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Im Rahmen eines Generalunternehmervertrags war ein Projektleiter mit dem Bau mehrerer Einfamilienhäuser beauftragt. Infolge verstärkter Regenfälle kam es auf den Grundstücken zu erheblichen Wasserschäden. Da der Unternehmer sich weigerte, die Mängel zu beheben, waren die Eigentümer (Besteller) gezwungen, auf eigene Kosten einen Hochwasserschutz installieren zu lassen. Neben der Erstattung des Schadens, der durch die mit der Durchführung dieses Schutzplans verbundenen Kosten entstanden war, beantragten die Eigentümer, dass der Unternehmer zum Ersatz des Schadens verurteilt wird, der durch die Verminderung des Marktwerts ihres Eigentums im Zusammenhang mit dem (inzwischen behobenen) Mangel entstanden war. Diese letzte Frage ist das zentrale Problem, mit dem sich das Bundesgericht im Urteil vom 20. Mai 2019 (BGer 4A_394/2018) auseinandersetzen musste.
Nach einer rechtsvergleichenden Analyse, die sowohl das deutsche als auch das österreichische Recht umfasste, erinnerte das Bundesgericht an seine Rechtsprechung in Bezug auf mangelhafte Motorfahrzeuge, wonach der Verkehrswert die durch ein schädigendes Ereignis verursachte Wertverminderung einer Sache, unabhängig von ihrer technischen oder funktionellen Beeinträchtigung, mitumfasse. Dieser Minderwert beruhe auf der subjektiven Wahrnehmung potenzieller Käufer, die versteckte Mängel vermuten, obwohl die Immobilie einwandfrei repariert wurde. Das Bundesgericht wies jedoch auch darauf hin, dass der merkantile Minderwert im Laufe der Zeit abnehme, da das Fahrzeug mit der Zeit an Wert einbüsst, weshalb der merkantile Minderwert unbedeutend werde.
Im vorliegenden Fall behaupteten die Eigentümer, dass ein beschädigtes Fahrzeug, auch wenn es einwandfrei repariert wurde, nicht mehr den gleichen Wert habe wie ein nicht unfallbehaftetes Fahrzeug und gleichermassen eine durch einen Defekt beschädigte Immobilie (in diesem Fall durch das Eindringen von Wasser) auch nach ihrer Instandsetzung in den Augen eines potenziellen Käufers als weniger wertvoll angesehen werde.
Die Bundesrichter akzeptierten diese Argumentation aus theoretischer Sicht. Sie lehnten es jedoch ab, den Eigentümern eine Entschädigung für den merkantilen Minderwert zu gewähren, da in casu die in der Rechtsprechung festgelegten Bedingungen nicht erfüllt waren.
Es wurde in der Tat festgehalten, dass der merkantile Minderwert bei Immobilien mit der Zeit abnehme, da das Vertrauen des Marktes – während das schadenverursachende Ereignis langsam vergessen geht – wieder wächst. Für den Eigentümer entstehen also keine dauerhaften Schäden, sondern nur vorübergehende Schäden, von denen angenommen wird, dass sie nach maximal fünfzehn Jahren ihre Bedeutung verlieren. Folglich entschied das Bundesgericht, dass zur Berücksichtigung des vorübergehenden Charakters des Schadens die Entschädigung für den merkantilen Minderwert auf Fälle beschränkt werden müsse, in denen eine konkrete Vermögensminderung nachgewiesen werde. Konkrete Schäden, die dauerhaft sind und sich im Reinvermögen des Geschädigten niederschlagen, können sich entweder nach dem Verkauf der Immobilie ergeben – etwa wenn nachgewiesen werden kann, dass der Eigentümer wegen des fraglichen Schadensereignisses nur einen niedrigeren Kaufpreis erzielen konnte – oder unter anderen Umständen, die Anlass zu einer Bewertung der Immobilie geben, wie z.B. Enteignung oder Zwangsverwertung.
In diesem Fall hatte nur einer der Eigentümer seine Liegenschaft zu einem Preis von CHF 3.2 Millionen verkauft, wobei er nicht nachzuweisen vermochte, dass er dem Käufer aufgrund der ursprünglich vom Bauunternehmer verursachten Mängel einen Preisnachlass einräumen musste. Die anderen Eigentümer hatten ihr Eigentum nicht verkauft. Jegliche Schadenersatzansprüche aufgrund von merkantilem Minderwert wurden deshalb abgewiesen.
Dieses Urteil zeigt anschaulich, dass ein Schadenersatzersatzanspruch für den im Zusammenhang mit einem Mangel entstandenen merkantilen Minderwert einer Immobilie theoretisch möglich ist. Allerdings kann ein Eigentümer nur in ganz besonderen Fällen Ersatz für eine solche Wertminderung gegen einen Unternehmer (aber auch möglicherweise gegen einen Nachbarn oder gegen einen Dritten, der an der Immobilie Schaden verursacht hat) geltend machen.
Dieser News-Beitrag wurde von Fiona Scherrer und Cosima Trabichet-Castan verfasst.