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In einem aktuellen Urteil hat das Oberlandesgericht München entschieden, dass, obschon ein entsprechendes Patent angemeldet wurde, eine wettbewerbswidrige Irreführung vorliegt, wenn für Zahnzwischenraumreiniger Werbung mit „patent pending“ betrieben wird. Die angesprochenen Durchschnittsadressaten hätten weder vertiefte Kenntnisse der englischen Sprache noch seien sie mit den verschiedenen Stadien des Patenterteilungsverfahrens vertraut. Daher entstehe bei ihnen der Eindruck, dass ein anhängiges Patent im Sinne eines erteilten Patents existiere und der beworbene Interdentalreiniger somit eine Sonderstellung im Verhältnis zu anderen Produkten ohne Patentschutz innehabe. Es ist somit stets mit Bedacht auf Schutzrechte hinzuweisen – auch in der Schweiz. Es ist nämlich nicht auszuschliessen, dass schweizerische Gerichte Werbungen mit dem Hinweis „patent pending“ ebenfalls als irreführend beurteilen würden.
Mit „patent pending“ beworbene Zahnzwischenraumreiniger
Zum Sachverhalt: Die deutsche Beklagte vertreibt in Deutschland Mund- und Zahnpflegeprodukte eines schwedischen Unternehmens. Seit Anfang November 2014 verkauft die Beklagte mit dem Hinweis „patent pending“ auch den Interdentalreiniger „Easy Pick“.
Die Klägerin fabriziert und vertreibt Zahnzwischenraumreiniger. Sie verklagte die Beklagte vor dem Landgericht München wegen einer UWG-Verletzung und forderte, die Beklagte hätte es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr für Mund- und Zahnpflegeprodukte mit dem Hinweis „patent pending“ zu werben, sofern kein für die Bundesrepublik Deutschland erteiltes Patent existiere. Hilfsweise beantragte die Klägerin die Unterlassung, sofern keine deutsche Patentanmeldung offengelegt oder die deutsche Übersetzung einer europäischen Patentanmeldung veröffentlicht worden sei.
LG München: Werbung mit „patent pending“ ist bei vorliegender Patentanmeldung nicht missverständlich
In erster Instanz wurde es der Beklagten lediglich verboten, Hilfsmittel für die Zahnzwischenraumreinigung mit dem Hinweis „patent pending“ zu bewerben, sofern keine deutsche Patentanmeldung offengelegt oder die deutsche Übersetzung einer europäischen Patentanmeldung veröffentlicht worden sei.
Das Landgericht München begründete seinen Entscheid damit, dass der Hinweis „patent pending“ nicht irreführend sei, sofern tatsächlich ein entsprechendes Patent angemeldet sei. Der Hinweis auf den Patentschutz sei in der Werbung nur für diejenigen Verbraucher relevant, die damit eine realistische Vorstellung verbinden. Die entsprechenden Personen verstünden den Hinweis „patent pending“ auch unmissverständlich so, dass eine Patentanmeldung vorliege, das Patent aber noch nicht erteilt wurde.
Im vorliegenden Fall sei die Werbung der Beklagten aber irreführend, weil die Beklagte bereits vor der Veröffentlichung der Anmeldung des Patents EP 14 158 195.9 unter dem Hinweis „patent pending“ für den Zahnzwischenraumreiniger „Easy Pick“ geworben habe. Gegen dieses Urteil legten beide Parteien ein Rechtsmittel beim Oberlandesgericht München ein.
OLG München: Werbung mit dem Hinweis „patent pending“ ist trotz Patentanmeldung irreführend
In seinem Urteil vom 1. Juni 2017 (6 U 3973/16) änderte das OLG München die Entscheidung der Vorinstanz ab. Es verbot der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr mit dem Hinweis „patent pending“ zu werben, wenn und soweit für die beworbenen Produkte kein mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteiltes Patent existiert (Urteil 6 U 3973/16).
Das OLG München begründete seinen Entscheid damit, dass eine Werbung mit dem Hinweis „patent pending“ auch dann irreführend sei, wenn eine Patentanmeldung vorliege.
Zwar sei der Begriff „patent pending“ für denjenigen Teil des Verkehrs, der sich mit der englischen Sprache bzw. der in Rede stehenden Thematik auskenne, unmissverständlich. Der wohl zahlenmässig deutlich überwiegende Teil des Verkehrs verfüge aber in der Regel nicht über vertiefte Englischkenntnisse und kenne die Bedeutung des Wortes „pending“ nicht. Zusätzlich seien diese Durchschnittsadressaten mit den verschiedenen Stadien des Patenterteilungsverfahrens nicht vertraut und der Begriff „Patentanmeldung“ sei ihnen nicht bekannt, daher würden sie dem Hinweis „patent pending“ die Bedeutung beimessen, dass das betreffende Produkt bereits patentiert sei. Der Hinweis „patent pending“ sei somit für einen erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs irreführend.
Zudem führte das OLG München aus, der Hinweis auf den Patentschutz sei wettbewerbsrechtlich relevant, da er geeignet sei, den allgemeinen Verkehr in geschäftlichen Entscheidungen zu beeinflussen. Der Durchschnittsadressat verbinde mit dem Patentschutz nämlich eine technische Sonderstellung des beworbenen Produkts und würde daher eher dazu tendieren das mit Patentschutz beworbene Produkt als dasjenige anderer Anbieter ohne entsprechenden Schutz zu kaufen. Würde er hingegen klar darauf hingewiesen, dass das Patent lediglich angemeldet wurde, mithin noch nicht auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit geprüft wurde, würde er dem Produkt keine besondere Sonderstellung zumessen und es somit auch nicht bevorzugt erwerben.
Missbräuchliche Werbung mit Patenten in der Schweiz?
In der Schweiz wurde die Frage, ob Werbung mit dem Hinweis „patent pending“ trotz Patentanmeldung irreführend ist, bisher noch nicht richterlich entschieden. Ohnehin ist es kaum möglich diese Frage pauschal zu beantworten, da die Antwort darauf stark einzelfallabhängig ist.
Die schweizerischen Gesetzesvorschriften, die für die Beurteilung dieser Frage massgebend sind (insb. Art. 3 Abs. 1 lit. b CH-UWG), sind aber den deutschen Vorschriften (insb. § 5 DE-UWG) sehr ähnlich. Es ist daher nicht auszuschliessen, dass die schweizerischen Gerichte solche Fälle gleich entscheiden würden und somit Werbungen mit dem Hinweis „patent pending“ trotz Patentanmeldung als irreführend beurteilen würden.
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