Kartellrecht Uhrenhersteller Schweiz

WEKO-Sekretariat verzichtet auf Eröffnung einer kartellrechtlichen Untersuchung gegen Uhrenhersteller für Verhalten auf After-Sales-Märkten


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Das Sekretariat der Wettbewerbskommission (WEKO-Sekretariat) kommt gemäss einer kürzlich veröffentlichten Pressemeldung zum Schluss, ihre Vorabklärung betreffend die Weigerung von Ersatzteillieferungen von Uhrenherstellern an unabhängige Uhrmacher ohne Folgen einzustellen. Obwohl gewisse Verhaltensweisen identifiziert wurden, die kartellrechtlich erheblich sein könnten, erachtete das WEKO-Sekretariat die Eröffnung einer Untersuchung namentlich zur Prüfung der Effizienzrechtfertigung als unverhältnismässig.

Vorgeschichte und Eröffnung der Vorabklärung

Die WEKO eröffnete am 24. Oktober 2014 auf Beschwerden von Marktakteuren hin eine Vorabklärung i.S.v. Art. 26 KG in Bezug auf Nachverkaufsdienstleistungen für Uhren, sogenannter «Service Après-Vente (SAV)». Im Zentrum dieser Vorabklärung stand die kartellrechtliche Relevanz der monierten Weigerung der Lieferung von Ersatzteilen von Seiten einiger Uhrenhersteller an unabhängige Uhrmacherinnen und Uhrmacher. Anhand von Fragebögen, die unter anderem den Uhrenherstellern LVMH Swiss Manufactures SA, Rolex SA, Richemont International SA, The Swatch Group AG, Société anonyme de la Manufacture d’horlogerie Audemars Piguet & Cie und Breitling SA als auch anderen Marktteilnehmern zugestellt wurden, sammelte die WEKO Informationen zum relevanten Sachverhalt, namentlich zur Revision und Reparatur von Uhren und der Organisation des SAV (sog. «SAV-Systeme»).

SAV-Systeme als unzulässige Wettbewerbsabreden gem. Art. 5 KG?

Die Marktbefragung ergab, dass die Uhrenhersteller ihre SAV-Systeme grundsätzlich als selektive Vertriebssysteme (vgl. Ziff. 4 Abs. 1 Vertikalbekanntmachung) ausgestalten: Den Systemen liegt in den meisten Fällen eine individuelle Vereinbarung zwischen Uhrenherstellern und anhand festgelegter Merkmale ausgewählter SAV-Partner zugrunde. Obwohl es sich hierbei um Wettbewerbsabreden i.S.v. Art. 4 Abs. 1 KG handelt, kommt das WEKO-Sekretariat zum Schluss, dass es keine Hinweise auf das Vorliegen von Vermutungstatbeständen nach Art. 5 Abs. 4 KG gebe. Zu erörtern gelte es jedoch, ob das selektive Vertriebssystem allenfalls eine erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs i.S.v. Art. 5 Abs. 1 KG bewirkt. Hierfür unterscheidet das WEKO-Sekretariat zwischen zwei Ausprägungen der untersuchten SAV-Systeme:

(1) SAV-Systeme, die nicht mit dem Verkauf von Uhren verknüpft sind
Gemäss WEKO-Sekretariat hat die Vorabklärung gezeigt, dass die Selektionsmerkmale für zukünftige SAV-Partner derjenigen Uhrenhersteller, die den Verkauf von Uhren nicht mit dem SAV verknüpfen, meist auf die Gewährleistung der Qualität von SAV-Arbeiten zurückzuführen sind. Die Auswahlkriterien seien ausserdem objektiv messbar, verhältnismässig und so formuliert, dass sie für potenzielle SAV-Partner nachvollziehbar sind. Es handelt sich in diesen Fällen also um rein qualitative Selektivvertriebssysteme, die nach der Praxis der WEKO als kartellrechtlich unerheblich eingestuft werden.

(2) SAV-Systeme, die mit dem Verkauf von Uhren verknüpft sind
Ein anderes Bild zeichnet sich gemäss WEKO-Sekretariat jedoch in Bezug auf die Vereinbarungen der Uhrenhersteller ab, die den SAV mit dem Verkauf von Uhren verknüpfen: Diese könnten nicht als rein qualitativer Selektivvertrieb eingestuft werden, sondern müssten einer Erheblichkeitsprüfung mit quantitativen Elementen (insb. Marktstellung der Uhrenhersteller) unterzogen werden. Im Sinne einer vorläufigen Marktabgrenzung ging das WEKO-Sekretariat insbesondere von einer Segmentierung des Uhrenmarktes nach Preisklassen und von eigenständigen Sekundärmärkten für SAV bzw. Ersatzteile aus. Wegen der stark begrenzten Substituierbarkeit der SAV-Arbeiten und Ersatzteile schloss das WEKO-Sekretariat auf hohe Marktanteile der Uhrenhersteller sowie auf eine Hersteller- bzw. Markenabhängigkeit der Abnehmer auf den genannten Sekundärmärkten. Es kommt zum Schluss, dass die Erheblichkeit als erfüllt zu betrachten ist. Eine Verknüpfung von Sales und After-Sales Märkten beeinträchtigt somit den Wettbewerb erheblich und ist vorbehältlich einer allfälligen Effizienzrechtfertigung i.S.v. Art. 5 Abs. 2 KG unzulässig. Obwohl die Gewährleistung der Qualität des SAV wie bei den Systemen ohne Verknüpfung mit Uhrenverkauf thematisiert wird, sei diesbezüglich insbesondere offen, inwiefern der Verkauf von Uhren für die Zulassung zum SAV erforderlich ist.

SAV-Systeme als missbräuchliche Verhaltensweise marktbeherrschender Unternehmen gem. Art. 7 KG?

Basierend auf der bei der Prüfung des Tatbestands von Art. 5 KG vorgenommenen Marktabgrenzung kam die WEKO ausserdem zum Schluss, dass eine marktbeherrschende Stellung der Uhrenhersteller i.S.v. Art. 4 Abs. 2 KG auf dem relevanten Markt sehr wahrscheinlich ist. Aufgrund dessen wurde im Rahmen der Vorabklärung auch der Tatbestand von Art. 7 KG geprüft: Insbesondere untersuchte das WEKO-Sekretariat, ob die Weigerung der Belieferung von nicht dem SAV-System zugehörigen Uhrmachern als Verweigerung von Geschäftsbeziehungen i.S.v. Art. 7 Abs. 2 lit. a KG einzustufen und somit kartellrechtlich bedenklich ist. Hierfür differenzierte die WEKO wiederum zwischen den oben thematisierten Ausprägungen der eingesetzten SAV-Systeme:

(1) SAV-Systeme, die nicht mit dem Verkauf von Uhren verknüpft sind
Da es sich aufgrund ihrer Eigenschaft als rein qualitativer selektiver Vertriebssysteme um als unerheblich eingestufte Abreden handelt (vgl. oben), erachtet es das WEKO-Sekretariat als wahrscheinlich, dass allfällige missbräuchliche Verhaltensweisen nach Art. 7 KG ebenfalls sachlich gerechtfertigt sein könnten. Hierbei stützt sie sich vor allem auf das Gericht der Europäischen Union (EuG) und die EU-Kommission, die beide in einem in der EU laufenden Verfahren mit den gleichen Akteuren zum Schluss kamen, dass es nicht auszuschliessen sei, dass eine sachliche Rechtfertigung für die Weigerung, Ersatzteile an unabhängige Uhrenmacher zu liefern, vorliege (vgl. MLL-News vom 2. Dezember 2017).

(2) SAV-Systeme, die mit dem Verkauf von Uhren verknüpft sind
Wie bereits in Bezug auf Art. 5 KG festgehalten, steht einer Rechtfertigung allfälliger missbräuchlicher Verhaltensweisen von Uhrenherstellern, die ihre SAV-Systeme mit dem Verkauf von Uhren verknüpfen, die fragliche Erforderlichkeit dieser Verknüpfung potenziell entgegen.

WEKO-Sekretariat hält Eröffnung einer Untersuchung lediglich zur Klärung der Effizienzrechtfertigung für nicht verhältnismässig

Die soeben aufgeführten Erkenntnisse des WEKO-Sekretariats zeigen, dass in einem allfälligen Untersuchungsverfahren durch die WEKO hauptsächlich die Frage der Rechtfertigung aus Gründen der wirtschaftlichen Effizienz bzw. der sachlichen Rechtfertigung der SAV-Systeme, die mit dem Verkauf von Uhren verknüpft sind, zu beantworten gewesen wäre. Da dieselbe Materie auch von der EU-Kommission und dem EuG keiner weiterführenden kartellrechtliche Untersuchung zugeführt wurde (für Details vgl. MLL-News vom 2. Dezember 2017) und das WEKO-Sekretariat in den wesentlichen Punkten zu denselben Ergebnissen gekommen ist, stuft es die Eröffnung einer Untersuchung als unverhältnismässig ein. Es hebt zudem hervor, dass es unabhängigen Uhrmachern durchaus offensteht, sich für die Zulassung zu den SAV-Systemen derjenigen Uhrenhersteller zu bewerben, die den Verkauf von Uhren nicht mit dem SAV verknüpfen.

Mit dem Entscheid des WEKO-Sekretariats ist die Vorabklärung abgeschlossen: Dem Abschluss des Verfahrens in der EU folgend wird es also auch in der Schweiz keine vertiefte Prüfung der SAV-Systeme von Uhrenherstellern im Rahmen einer kartellrechtlichen Untersuchung der WEKO geben. Interessant zu lesen wird insbesondere der vollständige Schlussbericht zur Vorabklärung des WEKO-Sekretariats sein, der erst später, namentlich nach dessen Bereinigung um allfällige Geschäftsgeheimnisse der Parteien, veröffentlicht wird.

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