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Bekanntlich geriet die Ende 2007 vom Bundesrat in die Wege geleitete Revision des Aktien- und Rechnungslegungsrechts, welche primär Modernisierungen bei der Corporate Governance, mehr Flexibilität bei der Gestaltung der Kapitalstrukturen und ein neues Rechnungslegungsrecht vorsah, ins Stocken: der erste Anlauf musste im Anschluss an die Annahme der Volksinitiative «gegen die Abzockerei» am 3. März 2013 abgebrochen bzw. vertagt werden, um in der Revision auch die neuen, auf Verfassungsebene eingefügten Leitplanken für die Entschädigung der Spitzenorgane von börsenkotierten Gesellschaften berücksichtigen und konkretisieren zu können. Der Bundesrat musste entsprechend seine Vorschläge nochmals grundlegend überarbeiten. Er tat dies mit dem Vorentwurf vom 28. November 2014 für die Änderung des Aktienrechts. Nachdem in der Vernehmlassung 147 Stellungnahmen zu diesem Vorentwurf eingereicht und vom Bundesamt für Justiz ausgewertet wurden, hat der Bundesrat am 23. November 2016 den nochmals überarbeiteten Entwurf und die dazugehörige Botschaft für den neuen Anlauf einer Revision des Aktienrechts verabschiedet. Die hauptsächlichen Änderungsvorschläge betreffen wiederum neben den Themen Corporate Governance und Vergütung der obersten Kader vor allem die Bereiche Flexibilisierung des Aktienkapitals (namentlich dessen Erhöhung und Herabsetzung), aktienrechtliche Klagen sowie Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.
Dieser kurze Beitrag will einen kleinen Überblick über einige dieser Neuerungen geben, namentlich hinsichtlich Umsetzung der „Abzocker-Initiative“, Richtwerte für die Vertretung beider Geschlechter, Aktienkapital und Kapitalband, Senkung von Schwellenwerten für die Ausübung von Aktionärsrechten und Möglichkeiten der Verwendung elektronischer Mittel bei Generalversammlungen.
Bei der Umsetzung der Volksinitiative «gegen die Abzockerei» krebst der Bundesrat gegen-über seinen früheren Vorschlägen vom November 2014 stark zurück und will angesichts der überwiegenden Ablehnung in der Vernehmlassung auf verschiedene, in seinem früheren Vorschlag noch vorgesehene Elemente verzichten, namentlich auf die Einführung der Pflicht zur statutarischen Fixierung des Verhältnisses zwischen fixer und variabler Vergütung, auf eine vergütungsspezifische Sorgfaltspflicht des Verwaltungsrates, auf die Einzeloffenlegung der Vergütungen sämtlicher Mitglieder der Geschäftsleitung sowie auch auf das Verbot prospektiver Abstimmungen über variable Vergütungen. Dagegen schlägt der Bundesrat bei der Anwendung prospektiver Vergütungssysteme, d.h. Systemen, bei welchen die Generalversammlung ex ante nicht nur über die Höhe der Festgehälter, sondern auch über den Gesamtrahmen der möglichen, im Folgejahr auszurichtenden Boni abzustimmen hat, vor, dass der Generalversammlung zwingend der Vergütungsbericht zur retrospektiven, konsultativ wirkenden Abstimmung vorgelegt werden muss. Ebenso sollen Antrittsprämien an C-Kader weiterhin zulässig bleiben, sofern sie zur Kompensation eines nachweisbaren finanziellen Nachteils dienen. Ähnliches gilt für die Konkurrenzverbote: auf ein generelles Verbot wird verzichtet, hingegen soll neu eine finanzielle Beschränkung vorgesehen werden.
Als nach wie vor sehr kontrovers diskutierte Regelung sieht der Entwurf vor, dass beide Geschlechter zu mindestens 30% im Verwaltungsrat und zu 20% in der Geschäftsleitung vertreten sein müssen. Unternehmen, welche diesen Richtwert nicht erreichen, müssen in ihrem Vergütungsbericht eine Begründung dafür angeben („Comply-or-explain-Ansatz“) und auf-zeigen, welche Massnahmen ergriffen werden, um das weniger stark vertretene Geschlecht zu fördern. Diese Regelung soll aber nur für grössere Gesellschaften eingeführt werden, d.h. diejenigen, die zwei der nachstehenden Grössen in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren überschreiten: (i) Bilanzsumme von 20 Millionen Franken, (ii) Umsatzerlös von 40 Millionen Franken und (iii) 250 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt. Bei solchen Regelungen wird der normative Gehalt relativiert, da die Adressaten der Bestimmung der Norm nach-kommen können, indem sie eine Begründung für die Nichteinhaltung angeben.
Hinsichtlich Aktienkapital sieht der Entwurf unter anderem vor, dass dieses auch aus einer für die Geschäftstätigkeit wesentlichen ausländischen Währung bestehen kann. In einem solchen Fall dürfen Buchführung und Rechnungslegung nur in jener Währung erfolgen. Ferner muss das Aktienkapital in einer Fremdwährung nur zum Zeitpunkt der Errichtung einem Gegenwert von 100‘000 Franken entsprechen. Weiter sieht der Entwurf als Novum im Schweizer Gesellschaftsrecht ein Kapitalband vor: die Generalversammlung kann mittels Statutenänderung den Verwaltungsrat ermächtigen, während einer Dauer von längstens fünf Jahren das Aktienkapital innerhalb einer Bandbreite (Kapitalband) zu verändern, d.h. entweder das Aktienkapital zu erhöhen oder herabzusetzen. Die obere und untere Grenze des Kapitalbands dürfen das im Handelsregister eingetragene Aktienkapital höchstens um die Hälfte übersteigen bzw. unterschreiten. Zudem darf bei einer Ermächtigung zur Kapitalherabsetzung die Gesellschaft nicht auf die eingeschränkte Revision der Jahresrechnung verzichtet haben. Ferner kann die untere Grenze des Kapitalbands grundsätzlich nur dann tiefer als das im Handelsregister eingetragene Aktienkapital festgesetzt werden, wenn zuvor die Gläubiger aufgefordert wurden, ihre Forderungen anzumelden und eine Prüfungsbestätigung eines Revisors vorliegt, welcher bestätigt, dass die Gläubiger durch das verbleibende Kapital genügend geschützt sind.
Weiter will der Entwurf die Aktionärsrechte stärken, indem die Schwellenwerte zur Geltendmachung gewisser Aktionärsrechte im Vergleich zum geltenden Recht herabgesetzt werden:
Zudem ist beim Auskunfts- und Einsichtsrecht zu beachten, dass die Voraussetzungen für eine Verweigerung ihm Rahmen des Interessenvergleichs erschwert werden sollen, da neu die Gefährdung vorrangiger Interessen der Gesellschaft für eine Verweigerung vorausgesetzt wird, während unter gegenwärtigem Recht bloss die Gefährdung schutzwürdiger Interessen genügt. Somit soll eine Verweigerung nur noch dann möglich sein, wenn die Interessenabwägung klar zugunsten der Gesellschaft ausfällt. Der Entwurf schränkt aber gleichzeitig die Aktionärsrechte ein, indem das Einsichtsrecht nicht mehr als Individualrecht, sondern als Minderheitenrecht konzipiert wird. Um querulatorische oder nicht primär durch das Gesellschaftsinteresse motivierte Begehren einzelner Aktionäre möglichst einzuschränken, soll nur, wer 5% der Stimmrechte oder des Aktienkapitals vertritt, Einsicht in die Geschäftsbücher und die Akten beantragen können.
Ebenfalls eine wesentliche Neuerung zum geltenden Recht bildet die Möglichkeit, eine virtuelle Generalversammlung abzuhalten, ohne dass ein tatsächlicher Tagungsort vorausgesetzt wird, sofern die Statuten eine solche Möglichkeit vorsehen. Falls ein physischer Tagungsort vorgesehen ist, besteht die Möglichkeit einer Verwendung elektronischer Mittel, um an der Generalversammlung aktiv und simultan zu partizipieren. Der Verwaltungsrat muss aber sicherstellen, dass die Identität der Teilnehmer feststeht, die Voten in der Generalversammlung unmittelbar übertragen werden, jeder Teilnehmer Anträge stellen sowie sich an der Diskussion beteiligen kann und das Abstimmungsergebnis nicht verfälscht werden kann.