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Der Tabakmarkt hat sich nicht nur in der Schweiz in den letzten Jahren durch zahlreiche neue Konsumformen gewandelt. Neuartige Produkte wie etwa elektronische Zigaretten (kurz: E-Zigaretten), Einweg-Vapes und nikotinhaltige Lutscherzeugnisse sind mittlerweile für Konsumentinnen und Konsumenten als Alternativen zur herkömmlichen (nikotinhaltigen) Zigarette auf dem Markt erhältlich und sind mit ein Grund dafür, dass die Anzahl der verkauften Zigarettenpackungen in der Schweiz rückläufig ist.
Diese alternativen Produkte erfreuen sich nicht nur in der Schweiz steigender Beliebtheit. Gemäss Bundesamt für Gesundheit (BAG) nutzten 2022 bereits 3% der Schweizer Bevölkerung mindestens einmal im Monat E-Zigaretten. Bei Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren liegt der Anteil mit 5,7% noch höher – mit weiterhin steigender Tendenz.
E-Zigaretten werden, ob nikotinhaltig oder nicht, in unterschiedlichen Grössen, Formen, Farben und Geschmacksrichtungen angeboten. Gemeinsam ist ihnen, dass bei der Anwendung des Produktes – im Gegensatz zu einer herkömmlichen Zigarette – kein klassischer Verbrennungsprozess stattfindet. So bedienen sich E-Zigaretten bei ihrer Anwendung unter anderem einem batteriebetriebenen, elektrischen Verdampfer. Dieser sorgt dafür, dass die in einer dazugehörenden Kartusche befindliche Flüssigkeit (sog. Liquid) erhitzt und letztlich verdampft wird. Die Konsumentin bzw. der Konsument kann diesen Prozess, ähnlich wie bei einer Zigarette, mit dem Ziehen am Mundstück starten und den durch den Erhitzungsmechanismus entstandenen Dampf inhalieren.
Das in den vergangenen zehn Jahren starke Aufkommen alternativer «Genussmittelerzeugnisse» wie E-Zigaretten hat die ohnehin bereits bestehenden Regulierungslücken im schweizerischen Tabakrecht bzw. Produkterecht weiter verschärft. Der Gesetzgeber hat unter anderem als Folge dessen auf diesen Umstand reagiert und das neue Tabakproduktegesetz (TabPG) verabschiedet, welches zeitnah, d.h. voraussichtlich per 2024, in Kraft treten wird. Das TabPG – als Nachfolger der schweizerischen Tabakverordnung (TabV) – ist das erste eigenständige Tabakgesetz der Schweiz und erfasst zukünftig auch explizit alternative Produkte wie E-Zigaretten als eigenständige Produktekategorien.
Bis zum Inkrafttreten des TabPG werden E-Zigaretten (sowie andere alternative Genussmittelerzeugnisse) jedoch weiterhin «bloss» von den gegenwärtig geltenden Produktevorschriften (ausserhalb des klassischen Tabakrechts) nach dem schweizerischen Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständerecht erfasst.
1. Aktuelle Rechtslage für elektronische Zigaretten
E-Zigaretten fallen gemäss geltendem Produkterecht in den Geltungsbereich des schweizerischen Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständegesetzes (LMG). Basierend auf Art. 5 lit. b LMG werden diese als sog. Gebrauchsgegenstände für den Humankontakt qualifiziert. Im Gegensatz zu klassischen Tabakerzeugnissen, welche als altrechtliche Genussmittel über die heute noch geltende TabV gesondert reguliert sind, stehen für die regulatorische Beurteilung von E-Zigaretten (sowie für vergleichbare alternative Erzeugnisse) gegenwärtig lediglich die Gebrauchsgegenständevorgaben nach LMG sowie das zugehörige Verordnungsrecht zur Verfügung.
Diese produkteregulatorische Unterstellung basiert darauf, dass eine rechtliche Grundlage für alternative (neuartige) Erzeugnisse wie E-Zigaretten bislang – d.h. bis zum Inkrafttreten des TabPG – fehlt. Die TabV beispielsweise, in welcher Vorschriften zu den Produkteigenschaften von tabakbasierten Erzeugnissen enthalten sind, findet (korrekterweise) auf alternative Erzeugnisse ohne Tabak keine Anwendung. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in der Vergangenheit entsprechend damit begründet, dass bei E-Zigaretten mitunter kein Verbrennungsprozess (wie er für Raucherprodukte erforderlich ist) stattfinde. Die rechtliche Qualifikation von E-Zigaretten als Gebrauchsgegenstand für den Humankontakt hat unterschiedliche Auswirkungen, wobei die Wichtigsten etwa im Fehlen einer Alterslimitierung für ausschliesslich volljährige Personen oder das Fehlen von obligatorischen Warnhinweisen und/oder Warnbildmaterial zu sehen sind.
Trotz dieser seit Jahren konstant bestehenden (stossenden) Rechtslage, muss an dieser Stelle auf den Umstand hingewiesen werden, dass das schweizerische Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständerecht das Inverkehrbringen von nikotinhaltigen E-Zigaretten grundsätzlich verbietet. Gemäss Art. 61 Abs. 2 der Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV) wird für Gebrauchsgegenstände für den Humankontakt nämlich explizit festgehalten, dass der Zusatz von Substanzen, die den Erzeugnissen pharmakologische Wirkungen verleihen, wie beispielsweise Nikotin, verboten ist. Diese auf den ersten Blick eindeutige Verbotsnorm wird jedoch im gleichen Zug durch besondere Vorschriften zur Beseitigung technischer Handelshemmnisse derogiert. Folglich finden sich im schweizerischen Markt bereits heute – d.h. vor der expliziten Legalisierung im Rahmen des neuen TabPG – zahlreiche verschiedene nikotinhaltige E-Zigaretten und gleichartige nikotinhaltige Produkte, welche von Konsumentinnen und Konsumenten legal erworben werden können (s. hierzu sogleich).
Die Schweiz hat das vom Europäischen Gerichtshof entwickelte Cassis-de-Dijon-Prinzip im Rahmen des autonomen Nachvollzuges eingeführt und im Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse (THG) in Art. 16a f. THG verankert. Das Cassis-de-Dijon-Prinzip geht auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes von 1979 zurück. Das in diesem Entscheid entwickelte Prinzip legt dem Grundsatze nach fest, dass Produkte, die einem EU-Mitgliedstaat rechtmässig in Verkehr gebracht werden dürfen, grundsätzlich – sofern keine begründeten Ausnahmefälle eine Einschränkung rechtfertigen – auch in allen anderen Mitgliedstaaten in Verkehr gebracht werden können, da die Produktvorschriften der Mitgliedstaaten als gleichwertig anzusehen sind. Gesetzlich verankert ist das Prinzip in der Schweiz heute wie folgt: Produkte, welche bereits in einem EG- (EU) oder EWR-Mitgliedstaat rechtmässig in Verkehr sind, dürfen auch in der Schweiz in Verkehr gebracht werden, wenn sie den technischen Vorschriften der EG (EU) und, bei unvollständiger oder fehlender Harmonisierung in der EG (EU), den technischen Vorschriften eines Mitgliedstaates der EG (EU) oder des EWR entsprechen.
Die EU hat in der EU-Richtlinie 2014/40/EU vom 3. April 2014 die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen sowie die Regelungen über das Inverkehrbringen und die Kennzeichnung von nikotinhaltigen E-Zigaretten harmonisiert. Werden die Anforderungen dieser Richtlinie eingehalten und sind die Produkte bereits in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat rechtmässig in Verkehr gebracht worden, dann gelten die Produkte als sicher und können daher auch in der Schweiz vertrieben werden.
Damit Schweizer Produzenten, welche ausschliesslich für den inländischen Markt produzieren, keinen Nachteil durch diese Regelung erleiden, wurde als Massnahme zur Verhinderung einer Diskriminierung inländischer Hersteller Art. 16b THG eingeführt. Dieser sieht vor, dass Produzenten, die ausschliesslich für den inländischen Markt produzieren, ihre Produkte nach den gleichen Vorschriften der EG (EU) oder eines EG- (EU)/EWR-Mitgliedstaates herstellen dürfen und entsprechend in der Schweiz vertreiben können.
Somit kann festgehalten werden, dass E-Zigaretten zwar als Gebrauchsgegenstände für den Humankontakt nach Art. 5 lit. b LMG qualifizieren und grundsätzlich gemäss Art. 61 Abs. 2 LMV nur nikotinfrei oder zum Eigengebrauch verkauft bzw. eingeführt werden dürften. Da jedoch das in der EU etablierte Cassis-de-Dijon-Prinzip im THG explizit verankert ist, welches den lebensmittel- und gebrauchsgegenstandsrechtlichen Vorschriften vorgeht, ist unter den genannten Voraussetzungen des THG der Vertrieb von nikotinhaltigen E-Zigaretten auch in der Schweiz bereits heute legal möglich.
An der rechtlichen Unterstellung von E-Zigaretten unter Art. 5 lit. b LMG ändert sich bis zum Inkrafttreten des TabPG vorerst nichts – dies mit entsprechenden Folgen und Konsequenzen für Hersteller und Vertreiber. So sieht beispielsweise die Verordnung über den Schutz vor gefährlichen Stoffen und Zubereitungen (ChemV) gerade keine Ausnahmen ihres Geltungsbereiches für Gebrauchsgegenstände für den Humankontakt vor. Folglich müssen die Bestimmungen der ChemV für das Inverkehrbringen von E-Zigaretten parallel zum Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständerecht beachtet werden (insbesondere im Zusammenhang mit chemikalienrechtlichen Kennzeichnungsvorschriften).
2. Künftige rechtliche Unterstellung von E-Zigaretten unter das TabPG (ab 2024)
Durch das Inkrafttreten des neuen TabPG im Jahr 2024 wird sich die rechtliche Einordnung von E-Zigaretten ändern. Der Geltungsbereich des TabPG umfasst zukünftig auch explizit E-Zigaretten als eigene Produktekategorie und definiert sie als Geräte, die ohne Tabak verwendet werden und mit denen die Emissionen einer mittels hinzugefügter Energie erhitzten Flüssigkeit mit oder ohne Nikotin inhaliert werden können. Das TabPG gilt ab seinem Inkrafttreten verbindlich für sämtliche Tabakprodukte und alle weiteren vergleichbaren Erzeugnisse wie etwa E-Zigaretten. Die rechtliche Einordnung von E-Zigaretten als Gebrauchsgegenstände für den Humankontakt nach dem LMG wird als Folge dessen durch das Inkrafttreten des TabPG abgelöst und hinfällig.
Durch die neue Unterstellung von E-Zigaretten unter das schweizerische Tabakrecht treten verschärfende Vorgaben auch für E-Zigaretten in Kraft. So dürfen künftig E-Zigaretten beispielsweise nicht (mehr) an unter 18-Jährige verkauft werden und Werbung für E-Zigaretten auf Plakaten, in Kinos, auf Sportplätzen, in und an öffentlichen Gebäuden sowie in und an öffentlichen Verkehrsmitteln werden verboten. Betreffend die Produktanforderungen übernimmt das TabPG weitestgehend die bereits heute bestehende Regelung der geltenden TabV. Als positive Neuerung kann die Umstellung von einer Positivliste der zulässigen Substanzen auf eine Negativliste und Höchstmengen aufgefasst werden. Diese Änderung macht aufwändige Bewilligungsverfahren für neue Substanzen obsolet und könnte den Markteintritt neuer Produkte beschleunigen.
Die neue legislative Stossrichtung des Gesetzgebers belegt sodann deutlich, dass nikotinhaltige E-Zigaretten zukünftig in der Schweiz als eigenständige Kategorie anerkannt und «legalisiert» werden sollen und der gesetzliche Umweg über die Qualifikation als Gebrauchsgegenstand für den Humankontakt und in der Folge über das THG abgeschafft werden wird.
Unklar scheint bisher hingegen – soweit ersichtlich – die Behandlung von gesundheitsschutzbezogenen Vorschriften nach TabPG im Kontext des THG, welches ohne besondere Regelungen innerhalb des TabPG bzw. dem zugehörigen Verordnungsrecht nach THG grundsätzlich auch inskünftig dem TabPG vorgehen würde. Mit anderen Worten: Sollte der Bundesrat im Rahmen seiner verordnungsrechtlichen Kompetenzen für E-Zigaretten (und gleichartige Erzeugnisse) keine Ausnahme vom Cassis-de-Dijon-Prinzip beschliessen, würden die im Rahmen des TabPG neu eingeführten technischen Vorschriften auch inskünftig über den Weg des THG (bis zu einem gewissen Grad) derogiert werden können.
Ein Beispiel soll dieses Spannungsfeld verdeutlichen: Das TabPG – sofern es bis 2024 keine wesentlichen Änderungen mehr vor allem im zu erarbeitenden Verordnungsrecht geben wird – sieht neu in einem Anhang 2 Höchstmengen der Emissionen und der Substanzen vor, welche in den Produkten enthalten sein dürfen. So wird für die in den E-Zigaretten enthaltenen Liquids eine Höchstmenge an Nikotin von 20mg/ml vorgesehen. Obwohl auch die EU-Richtlinie 2014/40/EU vom 3. April 2014 eine Nikotingehalt-Höchstgrenze von 20 mg/ml vorsieht, hat sich dieser Standard bis zum aktuellen Zeitpunkt mitunter nicht in sämtlichen EU bzw. EWR-Mitgliedstaaten etabliert, sodass die endgültige Harmonisierung (noch) nicht abgeschlossen ist. In gewissen Ländern sind E-Zigaretten mit einer höheren Konzentration an Nikotin im Umlauf, sodass momentan gestützt auf Art. 16a und 16b THG der Vertrieb solcher Produkte auch in der Schweiz möglich sein könnte. Analoge Beispiele finden sich etwa auch in Bezug auf die maximale Füllmenge von Liquids, die den Konsumentinnen und Konsumenten angeboten werden dürfen. Es ist demnach abzuwarten, welche konkreten Vorgaben der Gesetzgeber bzw. der Bundesrat hinsichtlich der Verhältnisregelung TabPG/THG bis zum Inkrafttreten des neuen Tabakrechts implementieren wird.
3. Würdigung
Das Inkrafttreten des TabPG wird unbestrittenermassen die regulatorische Unterstellung von E-Zigaretten ändern. Die aktuelle Einordnung als Humankontaktgegenstand wird durch das neue TabPG abgelöst und E-Zigaretten werden neu als eigene Produktkategorie in das TabPG aufgenommen. Dies sorgt für einen rechtlichen Rahmen, durch welchen die Regulierungslücken teilweise geschlossen werden können, und gibt Herstellern und Produzenten eine gewisse rechtliche Sicherheit – was im Kern sehr zu begrüssen ist. Unklar erweist sich die Situation jedoch dahingehend, dass das Verhältnis zwischen dem neuen TabPG und dem THG (noch) nicht ausreichend geregelt scheint. Für Produkte, welche über das Cassis-de-Dijon-Prinzip bzw. über Art. 16a und 16b THG legal in der Schweiz vertrieben werden, jedoch zukünftig nicht die Anforderungen und Voraussetzungen des neuen TabPG erfüllen, bleibt die Rechtslage somit noch teilweise unklar.