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Am 15. Dezember 2014 hat die Wettbewerbskommission (WEKO) entschieden, dass sie an der bestehenden Kraftfahrzeug-Bekanntmachung (Kfz-Bekanntmachung) festhalten will. Damit bleibt die wettbewerbsrechtliche Behandlung von vertikalen Abreden im Kraftfahrzeughandel unverändert. Der Entscheid zur Weiterführung erfolgt nach einer Neubeurteilung der Verhältnisse auf dem Automobilmarkt und der stetigen Beobachtung der rechtlichen Entwicklungen in Europa. Dieses Vorgehen hatte die WEKO schon im Jahr 2012 angekündigt, nachdem sie sich schon damals für die vorläufige Beibehaltung der Kfz-Bekanntmachung entschieden hatte. Für die Kfz-Branche bedeutet dies unter anderem, dass der Mehrmarkenvertrieb wettbewerbsrechtlich geschützt bleibt.
Ausgangslage
In der Schweiz existiert seit 1994 eine spezielle kartellrechtliche Behandlungsweise für den Automobilvertrieb. Diese dient dem grundsätzlichen Ziel der Intensivierung des Wettbewerbs in der Branche und soll dem Ungleichgewicht zwischen Händler und Importeuren entgegenwirken. Im Jahr 2002 hat die WEKO hierzu, nach dem Vorbild der europäischen Kfz-GVO, die Kfz-Bekanntmachung erlassen. Darin erläutert die WEKO, wie sie hinsichtlich des Händlerschutzes im Bereich des Automobilvertriebs das Kartellrecht interpretiert und erlässt dazu rechtlich nicht verbindliche Vorschriften. Diese sehen beispielsweise vor,
- dass eine bei unbefristeten Händlerverträgen oder Verträgen mit einer Mindestlaufzeit von 5 Jahren eine Mindestkündigungsfrist von zwei Jahren gegeben ist,
- dass der Vertrieb mehrerer Marken möglich und wettbewerbsrechtlich geschützt ist,
- dass die Möglichkeit einer Spezialisierung auf den ausschliesslichen Verkauf von Neuwagen oder das ausschliessliche Anbieten von Reparatur- und Wartungsdienstleistungen geschützt ist,
- dass im After-Sales-Service entweder auf Original-Ersatzteile des Herstellers oder auf qualitativ gleichwertige Ersatzteile eines Dritten zurückgegriffen werden kann.
Letztmals hatte sich die WEKO im Jahr 2012 dazu entschieden, die Kfz-Bekanntmachungen unverändert beizubehalten. Dieser Beschluss fiel damals, nachdem die mit interessierten Kreisen durchgeführte Vernehmlassung sowie die schweizerischen Wettbewerbsverhältnisse eine Anpassung, insbesondere an die europäischen Änderungen beim Mehrmarkenvertrieb, nicht als dringlich erscheinen liessen.
Änderung der europäischen Kfz-GVO – Händlerschutzvorschriften fallen weg
Seit Juni 2013 gelten die Änderungen der europäischen Kfz-GVO für den Vertrieb insbesondere von neuen Kraftfahrzeugen im europäischen Primärmarkt. Hersteller und Importeure geniessen seit dann wieder mehr Flexibilität bei der Gestaltung ihrer Vertriebssysteme. Ein Verbot des Mehrmarkenvertriebs und andere Händlerschutzvorschriften erscheinen unter den neuen Regelungen der Kfz-GVO nicht mehr als unzulässig. Mit Spannung war deshalb zu erwarten, wie die WEKO bezüglich der Umsetzung des Schweizer Kartellrechts in ihren Kfz-Bekanntmachungen auf die Änderungen des europäischen Pendants reagieren würde.
In der Schweiz bleibt alles wie gehabt
Der Entscheid der WEKO vom 15. Dezember 2014 zum Festhalten an der bisherigen Kfz-Bekanntmachung festzuhalten ist in zweierlei Hinsicht beachtlich, denn grundsätzlich strebte die WEKO mittelfristig an, die Anwendung des schweizerischen Kartellrechts im Automobilbereich mit dem europäischen Wettbewerbsrecht zu harmonisieren. Auf eine Anpassung wurde aber bis heute verzichtet. Begründet wurde die abwartende Haltung bisher u. a. damit, dass eine mögliche Anpassung der Kfz-Bekanntmachung im Hinblick auf die laufende Revision des Kartellgesetztes nicht als nicht sinnvoll erscheine. Die Revision des Kartellgesetztes ist aber mittlerweile vom Tisch. Der Nationalrat lehnte im September dieses Jahres die kartellrechtlichen Revisionsvorschläge ab. Daneben ist die kartellrechtliche Sonderregelung der für den Automobilvertrieb in Europa (Kfz-GVO) seit Mai 2013 ausser Kraft und die neue europäische Rechtslage somit klar. Die Unsicherheiten, welche die WEKO an einer Anpassung der Kfz-Bekanntmachung an die europäische Rechtslage hinderten, sind heute aus dem Weg geräumt. Dieser Umstand gibt dem Entscheid der WEKO mehr Gewicht. So scheint sie sich nun grundsätzlich für die Schweizer Regelung und damit einem Festhalten an bestehenden Händlerschutzvorschriften entschieden zu haben.
Positiv für Kunden und das Autogewerbe
Die positiven Erfahrungen mit der bestehenden Kfz-Bekanntmachung dürften wohl den Ausschlag für den Grundsatzentscheid der WEKO gegeben haben. Von der Seite des Automobilgewerbes wird der Entscheid begrüsst. Es wird betont, dass mit der Weiterführung der Kfz-Bekanntmachung der Wettbewerb im Schweizer Autogewerbe sichergestellt wird, was im Hinblick auf marktgerechte Preise und Wahlmöglichkeiten bezüglich des Garagebetriebs den Konsumenten Nutzen stiftet. Zudem vermittelt sie den Garagenbetreiber durch die Beibehaltung der branchenspezifischen Regelungen unternehmerische Planungssicherheit. Die WEKO hat sich gegen eine Anpassung ans europäische Recht entschieden und wird, unter Miteinbeziehung der bisher gemachten Erfahrungen, die Kfz-Bekanntmachung nur geringfügig an die geltenden kartellrechtlichen Bestimmungen anpassen.
Weitere Informationen:
- BR-News: „WEKO: Kfz-Bekanntmachung gilt vorläufig unverändert weiter“
- BR-News: „WEKO: „Rekordbusse“ für BMW wegen Beschränkung von Parallelimporten in die Schweiz
- BR-News vom 30.7.2010: „WEKO hält vorläufig an der Kfz-Bekanntmachung fest“
- BR-News: „EU – Zukünftiger wettbewerbsrechtlicher Rahmen des Kfz-Vertriebs“
- BR-News: „EuGH zur Kfz-GVO: Selektionskriterien im quantitativen Selektivvertrieb müssen nicht objektiv gerechtfertigt sein“
- BR-News: „Michael Schüepp: Der Automobilvertrieb im europäischen und schweizerischen Kartellrecht“
- BR-News: „Tagungsbericht zum zehnten Atelier de la Concurrence über die kartellrechtlichen Vorschriften für den Kfz-Vertrieb“
- BR-News: «EU – Neue Wettbewerbsregeln für vertikale Vereinbarungen»
- BR-News: „Werbung einer unabhängigen Kfz-Werkstatt mit der Marke eines Kfz-Herstellers“
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann