Lebensmittel frei in Verkehr gebracht werden (Selbstkontrollprinzip). Ausnahmsweise müssen aber bestimmte Lebensmittelkategorien vor deren Inverkehrbringen vom BLV bewilligt werden. Die Einzelsubstanzen der Cannabinoide sowie Hanfextrakte, die Cannabinoide enthalten, sind im Sinne von Art. 15 Abs. 1 LGV als neuartige Lebensmittel zu qualifizieren und unterliegen als Folge dessen grundsätzlich der Bewilligungspflicht i.S.v. Art. 16 f. LGV.9
CBD-haltige Produkte können jedoch – unter andersgelagerten Voraussetzungen – auch als Kosmetika in Verkehr gebracht werden. Dabei ist für die massgeblichen Vorgaben auf die Art. 53-60 LGV und der dazugehörenden VKos zu verweisen. Kosmetika müssen sodann gemäss Art. 15 LMG sicher sein. Die Sicherheit von Kosmetika muss durch eine Produktinformationsdatei (product information file, PIF) gewährleistet werden. Die Verwendung von Cannabis, d.h. nicht entharzter Blüten und Fruchtstände, und daraus hergestellten Produkte (d.h. Hanfextrakte, CBD) in Kosmetika ist grundsätzlich verboten. Ausgenommen von diesem Verbot sind Samen und nicht mit Blüten oder Fruchtständen vermengte Blätter.10
Die Interpretation der Zulässigkeit von Cannabis in Kosmetika wird in der Lehre jedoch kritisiert. Unklarheit besteht demnach etwa darüber, ob der THC-Gehalt von weniger als 1% bei der Herstellung von Kosmetika beachtet werden muss und ob dieser Umstand Auswirkungen auf die Klassifizierung als Betäubungsmittel habe. So wird argumentiert, dass eine restriktive Auslegung basierend auf rein formaljuristischen Betrachtungen unangebracht sei.11
5. Analyse der Aussagen des BGers
Das jüngste Urteil des Bundesgerichts liefert nun hinsichtlich der Unterscheidung von CBD-Ölen als Lebensmittel und CBD-Ölen als Kosmetika diverse Indikatoren, mittels welcher eine Unterscheidung in der Praxis vorgenommen werden kann bzw. (gegenwärtig) vorgenommen werden sollte. Das Bundesgericht hat dabei auf die folgenden Merkmale des Produktes abgestellt (und das Produkt als Lebensmittel qualifiziert):
- die CBD-Öle wurden in verschiedenen Geschmacksrichtungen angeboten;
- es fehlte an einem expliziten Anwendungsbereich (z.B. Haut, Haar) und konkrete Angaben zur Wirkung oder Funktion der CBD-Öle als kosmetisches Mittel;
- die Zweckbestimmung der Öle waren für die Konsumenten unklar;
- auf der Website wurde an diversen Stellen von «Einnahme» gesprochen; und
- es bestanden viele Warnhinweise und entsprechenden Aufforderungen auf der Website des Unternehmens, welche wiederum auf eine systemische Wirkung hindeuteten, welche bei der tropfendosierten Aufnahme über die Haut nicht erreicht werden könne.
Wie bereits erwähnt, bedarf es für eine Qualifikation als Lebensmittel, dass die stoffliche Aufnahme – im Sinne von Art. 4 Abs. 1 LMG – oral über den Magen-Darm-Trakt erfolgt. Eine reine orale Aufnahme resp. die Anwendung ausschliesslich innerhalb der Mundhöhle reicht unterdessen nicht aus. Ferner ist auf den expliziten oder alternativ impliziten Aufnahmezweck abzustellen. So muss analysiert werden, ob die Herstellerin das Produkt explizit sowie sinnigerweise für einen lebensmitteltypischen Aufnahmezweck bestimmt hat oder, wenn – trotz physikalischer Möglichkeit – ein Stoff oder ein Erzeugnis durchaus aufgenommen werden könnte, eine solche Aufnahme vernünftigerweise, d.h. von einem normalverständigen Menschen, jedoch nicht anzunehmen ist.
Auf die Unterscheidung einer rein oralen Aufnahme und derjenigen über den Magen-Darm-Trakt wurde im vorliegenden Entscheid nicht eingegangen. Der explizite resp. implizite Aufnahmezweck wurde lediglich oberflächlich behandelt und auf die Gesamtbetrachtung des Produktes verwiesen. Der expliziter Aufnahmezweck wurde aber seitens der Beschwerdeführerin gemäss Bundesgericht nicht aufgeführt. So fehlte es an einem expliziten Anwendungsbereich und die Zweckbestimmung war für die Konsumenten unklar. Ob nun lediglich die verschiedenen Geschmacksrichtungen der CBD-Öle als impliziter Aufnahmezweck verstanden werden können, bleibt fraglich. Gemäss der Vorinstanz war dieser Faktor zusammen mit dem Umstand, dass auf der Website an diversen Stellen von «Einnahme» gesprochen wurde, für die Qualifikation als Lebensmittel ausreichend. Gemäss Bundesgericht erscheint diese Aussage zumindest nicht falsch oder willkürlich.
Auf die Voraussetzungen als kosmetisches Mittel ist das Bundesgericht sodann (bedauerlicherweise) kaum eingegangen, obschon ein CBD-Öl, wie oberhalb erwähnt, durchaus als kosmetisches Mittel qualifiziert werden kann und so auch regelmässig geschieht.
1 Vgl. Donauer, in: PraxPro-MLL Legal (Hrsg.), N 63.
2 Vgl. etwa Urteil BGer 2A.565/2000 vom 8. Mai 2011.
3 Vgl. Gattiker, Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände, in: Biaggini/Häner/Saxer/Schott, Fachhandbuch Verwaltungsrecht, Zürich/Basel/Genf 2015, N 16.28 ff.
4 Vgl. Donauer, Grundlagen des Lebensmittelrechts, in: Donauer/Reeves/Weber (Hrsg.), Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständerecht, Zürich/Basel/Genf 2020, S. 24 f. m.w.H.
5 Vgl. zum Lebensmittelbegriff Botschaft zum Bundesgesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände vom 25. Mai 2011, S. 5598.
6 Vgl. zum intendierten Lebensmittelbegriff die Botschaft zum Bundesgesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände vom 25. Mai 2011, S. 5598.
7 Vgl. Donauer, in: PraxPro-MLL Legal (Hrsg.), N 73.
8 Vgl. dazu Art. 2 Abs. 1 Bst. a der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel.
9 Vgl. Donauer, in: PraxPro-MLL Legal (Hrsg.), N 1144 f.
10 Vgl. Donauer, in: PraxPro-MLL Legal (Hrsg.), N 1178-1182.
11 Vgl. Donauer, in: PraxPro-MLL Legal (Hrsg.), N 1183.