WEKO-Verfügung zu Beschränkungen des Internetvertriebs von Haushaltsgeräten veröffentlicht


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Nachdem die Schweizer Wettbewerbskommission (WEKO) bereits in einer Pressemitteilung bekannt gab, dass das Verfahren über die Beschränkungen des Online-Handels mit Haushaltsgeräten abgeschlossen wurde (vgl. BR-News vom 16.8.2011), sind nun auch die Einzelheiten des Entscheids veröffentlicht worden. Die Verfügung, inklusive einvernehmlicher Regelung, ist seit gestern auf der Website der WEKO abrufbar. Daraus geht hervor, dass das Verbot des Online-Handels im vorliegenden Fall zwar nicht zu einer „Geldbusse“ hätte führen können, da die Voraussetzungen von Art. 5 Abs. 4 KG nicht erfüllt waren. Allerdings führt die als sog. Passivverkaufsverbot eingestufte Abrede gemäss der WEKO zu einer erheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigung, die auch nicht mit dem Argument der Bekämpfung des Trittbrettfahrerproblems gerechtfertigt werden kann und somit unzulässig ist.

Die Verfügung der WEKO vom 11. Juli 2011 zeigt zunächst auf, dass die Electrolux AG allen ihren Händlern unter Berufung auf ihr selektives Vertriebssystem den Internetvertrieb von Elektrogeräten der Marke Electrolux untersagte. Der zweite betroffene Hersteller, die V-Zug AG, hatte (nach mehreren Umgestaltungen) ein Vertriebssystem errichtet, bei dem der Online-Handel unter Einhaltung von definierten Mindestkriterien zwar weiterhin beliefert werden sollte. Die Untersuchung der WEKO hat sodann aber aufgezeigt, dass der Online-Handel mit Produkten der V-Zug AG immer noch stark behindert wurde, weil es den Online-Händlern fast nicht möglich war, die vorgeschriebenen Mindestkriterien zu erfüllen. Nachdem die WEKO interveniert hatte, haben die Hersteller ihre Vorhaben nicht vollständig umgesetzt. Ferner zeigten sie auch Bereitschaft zum Abschluss einer einvernehmlichen Regelung, welche letztlich auch zur Einstellung des Verfahrens geführt hat.

Die WEKO ging zunächst davon aus, dass eine (vertikale) Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG vorliegt. Auch wenn die Verbote bzw. Einschränkungen der Hersteller nicht explizit in Verträgen enthalten waren, sondern einseitig angeordnet wurden, erachtete sie ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken zwischen dem jeweiligen Hersteller und einzelnen Gruppen von Händlern als gegeben. Sie hielt fest, dass auch einseitige Massnahmen als Vereinbarung im Sinne von Art. 4 Abs. 1 KG qualifiziert werden können, sofern sie eine Bindungswirkung entfalten. Diese wurde in Bezug auf Händler, die sowohl online als auch offline vertreiben, darin erblickt, dass die Verbote eingehalten worden wären, weil sie andernfalls eine Nichtbelieferung und damit eine wesentliche Umsatzeinbusse riskiert hätten.

Da in der Schweiz nur Abreden mit „Geldbussen“ sanktioniert werden können, die unter die sog. Vermutungstatbestände in Art. 5 Abs. 4 KG fallen, ist diese Beurteilung zentral. Vor diesem Hintergrund erläutert die WEKO in der Folge, unter welchen Umständen ein Verbot von Internetverkäufen die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen könnte. Dies obwohl im vorliegenden Fall keine Hinweise oder Beweismittel dafür vorlagen.

Ein Verbot des Internetvertriebs kann gemäss der WEKO in der Regel nur dann den Tatbestand der Festsetzung des Wiederverkaufspreises (Preisbindung der zweiten Hand) erfüllen, wenn es von weiteren Umständen wie z.B. Preisempfehlungen oder einer Vertragskündigung bei Nichteinhaltung eines bestimmten Preisniveaus begleitet wird. In Bezug auf die ebenfalls von Art. 5 Abs. 4 KG erfassten Gebiets- oder Kundenbeschränkungen (absoluter Gebietsschutz) wird zunächst bestätigt, dass es sich beim Internetverkauf grundsätzlich um eine passive Verkaufsmassnahme handelt. Wird eine solche untersagt, liegt ein Passivverkaufsverbot vor, welches nach Art. 5 Abs. 4 KG bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen vermutungsweise unzulässig ist. In Anlehnung an die Leitlinien der EU-Kommission ist gemäss der WEKO bei folgenden Abreden von einem Passivverkaufsverbot auszugehen und eine sanktionierbare Abrede naheliegend:

  • Pflicht des Händlers, die Abrufbarkeit seiner Website für Kunden aus einem anderen (Vertrags-) Gebiet zu verhindern;
  • Pflicht der Händler, auf ihren Websites eine automatische Umleitung auf die Website anderer Wiederverkäufer oder des Herstellers einzurichten (sog. re-routing);
  • Pflicht der Händler, Internet-Transaktionen von Endabnehmern zu unterbrechen, sobald ihre Kreditkarte eine Adresse erkennen lässt, die nicht im (Vertrags-)Gebiet des Händlers liegt.

Sofern wie im vorliegenden Fall die Vermutungstatbestände nicht erfüllt sind, misst sich die Zulässigkeit einer Abrede an Art. 5 Abs. 1 KG. Danach sind Abreden, die den Wettbewerb auf einem Markt erheblich beeinträchtigen und sich nicht durch Gründe der wirtschaftlichen Effizienz rechtfertigen lassen, unzulässig. Die WEKO erläutert zunächst wie in ihrer Vertikal-Bekanntmachung (Ziff. 12 Abs. 2), dass die Erheblichkeit einer Wettbewerbsbeeinträchtigung sowohl qualitative als auch quantitative Elemente zu berücksichtigen seien.

In qualitativer Hinsicht, d.h. bei der Frage der Bedeutung eines von der Abrede betroffenen Wettbewerbsparameters für die Konkurrenzverhältnisse, stand der Wettbewerbsparameter Preis im Vordergrund. Gestützt auf Studien und Befragungen von Marktteilnehmern wird festgehalten, dass das Preisniveau im Online-Handel in aller Regel tiefer ist als im stationären Fachhandel und in der Schweiz bei Haushaltsgeräten Preisdifferenzen zwischen 8 % und 46 % bestehen. Dementsprechend werden Online-Händler als besonders „preiskompetitive“ Anbieter betrachtet, welche einen gewissen Wettbewerbsdruck auf die stationären Händler ausüben. Darüber hinaus erhöhe sich dieser Druck aufgrund der durch den Online-Handel angestiegenen Preistransparenz zusätzlich, weil Konsumenten und Anbieter infolge der erleichterten Vergleichbarkeit besser über die im Markt angebotenen Preise etc. informiert seien.

Ein Verbot des Online-Vertriebs würde gemäss der WEKO deshalb dazu führen, dass der Preisdruck wegfällt und damit ein höheres Preisniveaus einhergehen dürfte. Ein Ausschluss bzw. die Einschränkung des Internetvertriebs beeinträchtige folglich den zentralen Wettbewerbsparameter Preis. Schliesslich betont die WEKO, dass ein generelles Verbot von Internetverkäufen ein Passivverkaufsverbot darstellt, und somit in qualitativer Hinsicht bereits dem Gegenstand nach als erhebliche Wettbewerbsabrede zu qualifizieren ist (Ziff. 12 Abs. 2 lit. c Vertikal-Bekanntmachung).

Für die Beurteilung der quantitativen Erheblichkeit, d.h. für die Frage, wie umfassend der Markt von einer Wettbewerbsabrede tangiert ist, definierte die WEKO zunächst den relevanten Markt. Dieser sah sie im Schweizer Markt für Grosshaushaltsgeräte, der sich durch Preise, die in der Regel höher sind als CHF 600 und Abnehmer, die auch Wohneigentümer sind, auszeichne. Auf diesem Markt seien die beiden Hersteller mit Marktanteilen von je 20-30 % Marktführer. Insbesondere auch aufgrund der zeitnahen Einführung der Beschränkungen des Internetvertriebs durch die beiden Marktführer geht die WEKO darüber hinaus auch von einem kumulativen Abschottungseffekt aus. Folglich wurde das generelle Internetverkaufsverbot auch quantitativ als schwerwiegend eingestuft.

Vor diesem Hintergrund hatte die WEKO zu prüfen, ob die erhebliche Wettbewerbsbeeinträchtigung durch Effizienzgründe im Sinne von Art. 5 Abs. 2 KG gerechtfertigt war. Da sich die Abrede nicht innerhalb eines „sicheren Hafens“ (vgl. Ziff. 16 Abs. 2 Vertikal-Bekanntmachung) befand, wurde eine Einzelfallprüfung vorgenommen.

Die beiden Hersteller brachten insbesondere vor, dass sie die Beschränkungen des Online-Handels aufgrund des Trittbrettfahrerproblems eingeführt hätten. Die WEKO stützte sich bei der Ablehnung dieses Rechtfertigungsgrunds insbesondere darauf, dass vielfach nicht von einem einseitigen Trittbrettfahren von Online-Händlern gesprochen werden könne. Vielmehr hätten zahlreiche Studien Wechselwirkungen zwischen dem stationären Fachhandel und dem Online-Handel aufgezeigt. Darin werde zwar belegt, dass bei einer Vielzahl von Bestellungen in Online-Shops (27 %) vor dem Kauf der stationäre Handel aufgesucht werde, um Informationen zum Produkt einzuholen. Allerdings gehe daraus auch hervor, dass bei einem beträchtlichen Teil der Käufe im stationären Handel (23%) vor dem Kauf weitere Informationen zum Produkt in Online-Shops eingeholt worden werden. Dementsprechend betont die WEKO, dass eine Beschränkung bzw. ein Verbot des Online-Handels mit dem Argument des Trittbrettfahrens nur bedingt rechtfertigbar sei. Ohne sich letztlich definitiv festzulegen, weist die WEKO auch darauf hin, dass das Verbot nicht das geeignetste und mildeste Mittel zu sein scheine, einem allfälligen Trittbrettfahrerproblem Herr zu werden. Beispielsweise sei es denkbar, dass Aufwendungen, welche stationäre Fachhändler erbringen, mit einem fixen Betrag abgegolten werden. Wie in der EU sei es ferner zulässig, im Rahmen des Selektivvertriebs von den zugelassenen Händlern den Betrieb eines stationären Fachgeschäfts zu verlangen oder bestimmte Vorgaben an die Online-Präsentation der Produkte zu machen.

In der einvernehmlichen Regelung werden die beiden Hersteller verpflichtet, den zu ihrem selektiven Vertriebssystem zugelassenen Händlern den Online-Verkauf der Vertragsprodukte zu gestatten. Interessant ist darüber hinaus auch eine Verpflichtung in Bezug auf die Wahl des Domain-Namens. Danach müssen die Hersteller ihren zugelassenen Händlern künftig erlauben, für ihren Online-Shop einen Domain-Namen zu verwenden, welcher von der Firma oder Geschäftsbezeichnung des Händlers abweicht. Dies gilt gemäss der Verfügung zumindest solange keine sachlichen Gründe dafür bestehen, dass dieser gewählte Domain-Name für die Marke Electrolux objektiv nachteilig ist und die Website eindeutig die Firma oder Geschäftsbezeichnung eines Händlers klar und auf den ersten Blick erkennen lässt.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Lukas Bühlmann & Michael Schüepp


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