Trennungsgebot

Trennungsgebot beim Native Advertising und Influencer Marketing – strengere Vorgaben des Presserats und der Fall „Flying Uwe“


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Ausgelöst durch das „Native Advertising“ des Online-Newsportals „watson.ch“ hat der Schweizer Presserat, als Beschwerdeinstanz für medienethische Fragen, im Juli seine Vorgaben zum Trennungsgebot verschärft. Nach den angepassten Richtlinien müssen nicht mehr nur Inserate und Werbung, sondern auch „bezahlte oder durch Dritte zur Verfügung gestellte Inhalte“ gestalterisch klar von redaktionellen Beiträgen getrennt werden. Sind sie optisch oder akustisch nicht eindeutig als solche erkennbar, müssen sie neu explizit als „Werbung“ deklariert werden. Ein auch für Schweizer Anbieter gebotener Blick nach Deutschland zeigt sodann, dass das Trennungsgebot nicht nur von „Selbstregulierungsorganen“, sondern auch durch die Behörden und vor Gericht durchgesetzt wird. So wurde der Influencer „Flying Uwe“ kürzlich mit einer Busse in der Höhe von 10‘500 Euro sanktioniert, weil er Youtube-Videos veröffentlichte, worin er Produkte ausgiebig positiv darstellte, ohne diese als „Dauerwerbesendung“ zu kennzeichnen.

Native Advertising, Content Marketing und der Fall von watson.ch

In Anbetracht der sinkenden Einnahmen aus dem klassischen Werbegeschäft und der verbreiteten Aversion gegenüber Werbung, setzt die Branche vermehrt auf Massnahmen, die mit Bezeichnungen „Native Advertising“ oder „Content Marketing“ umschrieben werden. Das Publikum soll dadurch mit redaktionellen Inhalten versorgt werden, die Werbung transportieren, ohne aber selbst klassische Werbung zu sein. Ziel des „native Advertising“ ist es, die Werbung an das „gewohnte Umfeld“ des Publikums, d.h. an den redaktionellen Teil einer Publikation, anzupassen, um mehr Aufmerksamkeit zu generieren.

Im aktuellen Fall beschwerte sich eine Studentin der Kommunikationswissenschaften beim Presserat über einen Beitrag auf der Online-Newssite watson.ch, welche laut Presserat rund einen Viertel ihres Umsatzes mit Native Advertising erzielt. Watson präsentierte im Herbst 2015 ein von der Redaktion erstelltes Quiz, mit dem der Leser ermitteln sollte, „Welche Outdoor-Sportart am zu dir passt“. Die Ausgestaltung des Beitrags wird vom Presserat wie folgt zusammengefasst:

„Auf den Fragenkatalog folgte die Werbe-Einblendung einer Krankenversicherung, die auf das Quiz-Ergebnis Bezug nahm, aber grafisch unterschiedlich gestaltet war. Fragenkatalog und Werbung waren mit dem Hinweis «Präsentiert von …» und dem Logo der Versicherung gekennzeichnet, die für die Veröffentlichung von beidem gezahlt hatte.“

Entscheid des Presserats: Watson hat bisherige Richtlinien nicht verletzt

Gemäss der Stellungnahme des Presserats vom 23. Juni 2017 (Nr. 15/2017) legt Watson Wert auf die interne Regel, dass seine Autoren den Auftraggeber der mit ihrem Beitrag kombinierten Werbung vor der Veröffentlichung nicht kennen. Die Redaktion habe jedoch in ihrer ausführlichen, aussergewöhnlich offenen und nicht bloss auf Ablehnung der Beschwerde gerichteten Eingabe eingeräumt, dass Anzeigekunden prinzipiell das Recht hätten, den Inhalt von Native-Advertising-Elementen zu akzeptieren oder abzulehnen.

Im vorliegenden Fall war nicht bekannt, ob der Anzeigekunde von diesem Angebot Gebrauch gemacht hat. Hätte der Kunde Einfluss auf den redaktionellen Inhalt Einfluss genommen, wäre Ziffer 10 der „Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten“ verletzt gewesen, welche diesen verbietet, von Werbetreibenden Bedingungen für ihre Arbeit zu akzeptieren. In seinen abschliessenden Feststellungen ergänzte der Presserat zudem:

„Dadurch, dass «watson» Auftraggebern von Native Advertising jedoch im Prinzip die Möglichkeit einräumt, vor Freischaltung eines entsprechenden Beitrags nicht nur das geplante Inserat, sondern auch den begleitenden redaktionellen Text zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern, gehört ein potenzieller Verstoss gegen Ziffer 10 der «Erklärung» sozusagen zum Geschäftsmodell. Der Presserat empfiehlt Anbietern von Native Advertising daher, die inhaltliche Mitsprache ausdrücklich auf Inserate zu beschränken.“

In Bezug auf das in der Richtlinie des Presserats zur „Erklärung“ enthaltene Trennungsgebot (Ziff. 10.1) konnte der Presserat sodann keinen „zweifelsfreie Verletzung“ feststellen. Mit dem strittigen Beitrag habe Watson zwar nicht Werbung betrieben, aber dazu beigetragen, Werbung zu transportieren. Im Fall des Native Advertising rücken Redaktion und Werbung sehr eng zusammen, bilden sogar eine redaktionelle Einheit, führt der Presserat weiter aus. Zugleich sei jedoch Watsons „Outdoor-Quiz“ und die Werbebotschaft der Krankenversicherung typografisch und layouterisch deutlich voneinander abgesetzt.

Für den Fall, dass Werbung optisch nicht eindeutig als solche erkennbar ist, forderte Ziff. 10.1 der Richtlinie ferner eine explizite verbale Kennzeichnung als solche und gab dafür die Begriffe „Anzeigen“, „Werbung“, „Werbereportage“ oder „Werbespots“ vor. Allerdings war auch eine Deklaration durch „andere dem Publikum geläufige vergleichbare Begriffe“ gestattet. Über dem strittigen Beitrag stand „präsentiert von…“. Gemäss Presserat handelt es sich dabei jedoch um eine gängige Bezeichnung für gesponserte Medienberichte. Die Bezeichnung sei insofern ungenau und könnte von Ziff. 10.2 der Richtlinie betr. Sponsoring erfasst werden. Dem Nutzer erschliesse sich damit nicht, dass er sich im Umfeld von Native Advertising befinde. Da es sich im vorliegenden Fall aber weder um Sponsoring noch um eine Gefälligkeitsberichterstattung handle, liege auch kein Verstoss gegen diese Vorgaben vor. Laut der Zusammenfassung seiner Stellungnahme wäre es jedenfalls transparenter, wenn von Werbekunden bezahlte Medienbeiträge statt mit verschleiernden Hinweisen wie „präsentiert von…“ durch den Hinweis „Bezahlt von…“ gekennzeichnet würden.

Ausgehend davon wurde die Beschwerde zwar abgewiesen, in der Stellungnahme abschliessend jedoch Folgendes festgehalten:

„Wie die Redaktion selber einräumt, bewegt man sich hier in einem sehr problematischen Bereich. Es geht darum, Werbebotschaften einer Leserschaft, welche diese eigentlich nicht konsumieren will, dennoch zuzuführen. Und es geht hier gleichzeitig um einen Bereich, der innert kurzer Zeit eine ökonomisch sehr grosse Rolle spielen wird. Für den Presserat zentral ist das Kriterium der Transparenz: Bestehen für die Nutzerinnen und Leser von Native-Advertising-Beiträgen klare Verhältnisse bzw. ist für sie ohne Weiteres erkennbar, dass sie sich in einem Werbeumfeld bewegen? Der Presserat nimmt diese Frage auf und wird prüfen, ob ergänzende Richtlinien erlassen werden sollen, um Native Advertising inhaltlich zu erfassen.“

Anpassung der Richtlinie: auch bezahlte Inhalte sind explizit als „Werbung“ zu bezeichnen

In der Medienmitteilung vom 28. Juni 2017 verkündete der Presserat sodann, dass er seine Richtlinien zum Trennungsgebot und zum Sponsoring angepasst hat. Nach der angepassten Richtlinie müssen nicht mehr nur Inserate und Werbung, sondern auch „bezahlte oder durch Dritte zur Verfügung gestellte Inhalte“ gestalterisch klar von redaktionellen Beiträgen getrennt werden. Sind sie optisch oder akustisch nicht eindeutig als solche erkennbar, müssen sie neu explizit als „Werbung“ deklariert werden. Demgegenüber sind andere dem Publikum geläufige Bezeichnungen wie „Werbereportage“ nicht mehr ausdrücklich erlaubt.

Die Ziffer 10.2 der Richtlinie betr. Sponsoring wurde sodann nur dahingehend ergänzt, dass bei Pressereisen erwähnt werden müsse, wer die Kosten übernommen hat.

Die neuen Richtlinien gelten bereits seit dem 1. Juli 2017.

Trennungsgebot beim Influencer Marketing und der Fall „Flying Uwe“

Das Trennungsgebot wurde auch dem deutschen Youtuber „Flying Uwe“ zum Verhängnis. Auf zwei Kanälen mit über einer Million Abonnenten stellt der Hamburger regelmässig Fitnessprodukte, wie etwa Proteinpulver, vor und präsentiert diese mitunter in positiver Form. Die Präsentationen waren allerdings nicht als Werbung gekennzeichnet.

Im November 2016 forderte die Medienanstalt Hamburg / Schleswig-Holstein (MA HSH) den Youtuber daher auf, einige seiner Videos und die zugehörigen Videobeschreibungen auf YouTube als Werbung zu kennzeichnen. In der Folge passte er die Beschreibungen teilweise an. Bei Videos, in denen der YouTuber Produkte von Unternehmen präsentiert, dessen Geschäftsführer er ist, fehlten aber weiterhin Werbekennzeichnungen.

Im Juni 2017 hat der Medienrat der MA MSH „Flying Uwe“ deshalb mit einer Busse in der Höhe von 10‘500 Euro sanktioniert. Begründet wird dies damit, dass auch für Telemedien die Werbegrundsätze des deutschen Rundfunktstaatsvertrags gelten, wenn Anbieter „fernsehähnliche Inhalte“ produzieren. Dieser enthält ein Trennungsgebot und verlangt, dass Dauerwerbesendungen zu Beginn als solche angekündigt und während ihres gesamten Verlaufs als solche gekennzeichnet werden.

Der Fall von Flying Uwe macht deutlich, dass das Trennungsgebot nun auch im Bereich des Influencer Marketings zur Durchsetzung gelangt. Die Hamburger Behörde hat denn auch 30 andere Betreiber von YouTube-Kanälen zur Kennzeichnung ihrer Beiträge aufgefordert. Die Anwendung der Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrags auf Betreiber von YouTube-Kanälen ist zwar nicht unumstritten, jedoch ist das Trennungsgebot auch in zwei weiteren deutschen Gesetzen verankert: im Telemediengesetz (TMG) und im UWG. Gestützt auf das Letztgenannte hat der „Verband Sozialer Wettbewerb“ gemäss Medienberichten denn auch kürzlich zahlreiche YouTuber abgemahnt. Schliesslich ist zu beachten, dass gemäss einem Entwurf des EU-Parlaments das Trennungsgebot und weitere Vorgaben der Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste künftig auch für Betreiber von YouTube-Kanälen gelten sollen.

Durchsetzung des Trennungsgebots in der Schweiz

Das Trennungsgebot ist auch in der Schweiz ein unbestrittener und zentraler Grundsatz des Werberechts. So findet er sich nicht nur in den Richtlinien des Presserats und den Grundsätzen der Schweizerischen Lauterkeitskommission (Nr. 3.12), sondern ist auch im Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (Art. 9 Abs. 1 RTVG) explizit verankert. Die Aufsicht über die Einhaltung der Werbevorschriften unterliegt grundsätzlich dem Bundesamt für Kommunikation (BAKOM), welches u.U. auch finanzielle Sanktionen verhängen kann. Die Vorgaben des RTVG gelten aber regelmässig nicht für Online-Inhalte, da diese zum Abruf bereitstehen und ihnen deshalb der Programmcharakter fehlt.

Darüber hinaus ist anerkannt, dass ein Verstoss gegen das Trennungsgebot ein unlauteres Verhalten im Sinne der Generalklausel des Schweizer UWG (Art. 2) darstellen kann. Verstösse gegen Art. 2 UWG führen allerdings nur selten zu gerichtlichen Verfahren. Die Durchsetzung des Trennungsgebots erfolgt daher, wenn überhaupt, primär auf der Ebene der Selbstregulierung. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass der Presserat seine Zuständigkeit für Online-Publikationen bejaht (vgl. Stellungnahme Nr. 60/2012; ferner bereits grundlegend in Stellungnahme Nr. 36/2000). Gleiches gilt auch für audiovisuelle Inhalte (https://www.presserat.ch/_02_2017.htm). Denn gemäss Art. 2 seines Geschäftsreglements erstreckt sich die Zuständigkeit des Presserats „auf den redaktionellen Teil oder damit zusammenhängende berufsethische Fragen sämtlicher öffentlicher, periodischer und/oder auf die Aktualität bezogener Medien.“ Diese Voraussetzungen können auch bei Blogbetreibern oder YouTubern erfüllt sein. Konkrete Sanktionen drohen in Verfahren des Presserats jedoch keine.

Dies bedeutet aber nicht, dass bei Missachtung des Trennungsgebots durch Anbieter von Online-Inhalten mit Sitz in der Schweiz stets keine ernstlichen rechtlichen Konsequenzen drohen. Denn die Inhalte dürften nur selten ausschliesslich auf das Schweizer Publikum ausgerichtet sein. Vielmehr wird vielfach (zumindest auch) eine Ausrichtung auf deutsche Verbraucher vorliegen. Dies führt grundsätzlich zur Zuständigkeit der deutschen Gerichte und zur Anwendung von deutschem Recht, unabhängig davon, ob die Anbieter ihren Sitz in der Schweiz haben oder nicht. In diesem Fall drohen auch Schweizer YouTubern und Blogbetreibern Verfahren und Sanktionen in Deutschland oder aber zumindest Abmahnungen mit der Aufforderung zur Unterzeichnung von Unterlassungserklärungen. Auch deshalb empfiehlt sich Schweizer Anbietern, auf Schleichwerbung zu verzichten und das Trennungsgebot einzuhalten.

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