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Von der Gemeinschaftsmarke zur Unionsmarke


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Am 23. März 2016 traten im Europäischen Markenrecht einige wichtige Änderungen in Kraft. Auch wenn auf den ersten Blick vor allem die terminologischen Änderungen auffallen – die Gemeinschaftsmarke heisst neu Unionsmarke –, enthält die Reform einige – auch für schweizerische Unternehmen – wichtige Neuheiten. Diese werden nachfolgend dargestellt.

Wichtige Neuerungen

Die nachfolgenden Neuerungen im Gemeinschaftsmarkenrecht sind besonders wichtig:

  • Gemeinschaftsmarken heissen neu Unionsmarken. Zudem wird das Harmonisierungsamt für den Binnenmark (HABM) in das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) umgetauft.
  • Die Gemeinschaftsmarkengerichte heissen neu Unionsmarkengerichte.
  • Unionsmarken müssen neu direkt beim EUIPO hinterlegt werden. Früher konnten Gemeinschaftsmarken auch über die nationalen Markenbehörden angemeldet werden. Für Unternehmen aus der Schweiz dürfte dies keine Auswirkungen haben. Für schweizerische Unternehmen empfiehlt es sich, eine internationale Marke mit Schutzerstreckung auf die EU anzumelden. Dadurch erhält die Anmelderin den Schutz der Unionsmarke. Die internationale Markenanmeldung kann über das Institut für Geistiges Eigentum in Bern erfolgen.
  • Das Gebührensystem wird umgestellt. Wird Markenschutz für mehr als zwei Klassen beansprucht, wird die Anmeldegebühr neu jeweils um EUR 150.00 (pro zusätzlicher Klasse) teurer als bisher. Tendenziell billiger werden dagegen Markenverlängerungen.
  • Die durch EuGH-Entscheide – insbesondere den IP-Translator-Entscheid – verschärfte Klassifizierungspraxis für Gemeinschaftsmarken wird für die Unionsmarke neu in der Verordnung kodifiziert. Bei der verschärften Klassifizierungspraxis geht es um die „Interpretation“ von Oberbegriffen und Klassenüberschriften. Es stellt sich die Frage, ob sich der Schutz einer Marke bei ausschliesslicher Beanspruchung von Oberbegriffen auf sämtliche Waren und Dienstleistungen der betreffenden Waren- und Dienstleistungsklasse erstreckt. Dies wurde im IP-Translator-Entscheid verneint. Verlangt wird, dass das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis klar und präzise formuliert sein muss. Oberbegriffe erstrecken sich nur auf diejenigen Waren oder Dienstleistungen, die von der wörtlichen Bedeutung des Oberbegriffs umfasst sind. Wichtig: Inhaber von Gemeinschaftsmarken, bei denen im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis ausschliesslich Oberbegriffe verwendet wurden, haben eine Frist bis zum 24. September 2016, um das Verzeichnis anzupassen.
  • Es wurden neue absolute Schutzausschlussgründe hinzugefügt. Absolute Schutzausschlussgründe werden von Amtes wegen geprüft. Liegt ein solcher Grund vor, wird die Markeneintragung verweigert.
  • In der Praxis eine der wichtigsten Änderungen betrifft die Erweiterung der Ausschliesslichkeitsrechte. Im Gegensatz zur Situation bei der Gemeinschaftsmarke kann der Inhaber einer Unionsmarke Dritten die Benutzung eines identischen oder verwechselbaren Zeichens als Handels- oder Unternehmensnamen verbieten (siehe weitere Ausführungen im nachfolgenden Abschnitt). Neu kann ein Inhaber einer Unionsmarke auch die Verwendung eines verwechselbaren Zeichens in der vergleichenden Werbung verbieten, sofern diese Werbung gegen die EU-Richtlinie über irreführende oder vergleichende Werbung verstösst. Zuletzt kann gestützt auf die Unionsmarke die Einfuhr von Waren, die ein verwechselbares Zeichen tragen, in die EU verboten werden, selbst wenn diese Waren nicht für den freien Verkehr bestimmt sind.

Weitere Änderungen werden erst ab dem 21. Oktober 2017 wirksam.

Unternehmenskennzeichen vs. Marke

Wie bereits erwähnt, erachten wir die erweiterten Ausschliesslichkeits- oder Verbotsrechte des Inhabers einer Unionsmarke als für die Praxis besonders wichtig.

Bis anhin konnte der Inhaber einer älteren Gemeinschaftsmarke die Verwendung eines verwechselbaren Zeichens als Handelsname oder Unternehmenskennzeichen – nach schweizerischer Terminologie Firma – nicht in jedem Fall verbieten. Dies selbst dann, wenn die Marke älter war als das Unternehmenskennzeichen und das betreffende Unternehmen vergleichbare Waren und Dienstleistungen wie der Markeninhaber angeboten hat.

Wie kommt dies? „Schuld“ sind sowohl der Europäische Gerichtshof (EuGH) als auch der deutsche Bundesgerichtshof (BGH). Diese haben in mehreren Entscheiden (statt vieler EuGH vom 11. September 2009, Az. C-17/06; BGH vom 13. September 2007, I ZR 33/05; BGH vom 12. Mai 2011, I ZR 20/10) festgehalten, dass ein Markeninhaber lediglich die markenmässige Nutzung eines verwechselbaren Zeichens verhindern kann. Kein Verbotsanspruch bestand jedoch gegen einen rein firmenmässigen Gebrauch eines jüngeren verwechselbaren Zeichens.

Offensichtlich ist jedoch, dass die Abgrenzung zwischen marken- oder firmenmässiger Nutzung eines Zeichens nicht gänzlich klar ist. Falls ein Zeichen so verwendet wird, dass es aus Sicht des Verkehrs als Hinweis auf die betriebliche Herkunft einer Ware oder Dienstleistung zu verstehen ist, ist von einer markenmässigen Nutzung auszugehen. Wenn daher das jüngere verwechselbare Zeichen auf der Ware angebracht oder in der Werbung für Waren oder Dienstleistungen verwendet wird, liegt nach der erwähnten Gerichtspraxis eine markenmässige Nutzung vor, selbst wenn das Zeichen gleichzeitig auch das Unternehmenskennzeichen ist.

Mit der neuen Unionsmarke stellen sich diese Abgrenzungsfragen zwischen marken- oder firmenmässiger Nutzung nicht mehr. Der Inhaber einer Unionsmarke kann, was in der Praxis regelmässig sehr wichtig ist, auch die rein firmenmässige Nutzung eines jüngeren Zeichens verbieten. Dies ist für schweizerische Unternehmen sehr wichtig, weil sie sich in der EU im Allgemeinen – eine EU-Tochtergesellschaft oder Niederlassung vorbehalten – nicht auf den Schutz ihrer Firma berufen können (zumindest nicht auf den firmenrechtlichen Schutz). Markenschutz auch gegenüber jüngerem rein firmenmässigem Gebrauch ist daher besonders wichtig.

Aus markenrechtlicher Sicht interessant ist dabei, dass die Unionsmarke damit wohl auch einen weiteren Schutzbereich als z.B. die deutsche nationale Marke bietet. Gemäss dem bereits zitierten Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs vom 12. Mai 2011 (I ZR 20/10) besteht nach deutschem Markenrecht kein Verbotsanspruch gegenüber dem rein firmenmässigen Gebrauch eines Zeichens. Dies bedeutet, dass der Inhaber einer deutschen nationalen Marke ein verwechselbares jüngeres Unternehmenskennzeichen nicht per se verhindern kann. Umgekehrt kann in Deutschland ein Unternehmen gestützt auf das Unternehmenskennzeichenrecht jederzeit die Verwendung einer jüngeren, verwechselbaren Marke verhindern.

Aber: Da diese Erweiterung der Ausschliesslichkeitsansprüche der Unionsmarke erst am 23. März 2016 in Kraft traten, kann dieses neue Verbotsrecht nicht gegen Unternehmenskennzeichen und Handelsnamen geltend gemacht werden, die bereits vor dem 23. März 2016 gebraucht wurden. Für diese Unternehmenskennzeichen und Handelsnamen besteht ein Weiterbenutzungsrecht.

Was müssen schweizerische Unternehmen beachten?

Die Anmeldung einer Unionsmarke wird nun noch interessanter für schweizerische Unternehmen. Allerdings empfehlen wir, dass schweizerische Unternehmen Unionsmarken nicht bei der EUIPO, sondern mittels Anmeldung einer internationalen Marke mit Schutzwirkung auf die EU hinterlegen.

Schweizerische Unternehmen, welche bereits eine Gemeinschaftsmarke besitzen – sei es durch direkte Anmeldung einer Gemeinschaftsmarke, sei es durch Schutzerstreckung einer internationalen Marke auf die EU –, sollten unbedingt die Waren- und Dienstleistungsverzeichnisse der betreffenden Marken prüfen. Enthalten diese ausschliesslich Oberbegriffe, sollte das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis bis zum 24. September 2016 geprüft und, falls notwendig, an die neue verschärfte Klassifizierungspraxis angepasst werden.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Michael Reinle


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