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Auf den 1. Januar 2011 werden die neuen standardisierten Lieferklauseln der Internationalen Handelskammer (ICC), die Incoterms 2010, in Kraft treten. Dies bietet für Unternehmen die Gelegenheit, die bestehenden Lieferstrukturen und die Lieferverträge (inkl. AGB) für den nationalen und internationalen Handelsverkehr zu überdenken und allenfalls anzupassen. Vor diesem Hintergrund soll nachfolgend – in Ergänzung zu unserem Beitrag vom 1.10.2010 – ein Überblick über die neuen Regeln gegeben werden.
Zunächst ist allgemein darauf hinzuweisen, dass die Incoterms jeweils nur zur Anwendung kommen, wenn sie von den Parteien gültig in ihre Verträge einbezogen wurden. Bereits hier ist Vorsicht geboten. Insbesondere muss geklärt werden, nach welchem nationalen Recht zu beurteilen ist, ob die Einbeziehung der Incoterms den rechtlichen Anforderungen entspricht. Ferner muss die Formulierung des Einbezugs korrekt und unmissverständlich sein, d.h. sie muss das Kürzel der jeweiligen Klausel, den jeweiligen Liefer-, Übergabe- oder Bestimmungsort bzw. -Hafen und die Incoterms-Version beinhalten (z.B. FCA Zürich, Incoterms® 2010). Grundlegend ist schliesslich auch, dass die Incoterms lediglich spezifische Rechte und Pflichten sowie die Kosten- und Risikotragung festlegen. Viele zentrale Fragen der Vertragsgestaltung, insbesondere im Zusammenhang mit dem Zustandekommen des Vertrags, dem Eigentumsübergang oder Eigentumsvorbehalt, den Zahlungsbedingungen oder den Folgen von Vertragsverletzungen sind nicht Gegenstand der Incoterms.
Wie bereits unserem Beitrag vom 1.10.2010 dargestellt, wurden die «Incoterms 2000» aufgrund von Neuerungen in der Handelspraxis überarbeitet und entsprechend angepasst. Allgemeine Änderungen haben sichgemäss der ICC insbesondere auch aufgrund der elektronischen Kommunikation aufgedrängt. Neu ist zwar bei allen Klauseln vorgesehen, dass sämtliche Dokumente durch elektronische Mitteilungen ersetzt werden dürfen. Dies gilt jedoch nur, sofern dies der praktischen Übung entspricht oder von den Parteien zusätzlich vereinbart wurde. Demnach ist diesbezüglich nach wie vor eine ausdrücklich vertragliche Regelung zu empfehlen, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass gewisse Rechtsvorschriften die Vorlage oder tatsächliche Übergabe von schriftlichen Dokumenten verlangen.
Ferner wurde im Vergleich zu den Incoterms 2000 die jeweilige Regelung der Güterversicherung bzw. der Versicherungspflicht konkretisiert. Zu beachten ist hier, dass für die gegebenenfalls abzuschliessenden Transportversicherungsverträge seit 2009 auf die neueste Version der standardisierten Versicherungsbedingungen und Musterklauseln «Institute Cargo Clauses» (herausgegeben von der International Underwriting Association of London (IUA)) Bezug genommen werden kann.
Aufgrund der geänderten Gefahrenlage ist in allen Klauseln auch die Verpflichtung des Verkäufers eingeführt worden, auf Verlangen (sowie Kosten und Risiko) des Käufers alle für die Sicherheitsüberprüfung der Ware erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Dies ist insbesondere auch im Zusammenhang mit dem sog. «Security Amendment» zum EU-Zollkodex von Bedeutung (vgl. dazu BR-News vom 21.5.2010). Neu ist zudem bei allen Klauseln klargestellt worden, dass sich die Pflicht zur Bereitstellung von Informationen und Dokumenten für die Einfuhr und den Transport auch auf die sicherheitsrelevanten Informtionen bezieht.
Die Grundzüge der einzelnen Klauseln der alten «Incoterms 2000» sind auch in den Klauseln «Incoterms 2010» wieder aufgenommen worden. Jedoch wurden vier Klauseln gestrichen (DAF, DES, DEQ und DDU) und durch zwei neue (DAT und DAP) ersetzt. Diese beiden neuen Klauseln gehören (neben EXW, FCA, CPT, CIP und DDP) zu der Gruppe von Klauseln, die für alle Transportarten verwendet werden können. Wie bei allen «D-Klauseln» sind die Verpflichtungen des Verkäufers jeweils erst im Ankunftsland erfüllt, d.h. er trägt die gesamten Transportkosten und Risiken bis zum vereinbarten Bestimmungsort. Bei der DAP-Klausel (Delivered at Place) wird die Ware dem Käufer auf dem ankommenden Beförderungsmittel entladebereit zur Verfügung gestellt. Die Einfuhrverzollung sowie die Importformalitäten (inkl. MwSt) obliegen dabei dem Käufer. Ähnliches gilt für die DAT-Klausel (Delivered at Terminal), jedoch mit dem Unterschied, dass die Ware dem Käufer entladen zur Verfügung gestellt wird.
In Bezug auf die reine Abholklausel «EXW» (Ex Works) wird neuerdings deutlich darauf hingewiesen, in welchen Fällen deren Anwendung ungeeignet oder problematisch ist. Dies gilt insbesondere, wenn im Exportland gesetzlich nur der Exporteur eine Ausfuhrgenehmigung beantragen kann. Vereinzelte Änderungen wurden auch bei der Gruppe der «F-Klauseln» vorgenommen. Im Allgemeinen zahlt der Verkäufer hier den Haupttransport nicht. Der Kosten- und Gefahrenübergang ist jeweils der Zeitpunkt der Übergabe im Exportland. Neu ist insbesondere bei der FOB-Klausel (Free on Board), die nur für den Schiffstransport geeignet ist, dass die Ware an Bord des benannten Schiffs im benannten Verschiffungshafen zu liefern ist. Bis anhin war hier der Gefahren- und Kostenübergang ausdrücklich erst bei der Überschreitung der Schiffreling im benannten Verschiffungshafen. Folglich geht die Gefahr neu über, wenn die Ware im Ladevorgang auf die Planken gesetzt oder auf dem Ladedeck abgesetzt wird. Deshalb kann die FOB-Klausel unter Umständen für Waren in Containern ungeeignet sein, da die Ware dem Frachtführer übergeben wird, bevor sie sich auf dem Schiff befindet.
Bei den «C-Klauseln», welche aufgrund des Auseinanderfallens von Kosten – und Gefahrenübergang auch als Zweipunktklauseln bezeichnet werden, sind zusätzliche Regelungen zur Kostentragung, insb. auch bezüglich Umschlagsgebühren, eingefügt worden. Dadurch sollen allfällige doppelte Belastungen des Käufers vermieden werden können. Bei den Klauseln CFR (Cost and Freight) und CIF (Cost, Insurance, Freight) ist der Gefahrenübergang neu an Bord des Schiffes im Verschiffungshafen und nicht mehr bei der Überschreitung des Schiffrelings.
Alles in allem ist das neue Regelwerk durchaus zu begrüssen. Die überarbeiteten Regelungen verschaffen mehr Klarheit und beugen letztlich Meinungsverschiedenheiten über die Vertragsauslegung vor. Zur Vermeidung von Streitigkeiten aufgrund der Neuerungen ist für die Praxis eine Überprüfung der bestehenden Lieferstrukturen und Lieferverträge (inkl. AGB) empfehlenswert, auch wenn die Mehrheit der neuen Klauseln mit den Vorgängerregelungen der Incoterms 2000 übereinstimmt.
Weitere Informationen:
- Pressemitteilung der ICC
- BR-News: «Incoterms 2010»
- BR-News: «Zoll: „Security Amendment“ – 24 h-Regel im Verkehr CH-EU wird verhindert»
- FAQs zu den Incoterms
- Online-Shop der ICC (Bezug der Incoterms 2010)
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann