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Die Olympischen Spiele von Rio sind am 21. August 2016 zu Ende gegangen. Für die Richter der CAS Anti-doping Division und der CAS ad hoc Division waren es arbeitsintensive Spiele. Die CAS Anti-doping Division behandelte insgesamt 7 Dopingfälle. Die CAS ad hoc Division hatte gar 28 Fälle zu entscheiden – ein neuer Rekord in der Geschichte der Olympischen Spiele. Nachfolgend liefern wir Ihnen einen Überblick über die aus sportrechtlicher Sicht interessantesten Entscheide sowie über die Institution der CAS ad hoc Division und der CAS Anti-doping Division.
Doppelbestrafung unzulässig: Yulia Efimova v. ROC, IOC & FINA und Anastasia Karabelshikova & Ivan Podshivalov v. FISA & IOC
In den Fällen der russischen Schwimmweltmeisterin Yulia Efimova und den Ruderern Anastasia Karabelshikova und Ivan Podshivalov entschied die CAS ad hoc Division, dass es nicht rechtens sei russische Athleten, welche in Ihrer Karriere bereits eine Dopingsperre verbüsst haben, von den Olympischen Sommerspielen in Rio auszuschliessen. Die CAS ad hoc Division hielt die entsprechende Regel des Internationalen Olympischen Komitees (Paragraph 3 des IOC-Entscheids vom 24.07.2016), für nicht durchsetzbar. Der absolute Charakter der Bestimmung verunmögliche es den Athleten die Vermutung der Schuld (vgl. hierzu Paragraph 2 des IOC-Entscheids vom 24.07.2016) zu entkräften und ihre Grundrechte wahrzunehmen. Die CAS ad hoc Division wies die entsprechenden Sportverbände folglich an Yulia Efimova, Anastasia Karabelshikova und Ivan Podshivalov die unverzügliche Startberechtigung zu erteilen. Mit ihrem Entscheid folgte die CAS ad hoc Division ihrer Rechtsprechung. Bereits 2011 hatte der Court of Arbitration for Sport (CAS) die sogenannte Osaka-Regel des IOC für nicht rechtmässig erklärt (CAS 2011/O/2422 USOC v. IOC). Die Osaka-Regel sah vor, Dopingsünder automatisch von den nächsten Olympischen Spielen auszuschliessen.
Sonderstartrecht: Darya Klishina v. IAAF
Im Fall Darya Klishina gegen den Internationalen Leichtathletik-Weltverband (IAAF) hatte die CAS ad hoc Division darüber zu entschieden, ob die russische Weitspringerin bei den Olympischen Spielen starten darf oder nicht. Die IAAF hatte Klishina zunächst ein Sonderstartrecht erteilt, weil sie seit 3 Jahren in den USA lebt und somit nicht dem russischen Doping-System angehöre. Aufgrund neuer von Prof. Richard McLaren eingebrachten Informationen (in Ergänzung zu seinem Untersuchungsbericht «McLaren Report» vom 18.07.2016) entzog der IAAF Doping Review Board (IAAF DRB) Klishina dieses Sonderstartrecht jedoch wieder. Für den IAAF DRB war es erwiesen, dass Klishina direkt ins staatlich-organisierte Dopingsystem eingebunden war. Es seien auch Doping-Proben von Klishina in Russland gefunden worden, welche illegal geöffnet wurden. Klishina erhob gegen diesen Entscheid Einspruch bei der CAS ad hoc Division. Diese gab dem Einspruch statt und erteilte Klishina als einziger russischer Leichtathletin die Starterlaubnis für die Olympischen Spiele. Klishina habe sachdienlich begründet, dass sie während der relevanten Zeit konforme Dopingtests („in- and out-of-competition“) ausserhalb von Russland bestanden habe. Die CAS ad hoc Division kam deshalb zum Schluss, dass der erste Entscheid der IAAF immer noch gültig sei. In ihrer Begründung hielt sie zudem ausdrücklich fest, dass sie bei ihrem Entscheid die Wettkampfregeln der IAAF berücksichtigt habe.
Keine Überprüfung von „field-of-play decisions“: Aurélie Müller v. FINA und Behdad Salimi & NOCIRI v. IWF
In den Fällen der französischen Schwimmerin Aurélie Müller und des iranischen Gewichthebers Behdad Salimi bestätigte die CAS ad hoc Division ihre langjährige Rechtsprechung wonach „field-of-play decisions“ einer Überprüfung durch die Richter des CAS nicht zugänglich sind – es sei denn die Spielregeln seinen von der Jury, dem Schiedsrichter oder einem anderen Offiziellen willkürlich oder in Bösgläubigkeit falsch angewendet worden. Bei Amélie Müller ging es um einen Vorfall am Ende des 10 Kilometer-Schwimmens, welcher zu ihrer Disqualifikation führte, bei Behdad Salimi um die nachträgliche Gültigkeitserklärung seines zweiten Versuchs 245 kg zu stemmen.
Die CAS Anti-doping Division
Die CAS Anti-doping Division feierte in Rio ihre Premiere. Zum ersten Mal in der Geschichte der Olympischen Spiele war der CAS erstinstanzlich für Doping-Angelegenheiten zuständig, welche sich aus den Olympischen Spielen ergeben. Dabei behandelte die CAS Anti-doping Division sämtliche Dopingfälle in Übereinstimmung mit den Anti-Doping-Regeln des IOC. Sie urteilte nach einer Parteianhörung und konnte vor Abschluss des Verfahrens auch vorläufige Suspensionen verhängen (zu den Verfahrensregeln). Die Präsidenten und Schiedsrichter der CAS Anti-Doping Division (sowie der CAS ad hoc Division) wurden vom International Council of Arbitration for Sport (ICAS) ausgewählt. Bei den Schiedsrichtern handelte es sich um von den Parteien unabhängige Anwälte, Richter oder Professoren, welche sich allesamt auf das Sportrecht oder die Schiedsgerichtsbarkeit spezialisiert haben (zur Schiedsrichterliste). Die Entscheide der CAS Anti-Doping Division konnten während den Olympischen Spielen an die CAS ad hoc Division in Rio weitergezogen werden. Seit dem Ende der Spiele ist der CAS in Lausanne als zweite Instanz zuständig.
Die CAS ad hoc Division
Die CAS ad hoc Division ist eine spezielle Kammer des Court of Arbitration for Sport (CAS) und wie dieser selbst ein Schiedsgericht im Sinne von Art. 176 ff. IPRG. Sie wird jeweils für die Olympischen Spiele gebildet und entscheidet innerhalb von 24 Stunden alle Streitigkeiten, welche im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen entstehen. Ihre Zuständigkeit beginnt 10 Tage vor den Olympischen Spielen und endet mit der Schlusszeremonie. Zum ersten Mal aktiv war sie an den Olympischen Sommerspielen von Atlanta 1996. Das Verfahren vor der CAS ad hoc Division ist kostenlos. Die Sportler können ihre Beschwerden selbst einreichen und sich von unentgeltlich arbeitenden Anwälten unterstützen lassen, welche vor Ort nominiert werden. Beim Verfahren selbst handelt es sich um ein Zivilverfahren, in welchem die Parteien in einem nicht-öffentlichen Hearing angehört werden und ihre Beweise selbst einbringen müssen (zu den Verfahrensregeln). Das Schiedsgericht (grundsätzlich bestehend aus 3 Schiedsrichtern; zur Schiedsrichterliste) entscheidet auf der Grundlage der Olympischen Charta, den Regeln der jeweiligen Sportverbänden und den allgemeinen Grundsätzen des Rechts. Gegen die Entscheide kann Beschwerde beim Schweizerischen Bundesgericht eingelegt werden (Art. 191 IPRG). Die Beschwerdegründe sind in Art. 190 IPRG aufgelistet.
Während den Olympischen Sommerspielen von Rio hatte die CAS ad hoc Division insgesamt 28 Fälle zu beurteilen, wovon 16 im Zusammenhang mit dem IOC-Entscheid vom 24.07.2016 hinsichtlich der Teilnahmeberechtigung russischer Athleten standen (CAS Media Release mit Kurzbeschreibung zu allen 28 Fällen). Der bisherige Rekord von 15 bearbeiteten Fällen an einer einzigen Olympiade (Sydney 2000) wurde somit deutlich übertroffen. In London 2012 beurteilte die CAS ad hoc Division 11 Fälle.
Weitere Informationen:
- Olympic Games Rio 2016 (Official Website)
- Court of Arbitration for Sport (CAS)
- International Council of Arbitration for Sport (ICAS)
- Olympic Charter in force as from 2 August 2016
- Code of Sports-related Arbitration
- Arbitration Rules applicable to the CAS Anti-doping Division
- Arbitration Rules applicable to the CAS ad hoc Division for the Olympic Games
- CAS OG 16/04 Yulia Efimova v. ROC, IOC & FINA
- CAS OG 16/13 Anastasia Karabelshikova & Ivan Podshivalov v. FISA & IOC
- Decision of the IOC Executive Board concerning the participation of Russian athletes in the Olympic Games Rio 2016
- CAS 2011/O/2422 United States Olympic Committee (USOC) v. International Olympic Committee (IOC), award of 4 October 2011
- CAS OG 16/24 Darya Klishina v. IAAF
- Independent McLaren Investigations Report
- CAS OG Aurélie Müller v. FINA
- CAS OG 16/28 Behdad Salimi & NOCIRI v. IWF
- CAS Media Release «Activities of the CAS Divisions at the Olympic Games Rio 2016»