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Aufgrund einer Vereinbarung zwischen Ticketcorner und der Betreiberin des Zürcher Hallenstadions aus dem Jahr 2009 sind Veranstalter von Anlässen im Hallenstadion gezwungen, jeweils mindestens 50% der fremdvertriebenen Tickets über Ticketcorner zu verkaufen. In einer Pressemitteilung vom 9.12.2011 gab die Schweizer Wettbewerbskommission (WEKO) nun bekannt, dass dies keinen Verstoss gegen das Schweizer Kartellrecht darstelle. Die Betreiberin des Zürcher Hallenstadions verfügt gemäss der WEKO über keine marktbeherrschende Stellung. Ihr kann somit kein unzulässiges einseitiges Verhalten vorgeworfen werden. Darüber hinaus hat die Vereinbarung zwischen den beiden Parteien über die Kontingentierung der Tickets laut WEKO auch nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs geführt. Dementsprechend wurde auch das Vorliegen einer unzulässigen Wettbewerbsabrede verneint.
Anfangs 2009 haben die Aktiengesellschaft Hallenstadion Zürich (AGH), die Betreiberin des Zürcher Hallenstadions, und Ticketcorner einen fünfjährigen „Kooperationsvertrag“ abgeschlossen. Aufgrund dieser Vereinbarung sind die Veranstalter von Anlässen im Hallenstadion seither gezwungen, jeweils mindestens 50% der fremdvertriebenen Tickets über Ticketcorner zu vertreiben. In der Folge haben Konkurrenten der Ticketcorner zwei Anzeigen beim Sekretariat der WEKO eingereicht. Nachdem eine anschliessend durchgeführte Vorabklärung Anhaltspunkte für Verstösse gegen das Schweizer Kartellgesetz (KG) ergeben hat, eröffnete die WEKO im Februar 2010 eine Untersuchung (vgl. Pressemitteilung vom 08.2.2010). Rund zwei Jahre später hat die WEKO nun in der Pressemitteilung vom 09.12.2011 den Abschluss der Untersuchung bekannt gegeben. Die anfänglichen Verdachtsmomente haben sich der WEKO zufolge nicht erhärtet.
Die Untersuchung habe erstens aufgezeigt, dass die Betreiberin des Zürcher Hallenstadions über keine marktbeherrschende Stellung im Sinne von Art. 4 Abs. 2 KG verfüge. Sie habe zwar eine starke Marktstellung, stehe jedoch bei den meisten Anlässen in ausreichendem Wettbewerb mit anderen gedeckten und – im Sommer – offenen Veranstaltungsorten in der Deutschschweiz. Die WEKO schliesst somit einen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Art. 7 KG aus.
Zweitens ist in der Untersuchung auch geprüft worden, ob die Vereinbarung eine kartellrechtlich unzulässige Abrede im Sinne von Art. 5 KG darstellt, weil sie andere Mitbewerber vom Markt für den Vertrieb von Veranstaltungstickets ausschliesst. Gemäss der WEKO haben die Veranstalter die Ticketingvorgabe zwar nicht begrüsst. Für sie stünden jedoch bei der Wahl einer Lokalität für einen Anlass andere Faktoren (z.B. Lage, Kapazität und technische Ausstattung) im Vordergrund. Darüber hinaus schränke die Vereinbarung den Eigenvertrieb von Tickets über Veranstalter oder Künstler (z.B. über Fanclubs) nicht ein. Anderen Ticketingunternehmen stehe somit noch immer ein Anteil von über 90 Prozent des gesamten Ticketingmarktes in der Schweiz zur Bearbeitung offen, weshalb auf diesem Markt der Wettbewerb nicht erheblich beeinträchtigt werde. Dementsprechend verstösst der strittige Kooperationsvertrag nach Ansicht der WEKO nicht gegen das Schweizer Kartellrecht.
Interessant an der nun abgeschlossenen Untersuchung ist auch, dass die WEKO Ende 2003 in einem früheren Verfahren rund um Exklusivverträge zwischen Ticketcorner und Event-Veranstaltern eine marktbeherrschende Stellung von Ticketcorner und einen Missbrauch dieser Marktstellung annahm. Die damalige Beschwerdeinstanz, die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen (heute: Bundesverwaltungsgericht), hob den Entscheid der WEKO jedoch im Jahre 2005 wieder auf (vgl. RPW 2005/4, S. 672 ff.). Dies weil die WEKO die rechtlichen Vorgaben unzutreffend angewandt und insbesondere aufgrund einer unklaren und widersprüchlichen Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes zu Unrecht auf eine marktbeherrschende Stellung geschlossen habe.
Update #1: Das Bundesverwaltungsgericht ist auf eine gegen die Verfügung der WEKO gerichtete Beschwerde der Ticketcorner-Konkurrenten Starticket AG, Ticketino AG und ticketportal AG nicht eingetreten. Das Gericht verneinte die Beschwerdelegitimation der Konkurrenten, da die fragliche Vertragsklausel nicht zu einem erheblichen Nachteil führe, welcher eine besondere, nahe Beziehung zur Streitsache begründe. Erforderlich gewesen wäre ein durch die Wettbewerbsbeschränkung bewirkter, deutlich spürbarer wirtschaftlicher Nachteil. Die Tatsache, dass die Konkurrenten Parteistellung im WEKO-Verfahren hatten, ist gemäss dem Bundesverwaltungsgericht für die Beurteilung der Beschwerdebefugnis nicht massgeblich (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts B-446/2012 vom 19. September 2012).
Update #2: Das Bundesgericht hat eine Beschwerde gegen den Nichteintretensentscheid des Bundesverwaltungsgerichts teilweise gutgeheissen (Urteil 2C_1054/2012 vom 5. Juni 2013). Das höchste Gericht hielt fest, dass Konkurrenten die Möglichkeit haben müssen, sich zu beschweren, wenn sie einen deutlich spürbaren wirtschaftlichen Nachteil erleiden. Ein solcher sei entgegen den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht erst dann zu bejahen, wenn der wirksame Wettbewerb nicht mehr funktioniere. Das Bundesgericht wies die Rechtssache deshalb zurück an die Vorinstanz. Diese muss nun überprüfen, ob die WEKO die Untersuchung gegen das Hallenstadion und Ticketcorner zu Recht eingestellt hat.
Weitere Informationen:
- Pressemitteilung der WEKO vom 9. Dezember 2011
- Verfügung der WEKO vom 14. November 2011
- BR-News: „Eckwerte der Revision des Schweizer Kartellgesetzes stehen fest“
- BR-News: „CH-Kartellrecht: WEKO untersucht Vertrieb von Musik“
Ansprechpartner: Lukas Bühlmann & Michael Schüepp