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Am 1. Juli 2015 traten verschiedene Änderungen im Schweizerischen Obligationenrecht in Kraft, deren Auswirkungen eine beachtliche Zahl von Gesellschaften in der Schweiz, insbesondere Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung im KMU-Bereich betreffen. Was beinhalten diese neuen Vorschriften?
Neue Transparenzvorschriften, worum geht es?
Das schweizerische Parlament hat am 12. Dezember 2014 dem Bundesgesetz zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen des internationalen Gremiums GAFI (Groupe d’action financière) zugestimmt.
Ein wichtiger Teil der neuen Bestimmungen führt neue Anforderungen an die Transparenz juristischer Personen und der an ihnen wirtschaftlich berechtigten natürlichen Personen ein.
Wer ist betroffen?
Die neuen Transparenzvorschriften im Schweizerischen Obligationenrecht betreffen in erster Linie die nicht-kotierten Aktiengesellschaften, die Gesellschaften mit beschränkter Haftung und die Genossenschaften in der Schweiz.
Neue Pflichten von Aktionären bzw. Gesellschafter?
Besitzer von nicht-kotierten Inhaberaktien, seien sie in der Schweiz oder im Ausland wohnhaft und unabhängig von der Grösse ihrer Beteiligung, müssen der Gesellschaft ihren Namen und ihre Adresse melden. Der Aktionär hat den Besitz der Inhaberaktien nachzuweisen und muss sich gegenüber der Gesellschaft identifizieren. Alle Erwerber von nicht-kotierten Inhaberaktien müssen diese Pflicht innerhalb eines Monats seit Erwerb erfüllen.
Die neuen Bestimmungen sehen auch eine Pflicht zur Meldung der wirtschaftlich berechtigten Personen vor. Wer allein oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten Inhaber- oder Namenaktien einer Aktiengesellschaft oder Stammanteile einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung erwirbt und dadurch den Grenzwert von 25% des Kapitals einer Gesellschaft erreicht oder ihre Beteiligung entsprechend aufstockt, muss der Gesellschaft die Angaben über die wirtschaftlich berechtigte Person innert Monatsfrist ab Erwerb mitteilen. Die Meldepflicht gilt auch für bestehende Inhaberaktionäre, die den Grenzwert bereits erreichen. Diese neue Meldepflicht dürfte gerade im KMU-Bereich, wo die Beteiligungen weniger breit gestreut sind, häufig greifen.
Was sind die Folgen bei Nichteinhaltung dieser Meldepflichten?
Aktionäre und Gesellschafter, die diese Meldepflichten nicht rechtzeitig erfüllen, können ihre Mitgliedschaftsrechte bis zur Erfüllung nicht ausüben. So ruhen z.B. ihre Stimmrechte und die Vermögensrechte (insbesondere Dividendenansprüche) sind bei verspäteter Meldung sogar verwirkt! Holt der Aktionär oder Gesellschafter die Meldung zu einem späteren Zeitpunkt nach, so kann er nur die ab diesem Zeitpunkt entstehenden Vermögensrechte geltend machen.
Neue Pflichten des Verwaltungsrates bzw. der Geschäftsführung einer Gesellschaft?
Der Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft bzw. die Geschäftsführung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung hat gemäss den neuen Bestimmungen sicherzustellen, dass keine Aktionäre bzw. Gesellschafter unter Verletzung der erwähnten Meldepflichten Rechte ausüben.
Unter dem bisherigen Recht mussten Aktiengesellschaften mit Namenaktien ein Aktienbuch und Gesellschaften mit beschränkter Haftung ein Stammanteilbuch führen. Neu müssen auch jene Gesellschaften, welche die Informationen ihrer Inhaberaktionäre erhalten, diese in einem Verzeichnis erfassen. Zudem müssen Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung ein Verzeichnis über die der Gesellschaft gemeldeten wirtschaftlich berechtigten Personen führen.
Die neuen Verzeichnisse müssen jederzeit von der Schweiz aus zugänglich sein. Sie müssen wie die Geschäftsbücher der Gesellschaft während 10 Jahren nach der Auflösung und Löschung der Gesellschaft aufbewahrt werden. Belege, die einer Eintragung zugrunde liegen, müssen während 10 Jahren nach der Streichung des entsprechenden Eintrages aufbewahrt werden.
Gibt es keine Ausnahmen zu diesen neuen Bestimmungen?
Doch, sie sind jedoch nicht sehr zahlreich und dürften eher grosse Gesellschaften betreffen.
Die beschriebenen Bestimmungen kommen für börsengehandelte Aktien nicht zur Anwendung. Für kotierte Aktien gelten bereits die Bestimmungen des Börsenrechts und des Geldwäschereigesetzes.
Eine weitere Ausnahme betrifft Aktien, die als Bucheffekten ausgestaltet sind. Bei Bucheffekten handelt es sich um entmaterialisierte Wertschriften, die von einer Verwahrungsstelle verwaltet werden. Wie schon die Börsen unterstehen diese wiederum ihren eigenen spezifischen Bestimmungen.
Schliesslich kann eine Aktiengesellschaft mit Inhaberaktien auch beschliessen, die Verwaltung der neuen Verzeichnisse einem dem Geldwäschereigesetz unterstellten Finanzintermediären zu übertragen, um die Anonymität der Inhaberaktionäre und der an den Inhaberaktien wirtschaftlich berechtigten Personen zumindest gegenüber der Gesellschaft zu wahren. Der Beschluss muss von der Generalversammlung selbst gefasst werden.
Handlungsbedarf?
- Die betroffenen Gesellschaften müssen die neuen Verzeichnisse (wenn nicht schon erledigt) unverzüglich vorbereiten, führen und aufbewahren sowie die diesbezüglichen organisatorischen Massnahmen treffen.
- Für den Verwaltungsrat einer Aktiengesellschaft sowie die Geschäftsführung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung empfiehlt sich ein Informationsschreiben an die Aktionäre bzw. Gesellschafter betreffend die neuen Meldepflichten. Die Mitglieder des obersten Verwaltungsorgans haben doch ein Interesse daran, dass die Aktionäre oder Gesellschafter ihren Pflichten nachkommen, um eine einwandfreie und gültige Beschlussfassung an General- oder Gesellschafterversammlungen sicherzustellen.
- Ferner wäre eine Überprüfung der Statuten und allenfalls des Organisationsreglements der Gesellschaft sinnvoll, um festzustellen, ob diese angepasst werden müssen.
- Schliesslich ist davon auszugehen, dass viele Aktiengesellschaften mit nicht-kotierten Inhaberaktien die Notwendigkeit der Fortführung der Inhaberaktien sowie die Möglichkeit, Inhaberaktien in Namenaktien umzuwandeln, prüfen wollen.