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Am 22. November 2017 verabschiedete der Bundesrat den Entwurf und die Botschaft zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes. Im Zentrum der Gesetzesrevision steht die Modernisierung des Urheberrechts und dessen Anpassung an das Internet-Zeitalter. So sollen neu Hosting-Provider im Kampf gegen die Internetpiraterie in die Pflicht genommen werden. Zugunsten der Kulturschaffenden umfasst die Vorlage zudem die Verlängerung der Schutzfrist für Leistungsschutzrechte, den Schutz von Fotografien ohne individuellen Charakter sowie eine Video on Demand-Vergütung für Urheber und ausübende Künstler.
Vorschläge der AGUR12 als Basis
Der Entwurf des revidierten Urheberrechtsgesetzes basiert auf einem Kompromiss, auf den sich die verschiedenen Interessengruppen im Rahmen einer vom EJPD eingesetzten Arbeitsgruppe (AGUR12) geeinigt haben (vgl. hierzu bereits MLL-News vom 30.5.17 und MLL-News vom 23.5.16). Die Botschaft wurde zusammen mit dem Gesetzesentwurf an den National- und Ständerat für die parlamentarische Beratung überwiesen. Im Folgenden werden die wichtigsten Neuerungen erläutert.
Massnahmen zur Bekämpfung der Online-Piraterie
Auf zahlreichen Websites werden heute urheberrechtlich geschützte Werke, wie bspw. Filme, Musikstücke, Videogames und E-Books, illegal zum Download oder Streaming angeboten. Nach Ansicht des Bundesrates soll die Piraterie nun dort bekämpft werden, wo dies am Effizientesten erfolgen könne, nämlich bei den Hosting-Providern. Hosting-Provider sind Internetdienste, die ihren Kunden Speicherplatz auf einem mit dem Internet verbundenen Server zur Verfügung stellen. Hosting-Provider, die „eine besondere Gefahr solcher Rechtsverletzungen geschaffen haben, namentlich durch eine technische Funktionsweise oder durch eine wirtschaftliche Ausrichtung, die Rechtsverletzungen begünstigen“, sollen nun verpflichtet werden, dafür Sorge zu tragen, dass einmal entfernte Inhalte auch entfernt bleiben («Stay-down»). In der Praxis bedeutet das aber nicht, dass die betreffenden Hosting-Provider alle Inhalte auf ihren Servern überwachen müssen. Vielmehr haben sie manuell oder mit Hilfe von Software automatisiert zu prüfen, ob im Internet urheberrechtsverletzende Inhalte über Links, die auf ihre Server führen, angeboten werden. Stellt ein Hosting-Provider entsprechende Inhalte auf seinen Servern fest, muss er sie entfernen. Die gesetzliche Pflicht beschränkt sich aber nur auf diejenigen Massnahmen, die den Hosting-Providern unter Berücksichtigung der Gefahr solcher Rechtsverletzungen technisch und wirtschaftlich zuzumuten sind. Um präventiv das erneute Aufschalten urheberrechtsverletzender Inhalte zu unterbinden, können Hosting-Provider eine entsprechende Klausel in die Hosting-Verträge mit ihren Kunden aufnehmen.
Werden Urheberrechtsverletzungen über das Internet begangen, sind Rechtsinhaber bei der Dokumentierung solcher Verletzungen oft mit Schwierigkeiten konfrontiert, da sie meistens nicht wissen, wer die Verletzung begangen hat. In sog. Peer-to-Peer-Netzwerken können Computer sich über spezielle Software so vernetzen, dass urheberrechtlich geschützte Inhalte direkt unter den Teilnehmern geteilt werden. Um ein Strafverfahren einzuleiten, haben Rechtsinhaber den Strafverfolgungsbehörden bisher die IP-Adresse mitgeteilt, über welche Inhalte in urheberrechtsverletzender Weise geteilt wurden. Bislang war es umstritten, inwieweit eine solche Aufzeichnung von IP-Adressen datenschutzrechtlich zulässig ist (vgl. MLL-News vom 4.7.12, MLL-News vom 21.12.11 und MLL-News vom 5.12.10; ferner MLL-News vom 30.8.12). Mit der neuen Regelung wird nun eine gesetzliche Grundlage für die Datenbearbeitung zur strafrechtlichen Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen geschaffen. Zudem soll die Verwendung dieser Daten für die adhäsionsweise Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen oder für deren Geltendmachung nach abgeschlossenem Strafverfahren erlaubt sein. Die Datenbearbeitung darf aber nur soweit gehen, als dies zum Zweck der Strafantragsstellung oder der Strafanzeigeerstattung notwendig ist.
Verlängerung der Schutzfrist für Leistungsschutzrechte
Die Schutzfrist für die Leistungsschutzrechte (auch verwandte Schutzrechte oder Nachbarrechte genannt) der Interpreten und Hersteller von Ton- und Tonbildträgern soll von derzeit 50 auf neu 70 Jahre erhöht werden. Im Unterschied zur Regelung in der EU, die einen 70 Jahre dauernden Schutz nur für den Phonobereich gewährt, gilt die Verlängerung der Schutzdauer aus Gleichbehandlungsgründen auch für den audiovisuellen Bereich. Die Schutzfrist für Sendungen bleibt hingegen unverändert und erlischt 50 Jahre nach der Ausstrahlung. Die Schutzfrist von Darbietungen und Ton- oder Tonbildträgern, deren Schutzdauer bereits vor Inkrafttreten der neuen Schutzfrist abgelaufen war, lebt aber aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht wieder auf.
Erweiterung des Schutzes für Fotografien
Fotografien sind unter dem geltenden Urheberrechtsgesetz nur dann urheberrechtlich geschützt, wenn sie einen individuellen Charakter aufweisen. Das führt dazu, dass Fotografien, die z.B. das Zeitgeschehen dokumentieren, oder Produktfotografien auf handwerklich höchstem Niveau oft ungeschützt bleiben und von Dritten entschädigungslos genutzt werden können, ohne dafür die Erlaubnis der Fotografen einholen zu müssen. So hat das Bundesgericht bspw. einer Fotografie, die den ehemaligen Wachmann Christoph Meili mit zwei Folianten zeigt, den Schutz verweigert, da sie nicht den geforderten individuellen Charakter aufweise. Das Problem hat sich im Internet-Zeitalter noch verstärkt, da Fotografien einfach heruntergeladen und wieder verwendet werden können (vgl. zum Ganzen auch MLL-News vom 17.10.14 und MLL-News 14.3.16).
Geschützt sollen neu sowohl Fotografien von professionellen Fotografen (z.B. Pressefotografen) als auch Fotografien von Laien sein, z.B. alltägliche Familien- und Urlaubsfotos oder Produktbilder. Wie bei allen anderen Werken ist auch bei Fotografien der ästhetische Wert oder der Zweck der Aufnahme für die Schutzbegründung unerheblich. Ähnlich wie Fotografien hergestellte Erzeugnisse sind ebenfalls schutzfähig (z.B. Bilder, die durch Infrarot- oder Röntgenstrahlen entstehen, oder Abzüge eines Negativfilms). Aber auch Einzelbilder aus visuellen und audiovisuellen Werken (z.B. Filmstills) können geschützt sein. Automatisiert hergestellte Fotografien, wie bspw. Radarfotos, Fotos von Überwachungskameras oder von Kamerafallen, sind hingegen vom Schutzbereich ausgeschlossen, da es sich dabei um keine geistige Schöpfung der Literatur und Kunst handelt, d.h. ihnen kein menschliches Handeln zugrunde liegt.
Der neue Schutz der Rechte an Fotografien ohne individuellen Charakter weist Parallelen zum deutschen und österreichischen Lichtbildschutz auf. Er ist aber gesetzessystematisch anders konzipiert, da es sich materiell um eine Erweiterung des Urheberrechtsschutzes und nicht um die Schaffung eines Leistungsschutzrechts handelt. Die Schutzfrist ist begrenzt auf 50 Jahre ab der Veröffentlichung bzw. ab der Herstellung, falls keine Veröffentlichung erfolgte. Im Rahmen der übergangsrechtlichen Bestimmungen erfasst der Urheberrechtsschutz Fotografien auch dann, wenn sie vor Inkrafttreten des revidierten Urheberrechtsgesetzes geschaffen wurden. Das neue Recht ist jedoch nicht anwendbar auf einen unter altem Recht zulässigen abgeschlossenen Tatbestand, der unter dem neuen Recht als Rechtsverletzung zu qualifizieren wäre. Wurde z.B. in der Vergangenheit in einem Pressebericht eine (nicht individuelle) Fotografie genutzt, muss hierfür nachträglich keine Einwilligung eingeholt werden. Gleiches gilt aufgrund der Technologieneutralität des Urheberrechts auch in Bezug auf Internetsachverhalte. Sind auf einer Website Fotografien ohne individuellen Charakter enthalten, bleibt deren unveränderte Nutzung auch nach Inkrafttreten des revidierten Urheberrechtsgesetzes erlaubt.
Vergütung für Video on Demand
Die Vergütung für Video on Demand (VoD) zugunsten der Urheber (Drehbuchautoren, Regisseure etc.) und ausübenden Künstler (Schauspieler, Synchronsprecher etc.) komplementiert deren ausschliessliches Recht, ihre Werke und Darbietungen auf Anbieterplattformen auf Abruf zugänglich zu machen. Das On Demand-Recht (auch Online-Recht genannt) bleibt weiterhin frei auf die Produzenten übertragbar. In diesem Fall ziehen die Verwertungsgesellschaften die geschuldete Vergütung im Rahmen der zwingenden Kollektivverwertung direkt bei den Betreibern der VoD-Plattformen ein, mit denen die Produzenten Lizenzvereinbarungen getroffen haben. Das System der VoD-Vergütung ist beschränkt auf Filme von Schweizer Produzenten sowie auf Filme aus Ländern, die einen kollektiv wahrzunehmenden Vergütungsanspruch vorsehen (derzeit Argentinien, Belgien, Bulgarien, Frankreich, Französisch-Kanada, Italien, Luxemburg, Monaco, Polen und Spanien). Damit soll vermieden werden, dass es im internationalen Verhältnis zu Doppelvergütungen kommt.
Von der neuen Bestimmung werden einige Werkkategorien ausgenommen. Neben audiovisuellen Werken aus dem Bereich der Wirtschaftskommunikation geht es dabei vor allem um Dienst- und Auftragswerke von Fernseh- und anderen Medienunternehmen, z.B. durch das Unternehmen selbst oder in seinem Auftrag und auf seine Kosten produzierte Reportagen zur Tagesaktualität, Bildungsprogramme, Magazinsendungen und Unterhaltungsformate.
Die Verwertungsgesellschaften müssen die Höhe der Vergütung mit den Nutzerverbänden aushandeln und anschliessend den Tarif der Eidgenössischen Schiedskommission für die Verwertung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten (ESchK) zur Genehmigung vorlegen. Da der Tarif einer Angemessenheitskontrolle untersteht, wird sichergestellt, dass die Urheber und ausübenden Künstler in angemessener Weise entschädigt werden. Die zur Geltendmachung der Vergütung aufzustellenden Tarife können entweder an den Abonnementseinnahmen oder an den Werbeeinnahmen der VoD-Plattformen anknüpfen.
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