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Die anstehende Gesetzesrevision der Bestimmungen zur Hilfeleistung der Zollverwaltung in der Schweiz sieht die Einführung eines Kleinsendungsverfahrens vor, wie es in der entsprechenden Verordnung der EU bereits besteht. Dies gibt den Rechteinhabern die Möglichkeit, im Rahmen eines Antrags auf Hilfeleistung, die Vernichtung von Waren in Kleinsendungen im vereinfachten Verfahren zu beantragen. Diese zusätzliche Variante gibt Anlass, die Vorzüge beider Antragsarten zu vergleichen.
Bisherige Regelungen zur Hilfeleistung der Zollbehörden
Die bisher geltenden Regelungen über die Hilfeleistung der Zollbehörden finden sich in den Bundesgesetzen über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (MSchG, Art. 70 ff.), über den Schutz von Design (DesG, Art.46 ff., über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (URG, Art. 75 ff.) und über die Erfindungspatente (PatG, Art. 86a ff.). Eingeführt und teils verschärft wurden diese Regelungen in den Jahren 2008 und 2017 für alle Immaterialgüterrechte (BBl 2006 1, 1.4.2; BBl 2009 8533).
Nach geltendem Recht melden die Zollbehörden in allen Fällen sowohl dem Anmelder, Besitzer oder Eigentümer der Waren als auch dem Rechteinhaber bei (begründetem) Verdacht, dass zurückbehaltene Waren Rechte aus den genannten Gesetzen verletzten. Innerhalb einer 10-tägigen Frist (mit maximal 10-tägiger Erstreckung durch den Rechteinhaber) kann der Anmelder, Besitzer oder Eigentümer der Ware der Vernichtung widersprechen. Eine Zustimmung der Ware wird unterstellt, wenn er der Vernichtung nicht fristgerecht widerspricht. Widerspricht er der Vernichtung, muss der Rechteinhaber vorsorgliche Massnahmen erwirken, um zu verhindern, dass die zurückbehaltenen Waren vom Zoll wieder freigegeben werden.
Erfahrungen mit dem bisherigen Zollverfahren
Das Zollhilfeverfahren hat sich in der Schweiz grundsätzlich bewährt. Zwar kontrolliert auch der Schweizer Zoll nur einen Bruchteil der eingeführten Waren auf mögliche Immaterialgüterrechtsverletzungen. Im Gegensatz zu den Zollbehörden der EU-Mitgliedstaaten kann der Schweizer Zoll aber grundsätzlich alle in die Schweiz eingeführten Waren kontrollieren, da die Schweiz als nicht EU-Mitglied dem in der EU geltenden Prinzip der Warenverkehrsfreiheit nicht unterliegt. Zudem kann die Wahrscheinlichkeit von Plagiatsaufgriffen bei der Antragstellung durch konkrete Hinweise auf Erkennungsmerkmale und bekannte Verletzter deutlich erhöht werden. Ebenfalls empfehlen sich je nach Produkt auch regelmässige Schulungen der Zollmitarbeiter.
Vorteile des bisherigen Zollhilfeverfahrens für Rechteinhaber
Im Hinblick auf die relativ geringe Kontrolldichte bei der Wareneinfuhr in die Schweiz kann durch einen Hilfeleistungsantrag die Einfuhr von Plagiaten nur bedingt verhindert werden. Da sich Aufgriffe im Zollverfahren im Bekanntenkreis der Betroffenen aber meist herumsprechen, haben entsprechende Verfahren mit der erzielten Abschreckung auch Präventivcharakter.
Für die antragstellenden Rechteinhaber bringen die jeweiligen Aufgriffe zumeist auch einen wichtigen Erkenntnisgewinn. Die im Rahmen eines Aufgriffs vom Zoll übermittelten Informationen liefern dem Rechteinhaber nämlich oftmals wertvolle Hinweise zu den Vertriebswegen von Plagiaten und den beteiligten Gesellschaften oder Personen. Auch wenn die Täter zu Zwecken des Versands oftmals Briefkastenfirmen und Strohmänner einsetzen, ermöglicht ein Zollaufgriff auch eine Kontaktaufnahme mit dem Besteller der Ware, welche sodann oft weitere Hinweise auf die Bezugsquelle der Plagiate liefert. Insbesondere können durch die Hinweise auf die verwendeten Zahlungsmittel wichtige Erkenntnisse gewonnen werden, welche eine Unterbrechung der für den Plagiatshandel verwendeten Zahlungsströme ermöglicht.
Veranlassung für Revision des Zollhilfeverfahrens
Hauptgrund für die beabsichtigte Teilrevision des Zollhilfeverfahrens ist die Reduzierung des Verwaltungsaufwands beim Zoll. Dieser muss bis anhin nämlich sowohl den Rechteinhaber sowie den Besteller der Ware über den Aufgriff informieren, die laufende Frist im Auge behalten und erforderlichenfalls Rückfragen von beiden Parteien beantworten.
Nach dem erläuternden Bericht zur Eröffnung des Vernehmlassungsverfahrens handelt es sich bei über 90 Prozent der vom Schweizer Zoll aufgegriffenen Waren um Kleinsendungen von drei oder weniger Gegenständen, was einen unverhältnismässig grossen Aufwand beim Zoll verursacht, zumal sich das Aufkommen von Kleinsendungen, insbesondere aus Asien, zwischen 2014 und 2018 in der Schweiz versechsfacht haben.
Die vorgesehenen Regelungen des Kleinsendungsverfahrens im Einzelnen
Der Vorentwurf der gesetzlichen Neuregelung aus dem Juni 2020 sieht vor, dass bei begründetem Verdacht die Zollverwaltung die Waren zurückbehalten kann und in einem ersten Schritt lediglich den Anmelder, Besitzer oder Eigentümer (im Sinne des Zollrechts) darüber informieren muss, dass bei fehlender ausdrücklicher Ablehnung innert der 10-Tagesfrist die Waren vernichtet werden. Nur bei ausdrücklicher Ablehnung wird der Rechteinhaber über die Zurückhaltung informiert und hat sodann die Möglichkeit zur Einleitung von vorsorglichen Massnahmen innerhalb einer weiteren 10-tägigen Frist.
Der Begriff der «Kleinsendungen» ist vom Bundesrat noch näher zu bestimmen. Es ist jedoch zu erwarten, dass sich die Praxis wohl an der EU-Regelung orientieren wird (höchstens drei Einheiten und ein Bruttogewicht von weniger als zwei Kilogramm). Die Rechteinhaber sollen sodann vierteljährlich über Menge und Art der vernichteten Waren unterrichtet werden, wobei Schadenersatzansprüche gegen den Anmelder, Besitzer oder Eigentümer der Ware nach der Vernichtung ausgeschlossen sein soll.
Vorteile des Kleinsendungsverfahrens – was Sie als Rechteinhaber wissen müssen
Für die Rechteinhaber bietet sich die Beantragung der Vernichtung im Kleinsendungsverfahren vor allem dann an, wenn durch das bisherige Verfahren ein zu grosser Aufwand für die Bearbeitung entstanden ist.
Soweit sich dieser Aufwand in Grenzen hält oder im Rahmen von Kostenerstattungsansprüchen auf die Besteller abgewälzt werden kann, ist der durch das Zollhilfeverfahren ermöglichte Erkenntnisgewinn nicht zu unterschätzen. Im Einzelfall ist dieser mögliche Erkenntnisgewinn mit den durch das herkömmliche Verfahren entstehenden Kosten abzuwägen.
Bei einer erstmaligen Antragstellung empfiehlt es sich ohnehin zunächst keinen Antrag auf Vernichtung im Kleinsendungsverfahren zu stellen, um den dadurch entstehenden Aufwand richtig einschätzen zu können. Ein Antrag auf Vernichtung im Kleinsendungsverfahren kann erforderlichenfalls auch erst im Anschluss gestellt werden. Allgemein ist zu beachten, dass der Rechteinhaber die Kosten für die Vernichtung (auch für Kleinsendungen) trägt.
Gerne informieren wir Sie zur gegebenen Zeit über das Inkrafttreten der Revision und stehen Ihnen bis dahin für weitere Fragen gerne zur Verfügung.