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Anfangs 2020 tritt eine wichtige Revision des schweizerischen Verjährungsrechts in Kraft. Die Revision bringt längere Verjährungsfristen bei Personenschäden mit sich. Zudem werden die relativen Verjährungsfristen bei unerlaubten Handlungen sowie ungerechtfertigter Bereicherung von einem auf drei Jahre verlängert.
Hintergrund der Revision
Im Juni 2018 hat das schweizerische Parlament eine Änderung des Obligationenrechts (OR) angenommen, mit welchem diverse Bestimmungen zum Verjährungsrecht revidiert werden. Der Bundesrat hat im November 2018 beschlossen, dass die revidierten Bestimmungen per 1. Januar 2020 in Kraft treten.
Die Revision war massgeblich durch Asbest-Fälle beeinflusst. Unter dem geltenden Recht ist es möglich, dass die Ansprüche von Asbest-Opfern verjähren, bevor überhaupt Asbest-bezogene Erkrankungen diagnostiziert werden können. Im März 2014 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in der Sache Howald Moor und andere v. Schweiz geurteilt, dass die schweizerischen Verjährungsbestimmungen in solchen Fällen einer Verletzung von Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK, «Recht auf ein faires Verfahren») gleichkommen.
Ungeachtet dessen betrifft die nun in Kraft tretende Revision des Verjährungsrechts nicht nur Fälle von Personenschäden, sondern bringt auch diverse weitere wichtige Neuerungen mit sich. Diese werden nachfolgend kurz dargestellt.
Hauptänderungen bezüglich Verjährungsfristen
Die nachfolgende Tabelle liefert einen Überblick über zentrale Verjährungsfristen unter dem revidierten Recht im Vergleich zum geltenden Recht. Kursive Ausführungen bedeuten, dass materiell keine wesentlichen Anpassungen erfolgen, obschon der Wortlaut des Gesetzes teilweise neu gefasst wurde.
Zusammenfassend sind als wichtigste Änderungen die verdreifachten relativen Verjährungsfristen bei unerlaubten Handlungen und ungerechtfertigter Bereicherung (drei Jahre statt ein Jahr) sowie die neuen Sonderregelungen für Personenschäden, wo neu eine zwanzigjährige absolute Verjährungsfrist gilt, zu betrachten.
Übergangsbestimmungen / Anwendung des neuen Verjährungsrechts auf vorbestehende Ansprüche
Die verlängerten Verjährungsfristen im revidierten Obligationenrecht gelten für sämtliche Ansprüche, welche bei Inkrafttreten der Revision (d.h. am 1. Januar 2020) noch nicht verjährt sind (revArt. 49 Abs. 1 SchlT ZGB). In anderen Worten profitieren sämtliche Forderungen, welche nicht spätestens am 31. Dezember 2019 verjähren, von einer Verlängerung der Verjährungsfrist. Dies ist von besonderer Bedeutung bei Forderungen aus unerlaubten Handlungen sowie ungerechtfertigter Bereicherung, da dort die bisherigen kurzen einjährigen relativen Verjährungsfristen um zwei weitere Jahre verlängert werden.
Im Gegensatz dazu gelten die bisherigen Verjährungsfristen weiter, wo das revidierte Verjährungsrecht kürzere Verjährungsfristen vorsieht (revArt. 49 Abs. 2 SchlT ZGB). Dies betrifft namentlich vertragliche Ansprüche bei Personenschäden. Die neue dreijährige relative Verjährungsfrist unter dem revidierten Recht ist unter Umständen auf solche Forderungen nicht anwendbar, da das geltende Recht noch gar keine relativen Verjährungsfristen für derartige Forderungen vorsieht.
Weitere Änderungen im revidierten Verjährungsrecht
Zusätzlich zu den vorstehend dargestellten geänderten Verjährungsfristen sieht das revidierte Obligationenrecht diverse weitere Neuerungen im Verjährungsrecht vor. Einige davon werden nachfolgend aufgelistet:
- Verjährungsfristen beginnen nicht oder stehen still, solange eine Forderung aus objektiven Gründen vor keinem Gericht weltweit geltend gemacht werden kann (revArt. 134 Abs. 1 Ziff. 6 OR). Unter dem geltenden Recht war dies nur der Fall, wenn eine Forderung nicht vor einem schweizerischen Gericht geltend gemacht werden konnte.
- Parteien einer Auseinandersetzung können schriftlich vereinbaren, dass während der Dauer von Vergleichsgesprächen, eines Mediationsverfahrens oder anderer Verfahren zur aussergerichtlichen Streitbeilegung Verjährungsfristen stillstehen (revArt. 134 Abs. 1 Ziff. 8 OR).
- Der Schuldner einer Forderung kann ab Beginn der Verjährung jeweils für höchstens zehn Jahre auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten (revArt. 141 Abs. 1 OR). Solche Verzichtserklärungen müssen schriftlich erfolgen (revArt. 141 Abs. 1bis OR).
- In allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) kann lediglich der Verwender auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichten. Im Gegensatz dazu sind Verzichtserklärungen derjenigen Partei (z.B. Konsumenten), welcher die AGBs auferlegt werden, unwirksam (revArt. 141 Abs. 1bis OR).
- Die Verjährungsfrist für paulianische Anfechtungsklagen unter dem Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) wird von gegenwärtig einem auf drei Jahre verlängert. Diese Frist läuft je nach Konstellation ab Zustellung des Pfändungsverlustscheins, Konkurseröffnung oder Bestätigung eines Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung (revArt. 292 SchKG).
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