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Eine Revision des Arbeitsvertragsrechts soll die grundsätzliche Zulässigkeit einer nach Treu und Glauben erfolgten Meldung eines Missstandes zu dessen Beseitigung oder Sanktionierung gesetzlich verankern und klarstellen, dass eine darauf basierende Kündigung als missbräuchlich zu gelten hat. Nachfolgend wird einerseits ein Überblick über die mögliche künftige Regelung zur Meldung von Missständen im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis gegeben. Andererseits soll aus einem praxisbezogenen Blickwinkel aufgezeigt werden, mit welchen Massnahmen Arbeitgeber das Risiko von externem Whistleblowing minimieren können.
Unter «Whistleblowing» wird die Offenlegung von illegalen oder unethischen Geschäftspraktiken, sei es durch interne Meldung oder durch Benachrichtigung der Öffentlichkeit, verstanden. Bis dato ist gesetzlich nicht geregelt, was ein Arbeitnehmer beim Entdecken von Missständen am Arbeitsplatz vorkehren muss oder darf. Der Arbeitnehmer hat für den Entscheid, ob und wie er über ihm bekannte Missstände Meldung erstatten soll, eine Abwägung seiner eigenen Interessen gegenüber jenen des Arbeitgebers vorzunehmen. Nach geltender Rechtslage bestehen grosse Rechtsunsicherheiten. Das Unwissen bezüglich der geltenden Bestimmungen und die daraus resultierende Unsicherheit hinsichtlich der Berechtigung einer Meldung veranlassen die Arbeitnehmer in den meisten Fällen, Stillschweigen zu bewahren.
Die geplante Teilrevision des Obligationenrechts (OR) zum Schutz bei Meldung von Missständen am Arbeitsplatz hat zum Ziel, mehr Klarheit zu schaffen, den Arbeitnehmern mit gewissen rechtlichen Leitplanken eine Anleitung zum Vorgehen bei einer Meldung von Missständen zu geben und für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmer mehr Rechtssicherheit zu schaffen. Neben der Einführung eines neuen Art. 321abis E-OR, der die Zulässigkeit von «Whistleblowing» im Grundsatz festhält und das Vorgehen bei Meldungen von Missständen normieren wird, soll gesetzlich festgehalten werden, dass eine Kündigung durch den Arbeitgeber missbräuchlich ist, wenn sie ausgesprochen wird, weil eine Meldung nach Art. 321abis E-OR gemacht worden ist.
Neue Richtlinien für den Arbeitnehmer
Der Arbeitnehmer verstösst nach dem Gesetzesentwurf nicht gegen seine Treuepflicht, wenn er dem Arbeitgeber in Treu und Glauben Missstände meldet. Als Missstand gilt dabei jeder Sachverhalt, der im Widerspruch zu einer Verpflichtung des Unternehmens oder seiner Mitarbeiter steht. Dabei geht es in erster Linie um strafbare Handlungen.
Bei einer Meldung von Missständen hat der Arbeitnehmer künftig einen klar vorgegebenen Dienstweg einzuhalten. Art. 321abis E-OR nennt als Adressaten der Meldung betreffend einen entdeckten Missstand in erster Linie den Arbeitgeber («internes Whistleblowing»). Unter gewissen Umständen ist eine (anschliessende) Meldung auch an eine unternehmensexterne Behörde zulässig. Dieses «externe Whistleblowing» bedingt jedoch, dass öffentliche Interessen durch den Missstand berührt werden. Unternimmt nach erfolgter Meldung auch die zuständige Behörde innert angemessener Frist die nötigen Schritte zur Behebung des Missstandes nicht oder ist nicht mit entsprechenden Schritten zu rechnen, so erhält der Arbeitnehmer schliesslich das Recht, die Öffentlichkeit über die Missstände zu informieren.
Generelle Richtlinien für den Arbeitgeber
Der Gesetzesentwurf schreibt dem Arbeitgeber kein Handeln vor. Dessen ungeachtet kann dieser aber mit der Einführung eines internen Whistleblowing-Systems den Arbeitnehmern das Vorgehen beim Entdecken eines Missstandes vorgeben und damit das Risiko einer externen Missstands-Meldung minimieren. Folgende Faktoren sind dabei zu berücksichtigen:
Zur sorgfältigen Implementierung eines Melde-Systems gehört, dass die Arbeitnehmer mittels Schulung einerseits die korrekte Nutzung des Systems kennen lernen und ihnen insbesondere aufgezeigt wird, wie eine Meldung zu deponieren ist. Andererseits sind die Arbeitnehmer zu informieren, was mit der Meldung anschliessend geschehen wird, und welche Konsequenzen die Meldung für sie selbst haben könnte bzw. wie unliebsame Konsequenzen vermieden werden können.
Eines der wichtigsten Merkmale eines funktionierenden Melde-Systems ist die Wahrung der Anonymität des Whistleblowers und nicht bloss der Vertraulichkeit einer Meldung. Trotz der Anonymität sollte eine zweiseitige Kommunikation zwischen dem Whistleblower und der zuständigen Stelle ermöglicht werden. Das Fehlen einer Dialog-Möglichkeit bei anonymen Meldungen erschwert oder verunmöglicht eine umfassende Aufklärung der gemeldeten Fälle. Zudem wird mit einem regelmässigen Feedback vermieden, dass der Arbeitnehmer vorschnell zum Schluss kommt, seiner Meldung würde intern keine Beachtung geschenkt.
Für die Arbeitnehmer wird es wichtig sein, bei Unklarheiten Fragen stellen zu können. Auch für den Arbeitgeber ist es vorteilhaft, wenn den Arbeitnehmern gleichzeitig die Möglichkeit geboten wird, Fragen zu stellen. Er gewinnt hierdurch einen guten Einblick, welche (Compliance-)Fragen die Arbeitnehmer beschäftigen. Dies ermöglicht es dem Arbeitgeber allenfalls, Risiken und Schwachstellen gezielt zu identifizieren und frühzeitig zu beheben.
Gelingt es dem Arbeitgeber, dass seine Arbeitnehmer Vertrauen in das System gewinnen, werden sie motiviert sein, betriebsinterne Ungereimtheiten frühzeitig zu melden, ohne Gefahr zu laufen, ihre Geheimhaltungs- und Treuepflichten gegenüber dem Arbeitgeber zu verletzen oder gar Vergeltungsmassnahmen befürchten zu müssen. Der Arbeitgeber erhält dadurch die Möglichkeit, früh an Informationen betreffend mögliche Unstimmigkeiten zu gelangen und auf solche reagieren zu können. Missstände können anschliessend beseitigt und grössere (Reputations-)Schäden vermieden werden. Dies wiederum kann dazu führen, dass die Zufriedenheit am Arbeitsplatz gefördert wird und die Arbeitsmotivation der Arbeitnehmer steigt. So kann es gelingen, Missstände gar nicht erst entstehen zu lassen; und wo kein Missstand, da kein Whistleblower.
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Dieser Überblick basiert auf dem Aufsatz:
Thomas Kälin / Kerstin Kirchhoff, Whistleblowing – Eine Anleitung, in: Jusletter 20. Juni 2011