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Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit blockierte mittels Allgemeinverfügung im Jahr 2015 die kommerzielle Einfuhr von nikotinhaltigen E-Zigaretten, die rechtmässig nach den Vorschriften der EU bzw. der Mitgliedstaaten hergestellt wurden. Mehr als zwei Jahre später hebt das Bundesverwaltungsgericht die Allgemeinverfügung aus formellen Gründen auf. Da der Erlass einer neuen Verfügung offenbar nicht geplant ist, dürfen E-Zigaretten gestützt auf das Cassis-de-Dijon-Prinzip auch in der Schweiz in Verkehr gebracht werden, selbst wenn dies nach den massgebenden technischen Vorschriften der Schweiz verboten ist.
Ausgangslage
Dem aktuellen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (C-7634/2015) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die A. AG stellt elektronische Zigaretten sowie dazu passende Nachfüllflüssigkeiten, sogenannte Liquids, her. Nachdem ein Kantonales Labor eine dieser Nachfüllflüssigkeiten untersucht hatte, teilte es der A. AG mit, das Produkt enthalte Nikotin, weshalb es als Gebrauchsgegenstand im Sinne des Lebensmittelgesetzes (LMG) in der Schweiz nicht verkehrsfähig sei und ersuchte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit (BLV) um Erlass einer Allgemeinverfügung.
Das BLV erliess die beantragte Allgemeinverfügung und verbot die kommerzielle Einfuhr und das Inverkehrbringen von nach ausländischen Vorschriften hergestellten, nikotinhaltigen elektrischen Zigaretten in der Schweiz, da eine Gefährdung der Gesundheit von Menschen vorliege (Art. 4 Abs. 4 Bst. b Bundesgesetz über die technischen Handelshemmnisse; THG).
Beschwerdegründe
Die A.AG setzte sich gegen die Allgemeinverfügung zur Wehr und brachte in ihrer Beschwerde insbesondere vor, dass nach Art. 16a Abs. 1 Bst. a und b THG Produkte in der Schweiz in Verkehr gebracht werden dürften, wenn diese den technischen Vorschriften der EU bzw. den technischen Vorschriften eines Mitgliedstaates der EU/EWR entsprechen und im EU/EWR-Mitgliedstaat nach Bst. a rechtmässig in Verkehr seien (Stichwort: „Cassis-de-Dijon-Prinzip“, vgl. MLL-News vom 10. Mai 2010). Das fragliche Produkt würde den technischen Vorschriften des niederländischen Beschlusses vom 24. November 2014 und folglich den Anforderungen gemäss Art. 16a Abs. 1 Bst. a THG entsprechen.
Allgemeinverfügung oder Rechtssatz
Das Bundesverwaltungsgericht musste sich nicht zu den materiellen Einwänden der beschwerdeführenden A. AG äussern, sondern hob die Verfügung auf, weil sie den Anforderungen an eine Allgemeinverfügung nicht genügte.
Das Gericht beschäftigte sich dabei ausführlich mit der Abgrenzung zwischen Allgemeinverfügung (generell-konkret) und Rechtssatz (generell abstrakt). Eine Allgemeinverfügung liege dann vor, wenn das Anordnungsobjekt hinreichend bestimmt bzw. der Gegenstand der Anordnung eindeutig umschrieben sei. Trotz offenem Adressatenkreis sei die Allgemeinverfügung ein Einzelakt, der einen konkreten Sachverhalt regle.
„E-Zigarette“ kein hinreichend bestimmtes Anordnungsobjekt
In einem ersten Schritt stellte das Bundesverwaltungsgericht durch Auslegung fest, dass die Allgemeinverfügung nicht nur elektronische Zigaretten regle, sondern auch deren Nachfüllbehälter (Liquids). Das Anordnungsobjekt betreffe sämtliche (bestehenden und zukünftigen) Modelle von E-Zigaretten inklusive deren Nachfüllbehälter. Das BLV habe somit ausgehend von der ursprünglich untersuchten Nachfüllflüssigkeit das Anordnungsobjekt erheblich ausgeweitet. Die Anordnung weise dadurch nicht nur einen offenen Adressatenkreis auf, sondern auch ein abstraktes Anordnungsobjekt, weshalb sie als Rechtssatz einzustufen sei. Aus diesen Gründen sei die Allgemeinverfügung des BLV wegen Fehlerhaftigkeit aufzuheben.
Fazit und Ausblick
Solange keine neue, gültige Allgemeinverfügung erlassen wird, ist das Inverkehrbringen von E-Zigaretten und nikotinhaltigen Liquids somit gestützt auf das Cassis-de-Dijon-Prinzip erlaubt. Dem Vernehmen nach sieht das BLV vom Erlass einer neuen Verfügung ab. Wie auf der Website des BLV festgehalten wird, ist allerdings erforderlich, dass die Produkte die technischen Anforderungen eines EU- oder EWR-Mitgliedstaates erfüllen und in einem EU oder EWR-Mitgliedstaat rechtmässig im Verkehr sind. Erfolgt die Herstellung solcher Produkte in der Schweiz unter Einhaltung der Vorgaben des EU-Rechts bzw. Rechts eines Mitgliedstaats, ist deren in Verkehrsbringung ebenfalls erlaubt.
Gemäss dem derzeit in Ausarbeitung befindlichen Tabakproduktegesetz gelten nikotinhaltige E-Zigaretten nicht mehr als Gebrauchsgegenstände im Sinne des Lebensmittelgesetzes, sondern als Tabakprodukte. Sie werden somit zu den gleichen Bedingungen wie Zigaretten für den Verkauf zugelassen (vgl. dazu MLL-News vom 2.6.14). Das Inkrafttreten des Gesetzes ist auf Mitte 2022 geplant.
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