Regelung der Zollmelde-, Zollzahlungspflicht und der Solidarhaftung nach dem neuen Zollgesetz


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In der Schweiz ist der Kreis der (solidarisch haftenden) Zollschuldner seit jeher weit gefasst, weiter als nach der differenzierteren Regelung des EU-Zollkodex. Die diesbezüglichen Vorschriften des alten Zollgesetzes, welches am 1. Mai 2007 abgelöst und nur noch auf die zu diesem Zeitpunkt bereits hängigen Verfahren angewendet wurde, waren Gegenstand von zwei aktuellen Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts (A-2293/2008, A-3931/2008) sowie einem Urteil des Bundesgerichts (BGE 135 IV 217). Dies und die Tatsache, dass in der Praxis nach wie vor gewisse Unklarheiten vorherrschen, bieten Anlass, kurz auf die Regelung des geltenden Zollgesetzes einzugehen. Zusammengefasst brachte die Revision des Zollgesetzes (ZG) insbesondere für Spediteure eine bedeutende Erleichterung, indem sie nur noch unter besonderen Voraussetzungen solidarisch für die Zollschuld haften. Demgegenüber ist die Rechtslage in der Schweiz, vor allem bei Zahlungsunfähigkeit des Empfängers, für Warenführer bzw. Transportfirmen nach wie vor äusserst problematisch, da sie unabhängig von einem Verschulden für die Zollschulden aus teils kriminellen Handlungen anderer einzustehen haben.

Die Sachverhalte, die den Urteilen des Bundesgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts zu Grunde lagen, betrafen allesamt eine ähnliche und in der Praxis häufige Konstellation. Es handelte sich um Fälle, in welchen zunächst Zollanmeldungen falsch bzw. gar nicht vorgenommen wurden. In der Folge verpflichtete die Oberzolldirektion, insbesondere aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Warenempfängers bzw. Auftraggebers, mittels Nachbezugsverfügung bzw. Strafbescheid jeweils den Spediteur oder den Warenführer zur Bezahlung der Zollschuld bzw. der Busse. Die betroffenen Personen ergriffen daraufhin Rechtsmittel, wobei allesamt ohne Erfolg blieben. Für die zwei der drei Fälle, in welchen die Spediteure belangt wurden, präsentiert sich jedoch die Rechtslage für die Betroffenen nach dem neuen Zollgesetz (in Kraft seit 1. Mai 2007) viel vorteilhafter. Dies wird nachfolgend kurz dargelegt.

Das neue Zollgesetz legt in Artikel 21 die sog. Zuführungspflicht fest. Im Kern besagt die Vorschrift, dass wer Waren ins Zollgebiet ein-oder ausführt bzw. ein- oder ausführen lässt, sie der jeweils zuständigen Zollstelle zuführen muss. Die Zollverordnung umschreibt (nicht abschliessend) in Artikel 75, welche Personen konkret zuführungspflichtig sind, wobei grundsätzlich unerheblich ist, ob es sich dabei um eine juristische oder natürliche Person handelt:

  • der Warenführer
  • die mit der Zuführung beauftragte Person
  • der Importeur
  • der Empfänger
  • der Versender
  • der Auftraggeber

Im Ergebnis ist der Kreis der Personen, die der Zollkontrolle unterworfen sind, identisch mit dem alten Recht. Diese zuführungspflichtigen Personen sind zugleich auch verpflichtet, die sog. Gestellung sowie die summarische wie auch die «ordentliche» Anmeldung der Waren bei der Zollstelle mit den erforderlichen Dokumenten vorzunehmen (Art. 24 ff. ZG). Sowohl die Zuführungs- als auch die Zollmeldepflicht treffen die genannten Personen kumulativ. Das heisst, es besteht keine Rangfolge unter den verschiedenen Verpflichteten. Dementsprechend hat jeder einzeln dafür Sorge zu tragen, dass die Pflichten korrekt erfüllt werden.

Ebenso weit gefasst ist auch der Kreis Personen, die (grundsätzlich) solidarisch für die Zollschuld einzustehen haben (Art. 70 ZG). Konkret bedeutet dies, dass die Zollbehörde (grundsätzlich) auf einen beliebigen Schuldner greifen kann. Der Zweck dieser im Vergleich zum europäischen Zollrecht strengeren Regelung liegt nach dem Bundesgericht im öffentlichen Interesse, die Einbringlichkeit der Zollabgaben zu garantieren. Im Einzelnen folgt daraus, dass sämtliche Personen, die der Zuführungspflicht unterliegen, auch Zollschuldner sind.

Nach dem alten Recht hafteten ausnahmslos alle Zollschuldner solidarisch für die Zollschulden. Dies führte dazu, dass häufig – wie in den eingangs genannten Urteilen – aufgrund der Zahlungsunfähigkeit nicht der Empfänger der Ware, sondern der Spediteur oder der Warenführer die Zollschulden zu bezahlen hatte. Diese Regelung galt unabhängig von einem Verschulden oder der Eröffnung eines Strafverfahrens. Sie konnten belangt werden, auch wenn sie nichts von der Widerhandlung gewusst oder ohne dass sie einen persönlichen Nutzen daraus gezogen haben.

Die Revision des Zollgesetzes brachte diesbezüglich zumindest für die Spediteure eine erhebliche Verbesserung der Rechtslage. Nach der neuen Ausnahmebestimmung (Art. 70 Abs. 4 ZG) haftet eine Person, die gewerbsmässig Zollanmeldungen ausstellt, nicht solidarisch, sofern sie die Zollschuld im zentralisierten Abrechnungsverfahren der Zollverwaltung (ZAZ) über das Konto des Importeurs zahlt. Dasselbe gilt, wenn die Zollschuld aus einer Nachbezugsverfügung nach dem Verwaltungsstrafrecht hervorgeht und die Person, die gewerbsmässig Zollanmeldungen ausstellt, kein Verschulden trifft. Somit wird ein korrekt handelnder Spediteur in der Praxis kaum mehr für die Zollschulden gerade stehen müssen. Dies könnte bspw. noch in dem wohl seltenen Fall zutreffen, wenn sämtliche anderen Zollschuldner zahlungsunfähig geworden sind.

Demgegenüber hat sich die Rechtslage für die Warenführer nicht verbessert. Sie werden auch künftig noch unabhängig von ihrem Verschulden solidarisch für die Zollschuld haften. Dementsprechend ist es für Transportfirmen angezeigt, sich durch angemessene Massnahmen gegen die daraus folgenden Risiken abzusichern.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann

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