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Verwertung fremder Datenbanken im Schweizer Recht


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Welchen Schutz gewährt das Schweizer Recht gegen die Verwertung fremder Datenbanken? Mit dieser für die Online-Branche zentralen Frage befasste sich Lukas Bühlmann in einer Präsentation anlässlich des 20. Drei-Länder-Treffens der DGRI. Er kommt darin zum Ergebnis, dass ein Vorgehen gegen eine Verwertung einer Datenbank durch Dritte in der Schweiz eher schwierig ist: Im Schweizer Recht besteht kein „sui-generis“-Urheberrecht für Datenbanken und auch der Schutz als Sammelwerk im Sinne des Urheberrechts ist an strenge Voraussetzungen geknüpft. Ein allenfalls in Betracht zu ziehender lauterkeitsrechtlicher Schutz vor einer Fremdverwertung ist ebenfalls nicht einfach durchzusetzen. Da die Rechtsprechung eher spärlich ist und deshalb noch viele Unklarheiten bestehen, gehen Kläger in solchen Fällen erhebliche Prozessrisiken ein. Als weitere Schutzmöglichkeit kommt eine vertragliche Lösung in Betracht. Aber auch hier sind gewisse Besonderheiten zu beachten.

DGRI-Drei-Länder-Treffen

Vom 13. bis 15. Juni 2013 fand in Konstanz das 20. Drei-Länder-Treffen der Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik (DGRI) statt. Thema des zweiten Veranstaltungstages war insbesondere die Verwertung von fremden Datenbanken und die rechtlichen Vorgaben dafür in den jeweiligen Ländern (Schweiz, Deutschland, Österreich). Im Rahmen dieses Themenblocks hielt Lukas Bühlmann einen Vortrag zur schweizerischen Rechtslage. Unter dem Titel „Skimming, Scraping, Scratching – Verwertung fremder Datenbanken im Schweizer Recht“ präsentierte er, unter welchen Voraussetzungen Datenbanken nach Schweizer Recht geschützt sind. Die wichtigsten Inhalte der Präsentation werden nachfolgend kurz dargestellt. Die vollständige Präsentation stellen wir Ihnen am Ende des Beitrags zum Download zur Verfügung.

Kein „Datenbankgesetz“ – Schutz über das Urheberrecht?

Einleitend wies Lukas Bühlmann darauf hin, dass die Schweiz – anders als die EUkein „Datenbankgesetz“ (sui-generis-Schutz) und deshalb auch keine gesetzliche Definition des Begriffs „Datenbank“ kennt.

Möglich wäre allerdings ein Schutz über das Urheberrecht. Dieses sieht zwar kein Sonderschutzrecht für Datenbanken vor, Datenbanken können jedoch die Voraussetzungen von Sammelwerken erfüllen und auf diese Weise geschützt sein, sofern sie sich insbesondere durch eine originelle und individuelle Auswahl und Anordnung der Daten auszeichnen (vgl. Art. 4 URG).

Schutz über das Lauterkeitsrecht?

Datenbanken sind folglich nur in Ausnahmefällen durch das Urheberrecht geschützt, weshalb sich die Frage nach alternativen Schutzmöglichkeiten stellt.

In Betracht kommt dabei primär das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), welches die Verwertung einer fremden Leistung unter gewissen Umständen als unlauter bezeichnet (Art. 5 lit. c UWG). Danach handelt unlauter, wer das marktreife Arbeitsergebnis eines anderen ohne angemessenen eigenen Aufwand durch technische Reproduktionsverfahren als solches übernimmt. Da die bundesgerichtliche Rechtsprechung dazu bisher äusserst spärlich ist, ist bis heute nicht restlos klar, in welchen Fällen die Übernahme einer fremden Leistung (un)zulässig ist. Auch eine klare Definition eines „marktreifen Arbeitsergebnisses“ existiert bisher nicht. Damit verbunden ist eine grosse Rechtsunsicherheit für alle Parteien, weshalb die Prozessrisiken für Erstkonkurrenten kaum vertretbar sind.

Unlautere Verwertung fremder Datenbanken: Voraussetzungen

Grundsätzlich kann jedoch festgehalten werden, dass das Verwerten fremder Datenbanken immer dann unlauter ist, wenn folgende Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sind:

  1. Die Daten stellen ein marktreifes Arbeitsergebnis dar, d.h. die Daten wären selbstständig am Markt verwertbar und sind insbesondere keine frei zugänglichen, allgemein bekannten Daten.
  2. Die Übernahme erfolgt unmittelbar und durch ein technisches Reproduktionsverfahren. Eine unmittelbare Übernahme liegt immer dann vor, wenn die Daten nicht verändert werden. Werden die Daten manuell erfasst, handelt es sich nicht um ein technisches Reproduktionsverfahren.
  3. Die Verwertung findet ebenfalls unmittelbar statt.
  4. All dies erfolgt ohne angemessenen eigenen Aufwand des Übernehmenden. Zur Beurteilung dient dabei beispielsweise der Vergleich zwischen dem Aufwand des Erstkonkurrenten mit demjenigen des Zweitkonkurrenten.
  5. Die Kosten des Erstkonkurrenten sind noch nicht amortisiert.

Nur wenn all diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist die Übernahme von Datenbanken lauterkeitsrechtlich unzulässig.

Weitere Schutzgrundlagen?

Neben diesen Gesetzesbestimmungen bestehen weitere Schutzgrundlagen, die eine Verwertung einer Datenbank durch Dritte möglicherweise verhindern können. Denkbar wäre beispielsweise ein vertragliches Fremdverwertungsverbot in den AGB oder den Nutzungsbedingungen. Für einen gültigen Einbezug solcher Verwertungsverbote in einen Vertrag sind allerdings wiederum besondere Voraussetzungen einzuhalten.
Fazit und Empfehlungen

Zusammenfassend kann insbesondere Folgendes festgehalten werden:

  • Die Schweiz kennt kein „sui-generis“-Urheberrecht für Datenbanken.
  • Der Schutz einer Datenbank als Sammelwerk im Sinne des Urheberrechts ist schwierig.
  • Ein Vorgehen gegen die parasitäre Verwertung fremder Datenbanken ist im Schweizer Recht mit grossen Prozessrisiken verbunden.
  • Die Schweizer Gerichte gewichten den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit sehr hoch.
  • Der Nachweis, dass die UWG-Bestimmung über die Verwertung fremder Leistungen zielführend sein kann, muss noch erbracht werden.
  • Eine vertragliche Lösung scheint keinesfalls ausgeschlossen.

Downloads:

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann


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