Ihr Kontakt
Immer wieder kommt es vor, dass sich die Nutzer bei der Eingabe einer Internetadresse vertippen und dadurch auf eine falsche, absichtlich mit einem Tippfehler in der Adresse versehene Webseite gelangen. Unter welchen Umständen solche „Tippfehlerdomains“ wettbewerbs- oder namensrechtlich unzulässig sind, hat der deutsche Bundesgerichtshof kürzlich aufgezeigt. Der BGH hält fest, dass Tippfehlerdomains immer dann unzulässig sind, wenn der Nutzer nicht sofort und unübersehbar auf den Umstand hingewiesen wird, dass er sich nicht auf der eigentlich angesteuerten Seite befindet.
Tippfehlerdomains und „Typosquatting“
Bei der Eingabe einer Internetadresse kann es schnell passieren, dass sich jemand vertippt. Gewisse Webseitenbetreiber wollen davon profitieren und registrieren Internetadressen, die anderen ähnlich sind, jedoch einen Tippfehler enthalten (sog. „Typosquatting“). Einen solchen Fall hatte vor kurzem der deutsche Bundesgerichtshof zu beurteilen. Da Typosquatting ein Phänomen ist, das weltweit zu beobachten ist, und Rechtsprechung zum Thema in der Schweiz bisher fehlt, ist das Urteil auch für Schweizer Webseitenbetreiber von Interesse.
Im vom BGH beurteilten Fall klagte der Betreiber der Seite www.wetteronline.de gegen den Betreiber der Seite www.wetteronlin.de. Ersterer sah sich insbesondere in seinen Namensrechten verletzt. Ausserdem werde er dadurch, dass Nutzer, die auf seine Seite gelangen wollen, auf eine andere Webseite umgeleitet werden, in unlauterer Weise behindert. Er klagte aus diesem Grund auf Unterlassung und auf Löschung der fraglichen Domain.
Land- und Oberlandesgericht heissen Klage gut
Auf der Internetseite www.wetteronline.de sind Wetterprognosen abrufbar, die Seite www.wetteronlin.de hingegen leitete die Besucher auf eine Seite weiter, auf welcher Angebote zu privaten Krankenversicherungen zu finden waren. Obwohl die angebotenen Dienstleistungen also nicht ähnlich oder vergleichbar waren, verpflichteten sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Köln den Inhaber der „Tippfehlerdomain“ unter anderem zur Unterlassung dieser Verwendung und zur Einwilligung in die Löschung des Domainnamens.
Kein Schutz für Domainname „wetteronline.de“
Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts erhob der mutmassliche „Typosquatter“ ein Rechtsmittel an den BGH. Dieser hob daraufhin das vorinstanzliche Urteil auf und wies die Sache an das Oberlandesgericht zurück.
Anders als die beiden Vorinstanzen ist der BGH nicht der Auffassung, dass der Domainname www.wetteronline.de unterscheidungskräftig und damit durch das Namensrecht geschützt ist. Der Begriff „wetteronline“ sei beschreibend, denn er bezeichne lediglich den Tätigkeitsbereich des Domainnameninhabers, der im Internet („online“) Informationen und Dienstleistungen zum Thema „Wetter“ anbiete.
Tippfehlerdomains ohne „Hinweis“ sind wettbewerbsrechtlich unzulässig
Das Verhalten des Inhabers der Tippfehlerdomain beurteilte der BGH jedoch als Verstoss gegen das Verbot unlauterer Behinderung (vgl. § 4 Nr. 10 des deutschen UWG). Wenn der Nutzer nicht sofort und unübersehbar auf den Umstand hingewiesen werde, dass er sich nicht auf der Seite www.wetteronline.de befinde, handle es sich um eine gezielte, unlautere Behinderung. Eine Löschung des Domainnamens liess der BGH jedoch auch gestützt auf das Lauterkeitsrecht nicht zu, weil eine rechtlich zulässige Nutzung des Domainnamens denkbar sei und in der blossen Registrierung noch keine unlautere Behinderung liege.
Kommentar und Ausblick
Die Urteilsbegründung steht noch aus. Veröffentlicht hat der BGH erst eine kurze Pressemitteilung. Einige zentrale Fragen sind deshalb noch offen.
Unklar ist insbesondere, wie der Passus zu interpretieren ist, wonach eine unlautere Behinderung nur dann vorliegt, „wenn der Nutzer auf der sich öffnenden Internetseite nicht sogleich und unübersehbar auf den Umstand hingewiesen wird, dass er sich nicht auf der Seite ,wetteronline.de‘ befindet“. Fraglich ist in diesem Zusammenhang insbesondere, ob die Nutzung einer Tippfehlerdomain unabhängig von den darunter abrufbaren Inhalten rechtlich nur dann zulässig ist, wenn ein ausdrücklicher Hinweis auf die „richtige“ Internetseite erfolgt. Oder sind auch rechtmässige Nutzungen denkbar, bei denen ein solcher Hinweis nicht erforderlich ist, namentlich weil der Nutzer sofort erkennt, dass es sich – wie vorliegend – zweifellos nicht um eine Webseite handelt, auf der Informationen zum Wetter angeboten werden? Aus der kurzen Pressemitteilung lässt sich diesbezüglich nichts Konkretes ableiten. Auf die Urteilsbegründung darf man deshalb gespannt sein.
Update: Die Urteilsbegründung liegt nun vor. Lesen Sie dazu den Beitrag von Fabian Reinholz (HÄRTING Rechtsanwälte, Berlin) vom 09.04.2014.
Weitere Informationen:
- Pressemitteilung des BGH vom 22.01.2014 (Urteil I ZR 164/12)
- Urteil 6 U 187/11 des OLG Köln vom 10.02.2012
- Urteil 81 O 42/11 des LG Köln vom 09.08.2011
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann