Unsicherheit bei Medikamenten-Fachwerbung im Internet in Europa


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Pharmaunternehmen in der Schweiz dürfen Ärzten und Apothekern ihre Internetwerbung für rezeptpflichtige Medikamente nur in einem passwortgeschützten Bereich präsentieren. Das hat das Schweizer Bundesgericht kürzlich entschieden. Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hat eine ähnliche Frage nun dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vorgelegt. Unabhängig von der Entscheidung durch den EuGH hat der Schweizer Entscheid auch Auswirkungen auf Unternehmen in der EU und Deutschland, denn entsprechende Schweizer Werbevorschriften müssen beachtet werden, sobald ein Absatz in der Schweiz angestrebt wird.

Hintergrund des kürzlich vom Schweizer Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Falles bildet die Praxis diverser Pharmafirmen, auf ihren Homepages Werbung für die von ihnen hergestellten Medikamente und Arzneimitteln zu veröffentlichen. Da in der Schweiz für verschreibungspflichtige Medikamente nur bei Fachpersonen Werbung gemacht werden darf und ansonsten ein Verbot der allgemeinen Publikumswerbung besteht, welches grundsätzlich auch im Internet gilt, hat Swissmedic die Pharmabranche aufgefordert, entsprechende Werbung auf ihren Homepages mit einem Passwort zu schützen. Dagegen haben zwei betroffene Unternehmen Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben und dabei die Meinung vertreten, Warnhinweise müssten als mildere Maßnahmen auch genügen.

Hier hat das Bundesgericht nun entschieden, dass solche Warnhinweise keine wirksame Zugangsbeschränkung darstellen. Ein bloßer Warnhinweis genüge nicht, um Laien fernzuhalten. Internet-Inhalte, die durch einfaches Anklicken einer Zustimmungserklärung erreicht werden könnten, müssten als allgemein zugänglich erachtet werden. In den vorliegenden Fällen konnten zudem die fraglichen Webseiten aufgrund eines Cookies bei einem wiederholten Besuch der Seite unter Umgehung der Zustimmungserklärung bei einer Internetsuche aufgerufen werden. Diese Beurteilung entsprechender Warnhinweise dürfte weit über den Gegenstand des vorliegenden Entscheids auch in anderen reglementierten Bereichen Geltung haben.

Es ist davon auszugehen, dass die obige Pflicht für alle Unternehmen gilt, die Webseiten betreiben, durch welche bewusst Schweizer Abnehmer angesprochen werden sollen. Dabei wird es weder einzig auf die verwendete Sprache, die Domain oder den Standort des Servers ankommen. Das Territorialtiätsprinzip verlangt, dass Schweizer Recht beachtet wird, sobald durch die Werbung Absatz in der Schweiz bezweckt wird. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich aufgrund eines Gesamtbildes.

Die Swissmedic hat angekündigt, ab Januar 2010 Kontrollen durchzuführen und insbesondere die Einhaltung der Passwortschranke durch Sanktionen und andere Maßnahmen – auch gegenüber ausländischen Unternehmen – durchzusetzen.

In Deutschland gelten grundsätzlich ähnliche Regelungen. In § 10 Heilmittelwerbegesetz ist das Verbot festgehalten, für verschreibungspflichtige Arzneimittel außerhalb der Fachkreise Werbung zu machen. Ein identisches Verbot findet sich in der Europäischen Richtlinie zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (Richtlinie 2001/83/EG). Der BGH hat nun dem EuGH die Frage vorgelegt, ob Art. 88 Abs. 1 lit. a der Richtlinie auch eine Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel erfasst, wenn die Angaben dem Interessenten nicht unaufgefordert dargeboten werden, sondern nur demjenigen im Internet zugänglich sind, der sich selbst um sie bemüht (BGH vom 16.7.2009, Az. I ZR 223/06). Die Beschreibung der Produkte fand sich nämlich nur auf einer zwar öffentlich zugänglichen, aber nicht weiter beworbenen Website.

Der BGH hat Zweifel, ob ein Verbot auch solcher Werbung mit der verfassungsrechtlich garantierten Berufsfreiheit vereinbar ist. Ein Schutz der Adressaten vor entsprechenden (fachlichen) Informationen erscheine nicht in gleicher Weise erforderlich wie bei üblicher Werbung, die den Empfänger vielfach ungewollt und unvorbereitet trifft.

Nun wird der EuGH für die Europäische Union über die Frage zu entscheiden haben, die das Schweizer Bundesgericht bereits entschieden hat.

Wegen der weltweiten Abrufbarkeit der Internetseiten der Pharmaunternehmen führt das Urteil aus der Schweiz aber dazu, dass auch deutsche Unternehmen, ihre Webseiten anpassen müssen. Denn die entsprechenden Schweizer Werbevorschriften müssen beachtet werden, sobald ein Absatz der Produkte auch in der Schweiz angestrebt wird. Dies gilt unabhängig davon, wie der EuGH entscheiden wird.

Letztlich zeigt das Beispiel der Arzneimittelwerbung, dass es bei weitem nicht so ist, dass ein deutsches Unternehmen für die Internetwerbung lediglich deutsches Recht zur beachten hat. Wird mit Internetwerbung Absatz in einem bestimmten Land bezweckt oder auch schon nur nicht ausgeschlossen, führt dies zur Anwendbarkeit ausländischen (z.B. Schweizer) Werberechts. Insofern ist die Arzneimittelwerbung nur ein Beispiel unter vielen.

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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