Urheberrechtsverletzungen im Internet: Bundesrat sieht keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf


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Der Bundesrat hat Ende November einen Bericht veröffentlicht, der sich mit den Auswirkungen von Urheberrechtsverletzungen im Internet auf das Kulturschaffen in der Schweiz befasst. Der Bericht befasst sich insbesondere mit der Frage, ob die Schweiz ein Gesetz gegen das unerlaubte Herunterladen von Musik braucht. Der Bundesrat kommt in einem ausführlichen Bericht zum Ergebnis, dass kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestehe. Es handle sich nur um eine Verschiebung der Mittel: Anstatt für Tonträger würden die Konsumenten das Geld heute insbesondere für Konzerte oder Merchandise ausgeben. Die für den Kulturbereich eingesetzten Mittel hätten sich jedoch nicht verändert, weshalb keine nachteiligen Auswirkungen auf das schweizerische Kulturschaffen zu erwarten seien. Der Bundesrat verzichtet deshalb darauf, eine Gesetzesvorlage auszuarbeiten, die Sanktionen gegen den illegalen Download von urheberrechtlich geschützten Werken vorsieht. Somit bleibt das Herunterladen zum Eigengebrauch nach wie vor zulässig und straffrei.

Der genannte Bericht des Bundesrats erfüllt ein Postulat der Waadtländer Ständerätin Géraldine Savary, welches der Rat am 10. Juni 2010 trotz Antrags auf Ablehnung an den Bundesrat überwiesen hatte. Das Postulat beauftragte diesen, einen Bericht über das illegale Herunterladen von Musik zu erstellen und zu prüfen, mit welchen Massnahmen dieses Phänomen bekämpft werden könne. Der Bundesrat erweiterte den Gegenstand des Berichts und bezog nicht nur das illegale Herunterladen von Musik, sondern auch die Nutzung von Filmen und Computerspielen mit ein. Die wichtigsten Erkenntnisse und Ergebnisse des zwölfseitigen Berichts werden nachfolgend kurz zusammengefasst.

Als erstes verwies der Bundesrat darauf, dass die unerlaubte Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Inhalten im Internet regelmässig grenzüberschreitend geschehe. Massnahmen gegen solche Verletzungen müssten deshalb auf internationaler Ebene koordiniert werden, was mit dem WIPO-Urheberrechtsvertrag sowie dem WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger für gewisse Bereiche bereits erfolgt sei. Die Vorgaben dieser beiden Verträge sind im Rahmen der Urheberrechtsrevision 2008 auch im schweizerischen Recht übernommen worden.

Der Bundesrat führte danach kurz aus, dass in der Schweiz keine Statistiken zur Piraterie im Internet bestünden, da die Zollstatistik diesen Warenverkehr nicht erfasse. Zudem würden keine nationalen Studien zum Thema vorliegen. Der Bundesrat stützte seinen Bericht aus diesem Grund auf eine Studie aus den Niederlanden aus dem Jahr 2009, welche sich mit der in Frage stehenden Thematik befasste. Die Ergebnisse dieser Studie seien deshalb auf die Schweiz übertragbar, weil die beiden Länder in mehrfacher Hinsicht vergleichbar seien. Sie verfügten über ein ähnliches institutionelles Umfeld, eine vergleichbare technische Infrastruktur, ein fast identisches Pro-Kopf-Einkommen sowie eine vergleichbare demografische Struktur. In beiden Ländern sei zudem das Herunterladen von Werken zum Eigengebrauch zulässig und die Statistiken über die Musikverkäufe würden ähnliche Entwicklungen aufweisen. Der Bundesrat ging deshalb davon aus, dass eine eigenständige Studie in der Schweiz zu den gleichen Resultaten geführt hätte, weshalb er auf das Erstellen einer solchen verzichtete.

Die genannte niederländische Studie zeigt, dass rund ein Drittel der über 15-jährigen Personen Musik, Filme oder Games herunterladen, ohne dafür zu bezahlen. Viele Nutzer wüssten darüber hinaus nicht, was rechtlich zulässig oder verboten sei. Nicht in jedem Fall führe die Nutzung von Tauschbörsen jedoch zu einem Ertragsausfall für die Hersteller von Tonträgern oder ähnlichen Produkten. So sei davon auszugehen, dass viele der Tauschbörsennutzer gleichviel oder gar weniger kaufen würden, wenn keine Tauschbörsen existieren würden. Dies sei darauf zurückzuführen, dass viele Nutzer entweder aufgrund von fehlender Kaufkraft oder zu Informationszwecken auf Tauschbörsenangebote zurückgreifen (z.B. um die Musik probehören zu können: sog. Sampling-Effekt).

Nach diesen Feststellungen beleuchtet der Bericht die Statistiken zur schweizerischen Unterhaltungsindustrie. Aus diesen ist ersichtlich, dass die Umsätze der Musik-, Film- und Computerspielindustrie trotz Tauschbörsennutzung in den letzten Jahren mehr oder weniger konstant geblieben sind. Gleiches gilt für den prozentualen Anteil des Einkommens, der für diesen Bereich ausgegeben wird. Aufgrund dieser Daten und mit Verweis auf die Ergebnisse der niederländischen Studie stellte der Bundesrat fest, dass diejenigen Einsparungen, welche die Konsumenten durch die Nutzung von Tauschbörsen erzielen, in andere Bereiche wie beispielsweise Merchandise, Kino- oder Konzerteintritte investiert würden. Es finde deshalb nur eine Verschiebung der Mittel statt. Die Mittel, die in die Kultur investiert werden, seien auch bei der erwiesenermassen grossen Anzahl von Tauschbörsennutzern unverändert, weshalb die Kulturschaffenden durch Downloads nicht benachteiligt würden.

Trotz des Umstandes, dass sich deshalb gesamtwirtschaftliche Nachteile durch Tauschbörsennutzung nicht nachweisen lassen, befasste sich der Bundesrat mit Lösungsmöglichkeiten für die Problematik und mögliche Vorgehensweisen gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet. Er verwies dabei darauf, dass jede bisher bekannte Möglichkeit eines Vorgehens mit Nachteilen verbunden sei. So sei eine effektive Rechtsdurchsetzung aufgrund der grossen Zahl von Rechtsverletzern nicht möglich und zudem aus Datenschutzgründen bedenklich (vgl. Logistep-Urteil: BR-News vom 05.12.2010 und 08.09.2010). Gegenüber einer Einbindung der Internetdienstanbieter, wie dies beispielsweise Frankreich mit dem so genannten «Loi Hadopi» vorsieht, seien ebenfalls Vorbehalte anzubringen, hauptsächlich aus datenschutzrechtlicher Sicht und aus dem Grund, dass eine private Institution und nicht eine Gerichtsbehörde den Internetzugang beschränken könne, was verfassungsrechtlich äusserst heikel ist.

Als Fazit des Berichts stellte der Bundesrat fest, dass die mit der Teilrevision des Urheberrechts von 2008 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen nach wie vor genügen würden, um Verletzungen adäquat begegnen zu können. Unmittelbarer Handlungsbedarf sei deshalb nicht gegeben. Jedoch sei die weitere technische Entwicklung und die Entwicklung auf internationaler Ebene zu verfolgen, um die Situation periodisch neu beurteilen und rechtzeitig Anpassungen vornehmen zu können. Wichtig sei auch in Zukunft die Öffentlichkeitsarbeit, die den Betroffenen den geltenden Rechtsrahmen klar erläutert.

Der Bericht und die Schlussfolgerungen ernteten bereits Kritik, namentlich von der Postulantin, der SUISA (vgl. Medienmitteilung vom 30.11.2011) und dem Verband Suisseculture. Kritisiert wird unter anderem sowie verständlicherweise, dass der Bericht hauptsächlich auf einer niederländischen Studie basiere und die verwendeten Statistiken veraltet seien, aber auch dass der Bundesrat die Wichtigkeit der Einnahmen aus Downloads und Tonträgerverkäufen verkenne. Ständerätin Savary hat bereits angekündigt, erneut einen Vorstoss einreichen zu wollen. Das Thema wird die schweizerische Politik somit wohl auch in Zukunft beschäftigen.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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