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Die schweizerische Wettbewerbskommission (WEKO) hat zehn Grosshändler von französischsprachigen Büchern wegen der Beschränkung von Parallelimporten mit „Bussen“ von insgesamt rund 16,5 Millionen Franken sanktioniert. Die Grosshändler haben gemäss den Feststellungen der WEKO in den Jahren 2005 bis 2011 Schweizer Buchhandlungen daran gehindert, Bücher zu tieferen Preisen im Ausland – insbesondere in Frankreich – zu beziehen. Dadurch konnten die Grosshändler nach Ansicht der WEKO in der Schweiz deutlich höhere Preise verlangen und dieses erhöhte Preisniveau für Bücher entsprechend ausnutzen.
Hintergrund
Im März 2012 hat das Schweizer Stimmvolk bekanntlich das Buchpreisbindungsgesetz abgelehnt, mit welchem das Parlament die Buchpreisbindung legalisieren wollte (vgl. BR-News vom 14.03.2012). Anstoss für dieses Gesetz bildete ein Bundesgerichtsurteil, das die Buchpreisbindung definitiv für kartellrechtlich unzulässig erklärt hatte (Urteil vom 06.02.2007, 2A.430/2006). Durch die Ablehnung des Gesetzes blieb es grundsätzlich bei dieser Rechtslage und die Buchpreisbindung verstösst als Preisabsprache nach wie vor gegen das schweizerische Kartellrecht. Im Unterschied zu den Nachbarländern existiert somit in der Schweiz weiterhin keine gesetzlich vorgeschriebene Buchpreisbindung und die Bücherpreise werden grundsätzlich vom Markt bestimmt.
Besonders interessant am damaligen Abstimmungsergebnis war der Umstand, dass sich die französischsprachigen Kantone ausnahmslos und zum Teil sehr deutlich für das Buchpreisbindungsgesetz ausgesprochen hatten, während alle deutschsprachigen Kantone die Vorlage ablehnten. Die vom Bundesgericht im Jahr 2007 als unzulässig erklärte Buchpreisbindung betraf lediglich den deutschsprachigen Schweizer Buchmarkt. In der Westschweiz wurde die Buchpreisbindung demgegenüber bereits Anfang der 90er Jahre aufgehoben. Bei den aus Frankreich importierten Büchern wurde aber jeweils ein Zuschlag auf den französischen Preis erhoben. Da aus diesem Grund in der Schweiz deutlich höhere Preise verlangt wurden, eröffnete die Wettbewerbskommission im Jahr 2008 eine Untersuchung gegen die Grosshändler, welche die französischen Verleger in der Schweiz vertreten (vgl. Pressemitteilung der WEKO). Nachdem die Untersuchung aufgrund der Abstimmung über das Buchpreisgesetz zeitweise sistiert war, wurde das Verfahren wieder aufgenommen und heute abgeschlossen.
Exklusivvereinbarungen und Verhinderung von Passivverkäufen
Die Untersuchung hat ergeben, dass die Grosshändler durch ihre Vertriebssysteme, namentlich Exklusivvereinbarungen mit den Verlagen, verhindern konnten, dass die Buchhandlungen Bücher im Ausland (namentlich in Frankreich) beziehen. Versuche der Händler, sich mittels Parallelimporten aus dem Ausland zu tieferen Preisen beliefern zu lassen, seien deshalb gescheitert. Die Buchhändler hätten somit keine andere Wahl gehabt , als die Bücher zu deutlich höheren Preisen über die offiziellen Kanäle zu beziehen.
Exklusivvereinbarungen, wie sie vorliegend zwischen den Händlern und den Verlagen getroffen wurden, sind kartellrechtlich grundsätzlich nicht unzulässig. Die Abnehmer müssen jedoch die Möglichkeit haben, die Bücher auf eigene Initiative direkt im Ausland zu beziehen. Werden solche sog. Passivverkäufe durch eine Abrede zwischen unabhängigen Unternehmen verhindert, liegt „vermutungsweise“ ein Verstoss gegen das Kartellgesetz vor (vgl. Art. 5 Abs. 4 KG).
Gemäss Pressemitteilung der WEKO haben die Grosshändler die von den Buchhandlungen nachgefragten Parallelimporte verhindert und diesen verunmöglicht, Geschäftsbeziehungen im Ausland einzugehen. Darüber hinaus habe eine Vielzahl weiterer Vertriebsabreden ausdrücklich vorgesehen, dass die Vertriebspartner der Grosshändler selbst keine Verkäufe tätigen dürfen oder alle notwendigen Massnahmen ergreifen müssen, um solche Verkäufe zu verhindern. Dies führte nach den Feststellungen der WEKO zu einer vollständigen Abschottung des Schweizer Marktes.
Sanktionen im Gesamtbetrag von rund 16,5 Millionen Franken
Die WEKO hat die zehn betroffenen Grosshändler deshalb wegen unzulässiger Gebietsabsprachen „gebüsst“. Die auferlegten Sanktionen belaufen sich auf insgesamt rund 16,5 Millionen Franken. Bei der Bemessung der „Busse“ berücksichtigte die WEKO neben dem massgeblichen Umsatz auf dem Schweizer Markt insbesondere die Dauer und die Schwere des unzulässigen Verhaltens.
Die Grosshändler sind nun verpflichtet, ihre Verträge so anpassen, dass den Buchhändlern alternative Beschaffungskanäle offenstehen.
Update
Am 27. September 2013 hat die WEKO die ausführliche Verfügung zum vorliegenden Entscheid veröffentlicht. Interessant ist darin namentlich auch die – soweit ersichtlich erstmalige – ausführliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob bzw. unter welchen Umständen das Kartellgesetz auf Vereinbarungen in Agenturverträgen zur Anwendung kommt. Wenig überraschend orientiert sich die WEKO dabei an der Praxis der EU-Kommission zum sog. Handelsvertreterprivileg im EU-Recht (vgl. die Leitlinien für vertikale Beschränkungen, Rz. 12 ff.).
Weitere Informationen:
- Pressemitteilung der WEKO vom 12. Juni 2013
- BR-News: „Update: Buchpreisbindung weiterhin kartellrechtlich unzulässig“
- BR-News: „Schweiz: Gesetz zur Buchpreisbindung – auch im Online-Handel“
- BR-News: „Buchpreisbindung: Abstimmung rückt näher, Regelung des Online-Handels weiterhin umstritten“
Ansprechpartner: Michael Schüepp