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Ein erstinstanzliches Gericht im Kanton Solothurn hat sich kürzlich mit der Frage befasst, inwiefern die Gültigkeitsdauer von Gutscheinen beschränkt werden darf. Der Rechtsstreit entbrannte zwischen einem Konsumenten, welcher Tickets für Heissluftballonfahrten erworben hatte, und der Ballonfahrtanbieterin. Diese weigerte sich, nachdem die Fahrt aus gesundheitlichen Gründen nicht angetreten werden konnte, den Preis zurückzuerstatten und verwies auf die zweijährige Gültigkeitsdauer der Fahrscheine. Das Gericht kam zum Schluss, dass die Einlösefrist von zwei Jahren gegen die zwingende gesetzlich vorgesehene Verjährungsfrist von 10 Jahren verstosse und die Fahrscheine daher noch nicht verjährt seien. Nach Ansicht des Gerichts muss die Geltungsdauer von Gutscheinen oder Tickets somit grundsätzlich mindestens zehn Jahre betragen, soweit nicht ein Fall mit abweichender gesetzlicher Verjährungsfrist vorliegt. Die Klage des Konsumenten auf Rückerstattung des Kaufpreises wurde daher vollumfänglich gutgeheissen.
Ticket von Ballonfahrtanbieterin mit Geltungsdauer von zwei Jahren
Dem Entscheid lag folgender Sachverhalt zugrunde:
- Der Kläger hatte am 15. März 2016 telefonisch bei der Beklagten zwei Fahrscheine für eine Heissluftballonfahrt bestellt. Bereits damals wies er auf die Gehbehinderung seiner Frau hin, worauf die Beklagte versicherte, dass diese kein Problem darstelle.
- Da sich der Gesundheitszustand der Ehefrau in der Folge jedoch verschlechterte, wandte sich der Kläger an die Beklagte mit der Bitte um Rückerstattung des Kaufpreises.
- Diese verweigerte eine Rückerstattung und verwies lediglich auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), welche ein Ablaufdatum von zwei Jahren ab Kaufdatum vorsahen.
Der Kläger stellte sich auf den Standpunkt, dass die Tickets mindestens zehn statt bloss zwei Jahre gültig sein müssen. Er argumentierte zudem, die AGB erst nach zwei Jahren und somit zu spät erhalten zu haben. Die Beklagte wiederum machte geltend, dass das Ablaufdatum nicht nur in den AGB sondern auch auf den Fahrscheinen selbst vermerkt sei und die Fahrscheine daher zwei und nicht 10 Jahre einlösbar seien.
Beschränkte Gültigkeitsdauer von Gutscheinen als Kernfrage
Zentraler Streitpunkt des Verfahrens war die Frage, inwiefern die Gültigkeitsdauer der Tickets beschränkt werden darf. In dieser für die Praxis sehr wichtigen Frage, die meist im Zusammenhang mit Gutscheinen diskutiert wird, herrscht Uneinigkeit in der Rechtslehre und es bestehen kaum Urteile dazu. Es überrascht daher nicht, dass bei vielen Unternehmen Unsicherheit besteht. Rechtlich geht es darum, wie das in dem Gutschein oder Fahrschein verkörperte Recht zu qualifizieren ist und letztlich, ob die gesetzlichen Verjährungsfristen zwingend und unabänderbar zur Anwendung gelangen oder nicht (Art. 127 ff. OR).
Anwendbarkeit der gesetzlichen Verjährungsfrist von 10 Jahren
In seinem Urteil hielt das Gericht (Richteramt Thal-Gäu, TGZPR.2019.549-AGRSTB) zunächst fest, dass per Gesetz überall dort eine Verjährungsfrist von 10 Jahren vorgesehen sei, wo das Gesetz keine abweichende Frist aufgestellt habe, oder die Unverjährbarkeit vorsehe. Eine solche abweichende (kürzere) Frist von 5 Jahren ist beispielsweise auf Mietzinsforderungen oder Forderungen aus dem Kleinverkauf von Waren anwendbar (Art. 128 OR).
Die im Entscheid behandelten Ballonfahrscheine, so hielt das Gericht fest, seien jedoch kein Anwendungsfall der abweichenden gesetzlichen Fristen und es sei gesetzlich auch keine Unverjährbarkeit vorgesehen, weshalb grundsätzlich von einer Verjährung nach 10 Jahren auszugehen sei.
Unzulässige Abänderung der gesetzlichen Verjährungsfrist
In einem nächsten Schritt prüfte das Gericht, ob die Beschränkung der Gültigkeitsdauer der Fahrscheine auf zwei anstelle von 10 Jahren zulässig war. Hierzu hält das Gericht fest, dass gemäss Gesetz die innerhalb des dritten Titels des Obligationenrechts aufgestellten Verjährungsfristen durch die Beteiligten nicht durch Vertrag abgeändert werden können (Art. 129 OR). Für die weitere Argumentation verwies es auf einen Leitentscheid des Bundesgerichts, wonach eine vertragliche Bedingung, Forderungen innert zwei Jahren gerichtlich geltend machen zu müssen, gegen das Gesetz verstosse (BGE 132 III 285).
Im vorliegenden Fall ging es zwar nicht um eine Beschränkung der Frist zur «gerichtlichen» Geltendmachung. Das Solothurner Gericht war jedoch der Ansicht, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die bundesgerichtliche Rechtsprechung nur Fristen zur gerichtlichen Geltendmachung erfassen sollte. Bei einer faktischen Verkürzung der Verjährungsfrist spiele es keine Rolle, ob die vorzunehmende Handlung «gerichtlich» oder «aussergerichtlich» stattfinde. Es hielt fest, dass die gesetzliche Norm in Art. 129 OR alle mittelbar und unmittelbar wirkenden vertraglichen Regelungen ausschliessen soll, welche dazu dienen, die gesetzliche Verjährung zu verkürzen.
Auf den Sachverhalt angewendet war das Gericht der Ansicht, dass der einzige Zweck der Befristung der Fahrscheine durch die Heissluftballonfahrtanbieterin darin lag, klare Verhältnisse hinsichtlich der noch ausstehenden Leistungen zu schaffen. Die Beklagte verfolgte daher das verpönte Ziel, die zwingenden gesetzlichen Verjährungsfristen (Art. 127 f. OR) zu verkürzen.
Dementsprechend obsiegte der Kläger mit seinem Anliegen. Für die Fahrscheine ist die zehnjährige Verjährungsfrist gemäss Gesetz massgebend, weshalb die am 15. März 2016 bestellten Fahrscheine noch nicht verjährt und weiterhin gültig waren.
Jederzeitiges Kündigungsrecht und Rückerstattung des Kaufpreises
Da das Gericht den als Beförderungsvertrag qualifizierten Vertrag dem Auftragsrecht unterstellte, befand es in der Folge auch, dass der Beförderungsvertrag jederzeit gekündigt werden könne. Da der Anbieterin zudem zwischenzeitlich keine Kosten entstanden waren, entschied das Gericht des Weiteren, dass die Beklagte den vollen Kaufbetrag zurückzuerstatten habe.
Fazit und Anmerkungen
Insgesamt wurde die Klage somit vollumfänglich gutgeheissen. Mit dem Urteil erhält die juristische Diskussion, ob die Beschränkung der Gültigkeitsdauer von Gutscheinen zulässig ist, neuen Schwung und das Lager der «Gegner» weitere Unterstützung. Zu beachten ist jedoch, dass es sich bei dieser Entscheidung aus dem Kanton Solothurn lediglich um ein erstinstanzliches Urteil handelt. Die Streitfrage ist damit noch (lange) nicht geklärt. Dies gilt umso mehr, als sich das Gericht mit zahlreichen Aspekten, wie der rechtlichen Qualifikation des Fahrscheins bzw. Gutscheins und dessen Erwerb, nicht auseinandergesetzt hat. Beendet wird die Diskussion daher wohl frühestens dann sein, wenn das Bundesgericht dazu Stellung nimmt. Nachdem es der Gesetzgeber versäumt hat, im Rahmen der jüngsten Revision des Verjährungsrechts für Klarheit zu sorgen, wird weiterhin eine gewisse Rechtsunsicherheit bestehen bleiben.
Unternehmen, die weiterhin an einer beschränkten Gültigkeitsdauer von Gutscheinen festhalten und dies nicht auf dem Gutschein und/oder im Bestellprozess vermerken können, sollten deshalb umso mehr auch darauf achten, dass ein wirksamer und nachweisbarer Einbezug der AGB erfolgt. Neben der Gültigkeitsdauer wird es sich meist aufdrängen, darin auch weitere Anforderungen und Modalitäten für die Einlösung der Gutscheine vorzusehen. Da das Gericht vorliegend eine Abänderung der Verjährungsfrist (durch AGB) ohnehin für unzulässig hielt, musste es sich nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob die AGB im vorliegenden Fall überhaupt Vertragsbestandteil geworden sind. Hierfür wäre jedenfalls ein deutlicher Hinweis auf die Geltung der AGB sowie eine zumutbare Möglichkeit zur Kenntnisnahme vom Inhalt der AGB erforderlich, bevor der Konsument ein Angebot annimmt bzw. eine Bestellung abgibt. Die Umsetzung dieser Anforderungen im Zusammenhang mit Gutscheinen fällt in der Praxis nicht immer leicht und sollte sorgfältig geprüft werden.
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