Pauschalreiserichtlinie

Verabschiedung der revidierten EU-Pauschalreiserichtlinie durch den EU-Ministerrat


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Bereits im Juli 2013 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Revision der Pauschalreiserichtlinie veröffentlicht. Rund zwei Jahre später wurde diese Anpassung im EU-Ministerrat beschlossen. Die revidierte Richtlinie zielt darauf ab, die Rechtsstellung der Verbraucher zu stärken und die Richtlinie an die aktuellen Entwicklungen der letzten Jahre anzupassen. So sollen beispielsweise die sogenannten „linked travel arrangements“ sowie „Bausteinreisen“ neu vom Schutz erfasst werden.

Nachdem die EU-Kommission vor rund zwei Jahren ihren Vorschlag zur Anpassung des europäischen Pauschalreiserechts veröffentlicht hatte (vgl. BR-News vom 29. August 2013: Kommission plant Anpassung der Pauschalreiserichtlinie ans digitale Zeitalter), wurde nun am 28. Mai 2015 die revidierte EU-Pauschalreiserichtlinie vom Ministerrat der Europäischen Union verabschiedet. Der Erlass muss nun noch vom EU-Parlament abgesegnet werden, damit er aller Voraussicht nach noch dieses Jahr in Kraft treten kann. Die Mitgliedstaaten der EU sind dann verpflichtet, die Richtlinie innerhalb von zwei Jahren in ihre nationale Gesetzgebung aufzunehmen, so dass sich die Konsumentinnen und Konsumenten in der Folge auf die neuen Regelungen der Pauschalreise berufen können.

Ziel dieser Revision der EU-Pauschalreiserichtlinie ist eine Anpassung an die veränderten Bedingungen im Reisemarkt und eine Verstärkung der Rechtsposition der Konsumentinnen und Konsumenten durch Beseitigung von Unklarheiten und Schliessung von Regelungslücken im bisherigen Recht. Damit für die Verbraucher auch im Bereich der Pauschalreisen ein grenzüberschreitender Markt hergestellt werden kann, müssen bestimmte Elemente der Reiseverträge vereinheitlicht werden.

Auf die bevorstehenden Änderungen im Pauschalreiserecht wird im Folgenden genauer eingegangen.

1. Erweiterung des Anwendungsbereichs der Pauschalreiserichtlinie

  • Eine der zentralsten Neuerungen im Pauschalreiserecht ist die Erweiterung des Konsumentenschutzes auf sog. „linked travel arrangements“. In den vergangenen Jahren, insbesondere durch das Aufkommen von Billigflugangeboten, kauften die Konsumentinnen und Konsumenten vermehrt ihre Flüge im Internet. Werden dem Konsumenten nach der Buchung einer Reiseleistung (z.B. eines Fluges) durch einen Link auf dieser Webseite weitere Leistungen (z.B. eine Unterkunft am Destinationsort) angeboten und kommt es aufgrund dieses Links innerhalb von 24 Stunden zu einer weiteren Buchung, so ist neuerdings auch in einer solchen Konstellation der Anwendungsbereich der Pauschalreiserichtlinie eröffnet. Hierbei bezieht sich der Schutz des Reisenden auf eine Absicherung der von ihm erbrachten Geldleistung an den Erstanbieter (also z.B. die Fluggesellschaft).

Fallbeispiel: X. bucht auf der Webseite der Fluggesellschaft „Y-Airline“ einen Flug von Zürich nach Spanien. Auf dieser Webseite wird dem X. mittels eines Links ein Hotel in Spanien angeboten, welches X. ebenfalls bucht. Unter der neuen Pauschalreiserichtlinie wird diese Reise als „linked travel arrangement“ qualifiziert. Eine solche Qualifikation führt dazu, dass X. bei einem allfälligen Konkurs der Y-Airline geschützt wird.

  • Weiter wird der Anwendungsbereich der Pauschalreiserichtlinie neu auch auf Reisen ausgedehnt, die vom Konsumenten selbst zusammenstellt werden (sog. „Patchwork-Reisen “ oder „Bausteinreisen“). Dies gilt unabhängig davon, ob die separierten Dienstleistungen (z.B. Flug, Unterkunft, Mietwagen) bei ein und demselben Anbieter oder bei unterschiedlichen Anbietern nachgefragt werden.

Im Vorfeld wurde diese Erneuerung vor allem von den Hotelverbänden kritisiert, da unter Umständen gewisse Zusatzleistungen von Hotels (wie z.B. Operntickets etc.) neu unter die Regelung der Pauschalreiserichtlinie fallen können. Dies wäre insbesondere dann der Fall, wenn die Zusatzleistung einen erheblichen Teil der Gesamtreise darstellt.

2. Information

  • Im Verbraucherschutz spielt die Informationspflicht des Anbieters gegenüber dem Konsumenten eine ganz entscheidende Rolle. Ohne entsprechende Information nützen die umfassendsten Rechtsbehelfe wenig, da der Verbraucher sie nicht wahrnehmen kann. Aufgrund dieser, für das Verbraucherrecht allgemein gültigen Überlegungen, werden die Verbraucher mittels standardisierten Informationen über die ihnen zustehenden Rechte aufgeklärt.
    Zur erweiterten Informationspflicht im Rahmen der neuen Pauschalreiserichtlinie zählt nebst detaillierter Information über den Reisepreis auch, dass dem Buchenden unmissverständlich mitgeteilt werden muss, ob eine Pauschalreise vorliegt oder nicht. So muss der Anbieter z.B. bei den „linked travel arrangements“ die buchende Person explizit darauf aufmerksam machen, dass die Angebote keine Gesamtleistung darstellen und sich somit die Verantwortlichkeit der Leistungsanbieter auf ihre jeweilige Leistung beschränkt.
  • Zu einer weiteren Vereinheitlichung im europäischen Pauschalreiserecht führt die Pflicht des Veranstalters, bei einer Reise seine Kontaktdaten samt Notrufnummer im Destinationsland bekanntzugeben. Ist eine solche nicht vorhanden, gilt seine eigene Nummer als Notrufnummer.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass mittels der revidierten EU-Pauschalreiserichtlinie besonders Wert darauf gelegt wird, dass der Verbraucher in verständlicher Art und Weise informiert wird, wer Veranstalter ist und folglich für die ordnungsgemässe Erfüllung des Vertrages verantwortlich ist.

3. Rücktrittsrecht

  • Bereits unter der geltenden EU-Richtlinie kann ein Anbieter nicht beliebig die Preise erhöhen. Eine Preiserhöhung ist nach Art. 4 Abs. 4 lit. a nur zulässig, wenn der Vertrag die Möglichkeit einer Preiserhöhung vorsieht und sich diese aus besonderen Gründen, wie dem Anstieg der Beförderungskosten, Veränderungen im Wechselkurs oder Änderungen der Abgaben (z.B. Gebühren auf Flughäfen) rechtfertigt. Kommt es unter diesen Voraussetzungen zu einer Erhöhung des Preises von mehr als 8% so steht dem Verbraucher ein kostenloses Rücktrittsrecht vom Reisevertrag zu.
  • Eine weitere Möglichkeit vom Reisevertrag zurückzutreten, steht dem Verbraucher zu, wenn ausserordentliche und nicht vorhersehbare Ereignisse am Destinationsort oder in ihrer unmittelbaren Umgebung auftreten, welche die Pauschalreise erheblich beeinträchtigen könnten. Raten mitgliedstaatliche Behörden von einer Reise in ein bestimmtes Gebiet ab, so ist diese Voraussetzung ohne weiteres gegeben.

Da sich die Pauschalreiserichtlinie nicht mehr am Begriff der „höheren Gewalt“ orientiert, wurde der Rücktrittsgrund so auf alle möglichen Arten von gefährlichen Situationen ausgedehnt. Liegen keine solchen Gründe vor, will der Konsument aber dennoch vor Reisebeginn vom Vertrag zurücktreten (z.B. aus privaten Gründen), kann er sich nur durch die Zahlung einer angemessenen Annullierungsgebühr vom Reisevertrag lösen.

4. Leistungsänderungen

  • Wird die Leistung nach Vertragsabschluss und vor Reisebeginn in wesentlicher Art abgeändert, steht dem Reisenden wie bisher das Recht zu, vom Vertrag zurückzutreten. Erfolgt vom Konsumenten jedoch nicht innert einer angemessenen Frist eine dementsprechende Erklärung, so gilt die Änderung als angenommen. In der revidierten EU-Richtlinie besteht hier nun die Möglichkeit, eine Reisepreisminderung geltend zu machen, sofern bei einer Leistungsänderung die Qualität der Reise abnimmt.

5. Haftungsbestimmungen

  • Damit sich der Konsument auf die Mängelhaftung berufen kann, muss er die ihm bekannten Mängel sofort aufzeigen. Die Neuerung in diesem Bereich liegt darin, dass sich der Geschädigte in Zukunft mit seinen Ansprüchen nicht nur an den Veranstalter, sondern auch an das Reisebüro (als Vermittler) wenden kann. Nebst dem herkömmlichen, materiellen Schaden sind im Reiserecht auch immaterielle Schadensposten (z.B. entgangene Urlaubsfreude) ersatzfähig.

6. Insolvenzregelung

  • Eine zusätzliche Stärkung der Rechtsstellung des Verbrauchers wird durch die neue Insolvenzregelung gewährleistet. Diese soll den Konsument einer Pauschalreise vor den Rechtsfolgen eines allfälligen Konkurses des Veranstalter oder des Vermittlers einer Reise schützen. Die einzelnen Mitgliedstaaten bleiben in der Wahl der konkreten Regelungen frei, solange die nationalen Regelungen ein wirksames Institut für die Rückzahlung bereits geleisteter Beiträge und die Sicherstellung der Heimreise aller betroffenen Konsumenten gewähren. Auf administrativer Seite soll die Insolvenzabsicherung durch nationale Kontrollstellen ausgebaut werden.

Nebst der Stärkung der Rechtsstellung der Konsumenten soll die revidierte Fassung der Pauschalreiserichtlinie zur Senkung des administrativen Aufwands der Reiseanbieter führen, was sich in einer Kostenerleichterung bemerkbar machen soll. Eine solche Erleichterung kann einerseits durch die oben erwähnte Vereinheitlichung der Informations- und Haftungs- sowie durch die gegenseitige Anerkennung von nationalen Insolvenzschutzsystemen erreicht werden. Die europaweit vereinheitlichten Wettbewerbsbedingungen und die Aufhebung der, im Zeitalter des Internets, überholten Anforderungen bezüglich Prospekte sollen zu einer weiteren Erleichterung des administrativen Aufwands führen.

Fazit und Bedeutung für die Schweiz

Mittels der Revision der EU-Pauschalreiserichtlinie wird dem Umstand Rechnung getragen, dass immer mehr Menschen ihre Reisen selbst online zusammenstellen. Dass die fällige Anpassung der Regelungen an das digitale Zeitalter und die veränderten Rahmenbedingungen des Pauschalreisemarktes hauptsächlich durch eine Stärkung der Verbraucherrechte gewährleistet werden soll, wird dabei vielerorts begrüsst. Insbesondere von den Reiseanbietern wird die Revision allerdings wohl auch kritisch wahrgenommen. Zwar können auch Reisebüros und Hoteliers unter Umständen beispielsweise durch die Reduktion des Administrationsaufwandes von der neuen Richtlinie profitieren, doch werden sie von dieser auch vermehrt in die Pflicht genommen.

Es lohnt sich derweil auch aus schweizerischer Sicht, die weitere Rechtsentwicklung der europäischen Pauschalreiserichtlinien eingehend zu beobachten. Zwar ist die Schweiz weder Mitglied der EU noch des EWR, womit eine Änderung der Pauschalreiserichtlinie keine direkten Auswirkungen für Angebote von Pauschalreisen innerhalb der Schweiz hätte. Die hiesigen rechtlichen Regelungen bezüglich Pauschalreiserecht lehnen sich allerdings sehr stark ans europäische Recht an. Es ist folglich anzunehmen, dass auch das schweizerische Bundesgesetz über Pauschalreisen angepasst würde, sollte das EU-Parlament wie erwartet zur geplanten Revision zustimmen. Reiseveranstalter, die ihr Angebot auch auf Konsumenten aus EU-Ländern auf diese ausrichten, sind im Übrigen grundsätzlich bereits heute dazu verpflichtet, die Pauschalreiserichtlinie bzw. die Pauschalreisevorschriften des jeweiligen Landesrechts zu beachten.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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