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Das neue Gesetz über Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände (LMG) sowie eine Vielzahl von revidierten Verordnungen treten am 1. Mai 2017 in Kraft. Die Revision bezweckt eine Angleichung des Schweizer Rechts an dasjenige der EU und bringt zahlreiche Neuerungen. Neben der neuen Definition des Begriffs «Lebensmittel» und der Abkehr vom sog. Positivprinzip sind für die Praxis neue Deklarationsvorschriften betreffend Nährwert und Herkunft von grosser Bedeutung. Zudem wird das Täuschungsverbot auf Kosmetika und sog. Bedarfsgegenstände ausgedehnt. Für diese Produkte sowie für Spielzeuge gilt neu auch die Pflicht zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit. Schliesslich wurde auch eine explizite Informationspflicht für das Online-Angebot von Lebensmitteln eingeführt.
Angleichung an das EU-Recht
Zentrales Anliegen der Revision des Lebensmittelrechts ist die Angleichung der Schweizer Vorschriften an diejenigen der EU. Die Neuerungen orientieren sich deshalb hinsichtlich der Lebensmittel an der grundlegenden Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und bezüglich der Gebrauchsgegenstände an der Produktsicherheits-Richtlinie (2001/95/EG). Der Gesetzgeber will damit die Voraussetzungen schaffen, dass die Schweiz von den Rechtsgrundlagen her an den folgenden Systemen und Institutionen der EU zukünftig teilnehmen kann, sofern ein entsprechendes Abkommen abgeschlossen wird:
- Rapid Alert-System für Lebensmittel (RASFF),
- Rapid Alert-System für Produkte (RAPEX),
- Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und
- Administrative Assistance and Cooperation (AAC) im Bereich Lebensmittelbetrug.
Darüber hinaus war die Revision erforderlich, um auch weiterhin von den im Rahmen der bilateralen Abkommen mit der EU bereits ausgehandelten Handelserleichterungen zu profitieren und Handelshemmnisse abzubauen. In diesem Zusammenhang hat die Schweiz bereits einseitig das sog. «Cassis-de-Dijon-Prinzip» eingeführt, welches am 1. Juli 2010 in Kraft getreten ist. Danach sollen Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände, die in der EU bzw. dem EWR rechtmässig im Verkehr sind, auch in der Schweiz frei zirkulieren können (vgl. dazu BR-News vom 10. Mai 2010). Für Lebensmittel ist vorgängig jedoch eine Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) erforderlich (vgl. dazu BR-News vom 7. Mai 2012). Mit der Angleichung des schweizerischen Rechts an dasjenige der EU soll die Anzahl dieser Bewilligungs-Gesuche und der damit verbundene Aufwand erheblich reduziert werden.
Überblick über die geänderten Erlasse
Die Revision betrifft neben dem Lebensmittelgesetz (LMG; bisherige Fassung; künftige Fassung) auch eine Vielzahl von Verordnungen. Überarbeitet wurde namentlich die Lebensmittel- und Gebrauchsgegenständeverordnung (LGV; bisherige Fassung; künftige Fassung). Das Revisionspaket umfasst darüber hinaus drei weitere Verordnungen des Bundesrats, 22 Verordnungen des EDI sowie eine Verordnung des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Eine Übersicht über die betroffenen Verordnungen verschafft die Website des BLV.
Geltungsbereich des LMG – neuer Lebensmittelbegriff
Mit der Revision wird der Begriff «Lebensmittel» aus dem EU-Recht übernommen. Nach dem neuen Art. 4 LMG gelten als Lebensmittel:
- «alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen sich vernünftigerweise vorhersehen lässt, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden».
- Hierzu zählen explizit auch Getränke, Kaugummi und Zusatzstoffe.
Anders als bisher werden die Lebensmittel nicht mehr in Nahrungs- und Genussmittel unterteilt und Tabak und Tabakerzeugnisse gelten künftig nicht mehr als Lebensmittel. Diese sollen durch ein neues Tabakproduktegesetz geregelt werden. Einen entsprechenden Entwurf (vgl. dazu BR-News vom 2. Juni 2014) hat das Parlament allerdings Ende 2016 an den Bundesrat zurückgewiesen. Demnach greift für Tabakprodukte bis auf Weiteres die Übergangsregelung. Danach soll im Wesentlichen die bisherige Rechtslage bis zum Erlass eines Spezialgesetzes weiter gelten. Zu beachten ist jedoch, dass für E-Zigaretten zwar bereits das neue Recht gelten wird. Allerdings bringt dies letzten Endes keine grundlegende Änderung der (unbefriedigenden) Rechtslage mit sich: Der Verkauf von nikotinhaltigen E-Zigaretten ist in der Schweiz weiterhin verboten. Lediglich der Import zum Eigengebrauch ist in gewissen Grenzen erlaubt.
Beibehalten wurde ferner die Unterscheidung zwischen Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen, welche beide auch künftig – anders als in der EU – in demselben Gesetz geregelt werden. Zu den Gebrauchsgegenständen zählen Produkte, die in eine der in Art. 5 LMG aufgezählten Produktkategorien fallen, d.h. z.B. Bedarfsgegenstände («Gegenstände mit Lebensmittelkontakt»), Kosmetika, Kleidungsstücke und Spielzeuge.
Neues Konzept für Lebensmittel: Abkehr vom Positivprinzip
Dem bisherigen Lebensmittelgesetz lag das sog. Positivprinzip zugrunde. Danach waren alle Lebensmittel verboten bzw. bewilligungspflichtig, die nicht explizit im Verordnungsrecht umschrieben sind. Nach dem neuen von der EU übernommenen Konzept sind Lebensmittel künftig erlaubt, wenn sie sicher sind und den rechtlichen Vorgaben entsprechen. Lebensmittel gelten dann nicht als sicher, «wenn davon auszugehen ist, dass sie gesundheitsschädlich sind oder für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind» (Art. 7 revLMG). Das LMG sowie die Verordnungen (insb. Art. 8 revLGV) legen sodann die für diese Beurteilung massgebenden Kriterien fest.
In der parlamentarischen Beratung wurden Bedenken geäussert, wonach die Abkehr vom Positivprinzip dazu führen könnte, dass künftig Lebensmittel wie «Analog-Käse» aus Pflanzenfett oder andere Imitate den Markt überschwemmen würden. Vor diesem Hintergrund werden gemäss Bundesrat auch im neuen Verordnungsrecht praktisch alle Lebensmittel, die bisher schon unter einer Sachbezeichnung umschrieben waren, weiterhin unter einer solchen Bezeichnung umschrieben sein. Darüber hinaus wurde zur Sicherstellung des Gesundheits- und Täuschungsschutzes eine Bewilligungspflicht für «neuartige Lebensmittel» eingeführt. Diese Kategorie wird in der EU auch als «Novel Food» bezeichnet. Darunter fallen Lebensmittel, die in der Schweiz vor dem 15. Mai 1997 noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden und in eine der in Art. 17 revLGV aufgeführten Kategorien fallen.
Neue Deklarationsvorschriften für Lebensmittel – auch online
Im Parlament wurde kontrovers über die künftigen Deklarationsvorschriften für Lebensmittel diskutiert. Die Debatte stand zunächst unter dem Eindruck des «Pferdefleisch-Skandals». Letzten Endes wurde dann aber an der Fassung des Bundesrats festgehalten, welche bei vorverpackten Lebensmitteln nur die Angabe des Produktionslands, der Sachbezeichnung und der Zutaten vorschreibt, dem Bundesrat aber die die Kompetenz zur Erweiterung der Pflichtangaben zuweist (Art. 12 revLMG). In der revidierten LGV wird die bisher verlangte Angabe der Herkunft aufgeteilt in die Angabe des Produktionslands des Lebensmittels und die Angabe der Herkunft der mengenmässig wichtigen Zutaten des Lebensmittels (Art. 36). Konkretisiert werden die Anforderungen in der neuen Verordnung des EDI betreffend die Information über Lebensmittel (LIV; insb. Art. 15 ff.), welche die bisherige «Kennzeichnungsverordnung» (LKV) ersetzt. Ebenfalls neu aufgenommen wurde die Angabe der Nährwertdeklaration. Diese darf daher, wie in der EU, nicht mehr freiwillig erfolgen, sondern wird grundsätzlich zur Pflichtangabe.
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch eine neue Kennzeichnungspflicht, die in den Regelungen des «Cassis-de-Dijon-Prinzips» enthalten ist. Da auch Schweizer Anbieter ihre Lebensmittel gestützt auf dieses Prinzip in Verkehr bringen können, wurde bemängelt, dass Lebensmittel als «hergestellt in der Schweiz» gekennzeichnet sein könnten, die jedoch nach den technischen Vorschriften der EU oder eines Mitgliedstaates produziert wurden. Zur Vermeidung von Irreführungen der Verbraucher muss künftig gegebenenfalls ein Hinweis wie der Folgende angebracht werden: «Hergestellt in der Schweiz nach den technischen Vorschriften der EU» (vgl. Art. 6a VIPaV).
Schliesslich enthält die revidierte LGV auch eine explizite Informationspflicht beim Online-Angebot von Lebensmitteln (Art. 44). Beim Angebot von vorverpackten Lebensmitteln «mit Einsatz von Fernkommunikationsmitteln» müssen Konsumenten über die gleichen Informationen verfügen, die bei der Abgabe vor Ort zur Verfügung zu stellen sind. Die Informationen müssen dabei zum Zeitpunkt des Anbietens, also vor Vertragsschluss, vorliegen «und auf dem Trägermaterial des Fernabsatzgeschäfts erscheinen oder durch andere geeignete Mittel, die eindeutig anzugeben sind, unentgeltlich bereitgestellt werden«. Ausgenommen hiervon sind das Haltbarkeitsdatum und das Warenlos. Zum Zeitpunkt der Lieferung müssen dann aber sämtliche Pflichtangaben verfügbar sein.
Täuschungsschutz: neu auch für Kosmetika und Bedarfsgegenstände
Für Lebensmittel ist seit jeher ein explizites Täuschungsverbot vorgesehen, welches unverändert übernommen wurde (Art. 18 revLMG). Dieses verlangt, dass sämtliche Angaben über Lebensmittel den Tatsachen entsprechen müssen. Dieses Verbot wird durch zahlreiche Regelungen konkretisiert. Hierzu zählen namentlich die Vorgaben über nährwerts- und gesundheitsbezogene Angaben (sog. Health-Claims). Die massgeblichen Vorschriften in der «Kennzeichnungsverordnung» (LKV) wurden bereits im Jahr 2013 an diejenigen der EU angepasst (vgl. dazu BR-News vom 12. Dezember 2012 und BR-News vom 13. Juni 2012) und nun im Wesentlichen beibehalten. Die Health-Claims werden künftig jedoch primär durch die Verordnung des EDI betreffend die Information über Lebensmittel (LIV; insb. Art. 29 ff.) geregelt, welche die LKV ersetzt. Schliesslich besteht neu die Möglichkeit, für die Bewilligungserteilung verwendete wissenschaftliche Daten und Informationen zur Begründung einer gesundheitsbezogenen Angabe während fünf Jahren ab Datum der Bewilligung zu schützen (vgl. Art. 38 Abs. 4 revLGV).
Grundlegend ist sodann die Ausdehnung des Täuschungsverbots auf Kosmetika und Bedarfsgegenstände. Für diese galten bis anhin zwar ebenfalls (und gelten für die übrigen Gebrauchsgegenstände weiterhin) die allgemeinen Vorgaben des Lauterkeitsrechts (UWG). Auch danach sind unzutreffende, täuschende oder irreführende Angaben verboten. Eine zentrale Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage besteht deshalb vor allem im Vollzug: Die Einhaltung des Täuschungsverbots wird – anders als die Einhaltung des UWG – von den zuständigen Behörden überwacht und Verstösse verwaltungsrechtlich sanktioniert (vgl. BR-News vom 29. August 2012 und BR-News vom 4. August 2011). Darüber hinaus enthalten die Verordnungen auch hier zahlreiche Konkretisierungen, so namentlich in der Verordnung des EDI über kosmetische Mittel (VKos; bisherige Fassung; künftige Fassung). Darin wurden insbesondere Kriterien festgelegt, welche die Werbeaussagen für Kosmetika erfüllen müssen (Art. 10 revVKos).
Besondere Beachtung ist den Regeln hinsichtlich der Verwendung von Herkunftsangaben zu schenken. Hier gelten weiterhin auch die Vorgaben aus den sog. Swissness-Vorschriften im Markenschutzgesetz und den Ausführungsverordnungen (vgl. dazu BR-News vom 16. Februar 2016 und BR-News vom 24. Juni 2013). Die Einhaltung dieser Vorgaben wird weiterhin durch die für den Vollzug der Lebensmittelgesetzgebung zuständigen Behörden geprüft. Die Regeln der beiden Rechtsgebiete sind somit grundsätzlich parallel anwendbar, wobei sich die Angabe des Produktionslandes nach den Vorschriften des Lebensmittelrechts richtet.
Pflicht zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit
Neben dem Täuschungsverbot wird analog zum EU-Recht auch die Pflicht zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit, bisher in Art. 27 LMG, auf bestimmte Gebrauchsgegenstände ausgedehnt. Betroffen sind Bedarfsgegenstände, Spielzeug und kosmetische Mittel (Art. 28 revLMG). Die Regelung orientiert sich strikt an denjenigen der EU und verlangt von den Unternehmen, dass sie Systeme und Verfahren einrichten, damit den Behörden auf deren Verlangen Auskünfte über Lieferanten und Unternehmen, denen sie ihre Produkte geliefert haben, erteilt werden können. Die Rückverfolgbarkeit durch einen Betrieb ist demnach auch künftig nur eine Stufe vorwärts und eine rückwärts sicher zu stellen. Ausgenommen von dieser Pflicht ist die direkte Abgabe an Konsumenten (Art. 83 Abs. 2 lit. b revLGV). Für diesen Schritt muss die Rückverfolgbarkeit nicht sichergestellt sein.
Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen
Das revidierte Lebensmittelrecht tritt grundsätzlich am 1. Mai 2017 in Kraft. Gesundheitsrelevante Bestimmungen gelten ab diesem Datum. Für die Deklarationsvorschriften ist jedoch grundsätzlich eine Übergangsfrist von vier Jahren vorgesehen, um die Kosten für die Anpassungen von Verpackungsmaterial minimal zu halten.
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